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25.09.2013

Eingangsstatement zum Musikdialog

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, dass Sie unserer Einladung ins Hamburger Rathaus gefolgt sind und mit uns diese Premiere vor dem Grand Opening des Reeperbahnfestivals feiern.


Wenn Sie einmal in die Runde schauen, werden Sie feststellen, dass wir versucht haben, möglichst unterschiedliche Perspektiven und Interessen der Musik an einen Tisch zu holen.

Gemeinsam wollen wir heute Nachmittag versuchen, das Gelände zu kartographieren, durch das sich die Musikwirtschaft insgesamt und ihre verschiedenen Teilbereiche derzeit bewegen.

 

Das ist meines Erachtens die zentrale Voraussetzung dafür, dass es gelingen kann, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sie sowohl Akzeptanz finden als auch Wirksamkeit entfalten können.
Wir haben uns deshalb entschieden, das bewährte Format des Mediendialogs, zu dem wir mindestens einmal im Jahr Vertreter der unterschiedlichen