Sehr geehrte Damen und Herren,
zu Beginn ein aktuelles Pressezitat: Es zeigt sich, dass die Gerichte allmählich die Geduld mit der Politik verlieren. Das hat, mit einem gewissen triumphierenden Unterton, der Bund für Umwelt und Naturschutz hier in Hamburg angemerkt. Der B.U.N.D. selber hat der Stadt mit einem Zwangsvollstreckungsverfahren gedroht, wenn wir nicht bis Sommer dieses Jahres einen neuen Luftreinhalteplan vorlegen.
Ich bin selber Jurist und kenne die einschlägigen sprachlichen Eskalationsstufen. Ich könnte auch einiges über den tatsächlichen Stand unserer Anstrengungen sagen, die Stadtluft zu verbessern, aber in diesem Kreis will ich mit den Zitaten deutlich machen, dass auf uns alle die Städte, die Wirtschaft, die Automobilindustrie, letztlich die Stadtbewohner immer mehr juristisch untermauerte Forderungen zukommen werden von dieser Art, ich zitiere nochmal den B.U.N.D.: Fahrverbote, Geschwindigkeitsbegrenzungen und die Einführung einer auf Stickoxide erweiterten Umweltzone.
Es sei denn, wir treffen noch rechtzeitig einvernehmliche Verabredungen, um dem zuvorzukommen. Und darum sind wir heute hier.
Der Bundesverkehrsminister weilt heute unter uns; er hat und findet dabei meine Zustimmung zentrale Weichenstellungen für den Ausbau der bisher schleppenden Elektromobilität in Deutschland in diesem Jahr angekündigt. Er hat ein Bundesprogramm für den stärkeren Ausbau der Ladeinfrastruktur und mehr Anreize für den Markthochlauf der E-Fahrzeuge gefordert. Der Bundeswirtschaftsminister hat ein Förderprogramm und mehr Engagement der Hersteller angemahnt. Morgen trifft sich die Kanzlerin zur Frage der Förderung der Elektromobilität mit den Automobilherstellern.
Ich glaube, wir müssen im gesamten Segment der abgasarmen und emissionsfreien Fahrzeuge gemeinsam, kooperativ und partnerschaftlich, noch viel mehr tun, um den Flottenanteil dieser Fahrzeuge spürbar zu vergrößern und Gerichtsurteilen und deren Folgen zuvorzukommen, die unseren Städten im Ergebnis nicht nützen. Wenn wir verhindern wollen, dass schon in diesem oder im nächsten Jahr ein Teil der PKW, LKW und Busflotte nicht mehr durch unsere Städte fahren dürfen, dann muss ein großer Teil der Flotte ganz ohne oder fast ohne Emissionen betrieben werden und zwar nicht irgendwann, sondern sehr schnell.
Stuttgart also nicht irgendeine Stadt, wenn man über Autos redet hat den Feinstaubalarm ausgelöst und dazu aufgefordert, freiwillig das Fahrzeug stehen zu lassen. Ein paar Zeilen weiter unten liest der vielleicht Ausstiegswillige die Ankündigung des Oberbürgermeisters, wenn bis Ende 2017 kein Erfolg freiwilligen Unterlassens spürbar sei, dann, Zitat, wird es zu verbindlichen Maßnahmen wie etwa Fahrverboten kommen.
Meine Damen und Herren,
Stuttgart ist überall und ich habe dies eben nicht zitiert, um hinter dem Kollegen einer anderen großen Stadt in Deckung zu gehen. Oder aufzuatmen, dass Hessen ein Stück entfernt ist. Dort hat das VG Wiesbaden auf Antrag der Deutschen Umwelthilfe dem Land Hessen ein Zwangsgeld angedroht für den Fall, dass es nicht binnen der nächsten neun bzw. zwölf Monate die Luftreinhaltepläne von Wiesbaden und Darmstadt ändert. Es geht um den Grenzwert für Stickstoffdioxid.
Sind wir ich meine uns jetzt alle, die Industrie eingeschlossen auf dem richtigen Weg und kommen wir zügig genug voran? Was die Luftreinhaltung in den Städten betrifft, sagt die Europäische Union nein. Sie hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Viele Städte in Deutschland halten die Grenzwerte für Stickstoffoxid nicht ein. 29 Regionen sind darunter:
Die Ballungsräume Berlin, Freiburg, Mannheim / Heidelberg, Stuttgart, München, Nürnberg / Fürth / Erlangen, Rhein-Main, Kassel und Hamburg; Gebiete in Mittel- und Nordhessen, in Thüringen, in Nordrhein Westfalen und im Westen von Sachsen-Anhalt, Duisburg / Oberhausen / Mühlheim, Koblenz / Neuwied, Worms / Frankenthal / Ludwigshafen; die Regierungsbezirke Karlsruhe, Tübingen und Stuttgart sowie die Städte Wuppertal, Münster, Köln, Hagen, Essen, Dortmund, Düsseldorf, Aachen, Grevenbroich und Mainz.
In unserer Stadt haben wir über die konkreten verkehrspolitischen Vorhaben hinaus aufgeschrieben: Die Luftreinhaltung ist nicht nur in Hamburg, sondern auch in anderen Großstädten und Metropolen eine Herausforderung, weil auf europäischer Ebene die Emissions- und Immissionsgrenzwerte nicht miteinander kompatibel sind.
Im November 2014 hat das Verwaltungsgericht Hamburg die Freie und Hansestadt dazu verurteilt, die 1. Fortschreibung des Luftreinhalteplans so zu ändern, dass dieser, Zitat, die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Jahresgrenzwertes für Stickstoffdioxid enthält. Ausdrücklich heißt es in der Urteilsbegründung, in mitreißendem Amtsdeutsch: Es sind auch verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu prüfen.
Meine Damen und Herren,
genau solche Maßnahmen wird man uns, und ich rede nicht nur von Hamburg, über kurz oder lang aufnötigen.
Aus meiner Sicht besteht wie schon gesagt die einzige ernsthafte Lösung eben in einer deutlich schnelleren Markteinführung von mehr emissionsarmen und lokal emissionsfreien Fahrzeugen als bisher auf dem Markt sind, im Sinne einer höheren Zahl und im Sinne einer größeren Vielfalt solcher Fahrzeugtypen sowohl im Individualverkehr als auch bei den Nutzfahrzeugen. Ich will diese Argumentation noch einmal vertiefen: Es ist nicht zu erwarten, dass rechtzeitig die ganze Fahrzeugflotte durchgetauscht wird, so dass die Immissionsgrenzwerte unterschritten werden können. Deshalb brauchen wir einen neuen ausreichend großen Teil der Flotte, am besten mit lokal emissionsfreien Antrieben, damit wir die Grenzwerte der EU als Städte einhalten können.
Ein besonderer Punkt ist dabei die Modernisierung der Busflotte, der in vielen Orten, definitiv auch hier in Hamburg, keineswegs der politische Wille entgegensteht. Es mangelt auch nicht an Investitionsbereitschaft der Verkehrsträgerbetriebe, wohl aber bremsen uns Kapazitäts- und technische Probleme.
Wir diskutieren über all das seit Jahren im Zusammenhang mit der Elektromobilität. Es sind wunderbare elegante flüsterleise Autos auf dem Markt, die mit gespeichertem Strom von den Windfeldern Dithmarschens fahren können, wenn sich denn jemand ihren Kauf leisten kann. Otto Normalverbraucher, wie man ihn früher genannt hat, wird bei diesem Stand der Dinge und Preise beim Ottomotor bleiben oder auch beim Diesel. Ich zitiere die schleswig-holsteinische Lokalpresse: Der schöne Traum kollidiert heftig mit der Realität. Von 3,19 Millionen Pkw-Neuzulassungen entfielen 2015 knapp 10.000 auf e-Mobile die angestrebte Million bis 2020 erscheint utopisch... Stromer sind teuer, (haben) wenig Reichweite, wenig Alltagstauglichkeit. Dann doch lieber ein sparsamer Diesel.
Soweit die Elmshorner Nachrichten. Die Emissionswerte von Dieselfahrzeugen, unter Laborbedingungen und beim real driving, und was Europa von unserer deutschen Steuerpolitik hält, die ja Dieselfahrzeuge fördert, sind ohnehin ein Thema für sich. Die EU schlägt unter anderem ein Verbot von Dieselfahrzeugen in bestimmten städtischen Gebieten was ich falsch finde vor und fordert was ich richtig finde dass Hybrid- oder Elektroautos sowie andere emissionsarme Fahrzeuge gefördert werden müssen.
Die EU kann in unseren Städten nicht selbst operativ tätig werden, aber Vorschriften machen kann sie und sie tut es. Sie hat den Städten bereits vorgeschrieben, wie viele Immissionen in die Luft gelangen dürfen. Diese Vorschriften sind strenger als die für die Produktion, also für die Emissionsseite. Und während in Brüssel gegenwärtig wieder heftig über diese Regelung für Fahrzeugemissionen gestritten wird, kann es sein, dass die Vorschriften über die Immissionen dazu führen, das legal erworbene Fahrzeuge über kurz oder lang in den genannten 29 Regionen in Deutschland legal nicht mehr bewegt werden dürfen. Was passiert dann? Ich bin leider überzeugt, dass dieses Problem noch gar nicht erkannt worden ist. Und das das quasi morgen früh losgehen und passieren kann auch nicht.
Deshalb möchte ich die Lagebeschreibung noch einmal zuspitzen: Keine der Städte hat bisher eine Idee, wie wir die Grenzwerte unterschreiten können.
Aber, meine Damen und Herren,
erinnern wir uns an das Waldsterben, beziehungsweise die Diskussion darüber. Sie war damals durch einigen Alarmismus beeinflusst, aber trotzdem oder sogar deswegen hat sie langfristig positive Folgen gehabt. So oder so, es musste entschlossen gehandelt werden, die Politik musste es tun und die Industrie musste es tun, sie musste an ihren Großfeuerungsanlagen schrauben und an ihren Autos, denn ihren Wald wollten die Deutschen behalten.
Damals ist es gelungen und wenn ich die Stichworte Katalysator und bleifreies Benzin in Erinnerung rufe, dann stehen die für einen großen, bedeutenden, positiv folgenreichen Ruck, der durch unser Land und ganz Europa und Nordamerika, die für das Auto und seine Zukunft entscheidenden Regionen, gegangen ist. Ein späterer Bundespräsident hat diesen Ruck in anderem Zusammenhang erneut angemahnt; er konnte das sicher auch deshalb tun, weil die Erfahrung da war, dass qualitative Sprünge in der Entwicklung möglich sind. Allemal sind sie möglich in puncto technologische Innovation.
Meine Damen und Herren,
ich bin seit langem ein überzeugter Anhänger des ingenieursgetriebenen Umweltschutzes; allgemeiner gesagt: des ökologischen Wandels durch Annäherung an die Grenzen der technischen Innovation. An denen sind wir garantiert noch lange nicht.
Das wäre auch schlecht, denn es ist jetzt wieder so ein qualitativer Sprung nötig und er muss so bald es nur geht auf unseren Straßen stattfinden, nicht nur auf Reißbrettern oder deren digitaler Weiterentwicklung. Damals war die Autoindustrie in der Lage und ich gebe zu, dass ich es selbst anfangs nicht glauben mochte , dafür zu sorgen, dass die Schadstoffe aus dem Verkehrssektor trotz ungebrochenen Verkehrswachstums nicht nur anteilig, sondern absolut deutlich zurückgingen. Wäre das nicht gelungen, müsste jetzt niemand Fahrverbote aller Art fürchten. Es gäbe sie längst.
Ich möchte, dass wir heute über Möglichkeiten miteinander reden, neue qualitative Sprünge oder doch deutlich größere und schnellere Schritte zur, nennen wir es ruhig beim Namen: Entgiftung des Straßenverkehrs zu tun.
Gestatten Sie mir eine Vorhersage: Wenn wir nicht in kürzester Zeit zu bezahlbaren Preise emissionsfreie Busse, Taxen und Lieferfahrzeuge einsetzen können, werden die genannten Fahrverbote von den Gerichten verlangt. Noch in diesem Jahrzehnt. Die Technologien müssen von Ihnen stammen. Wir kaufen die Busse. Das können wir zusagen. Wenn es der Gesetzgeber erlaubt, ändern wir die Zusammensetzung der Taxiflotte, wenn es Lieferfahrzeuge ohne Emissionen gibt, wird die Wirtschaft sie kaufen. Die Ladeinfrastruktur stellen wir bereit. Wir stellen den öffentlichen Fuhrpark um. Wir fördern elektrisches Carsharing. Aber ohne die Industrie haben wir keine Chance.
Nochmal: Unter den heute gegebenen Umständen kann keine Stadt in absehbarer Zeit die geltenden EU-Grenzwerte einhalten, keine der 29 Regionen. Die Zeit läuft.
Ich möchte, dass wir mit einigen Ideen dazu beitragen, den Vorsprung durch Technik auch politisch zu nutzen verkehrs-, umwelt-, europapolitisch , den sich Deutschlands Automobilindustrie seit Jahrzehnten erworben und den sie in einer viel härteren Wettbewerbssituation gegenüber früher verteidigt hat. Durch innovative Strategie, mit überzeugender Technik und langem Atem.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.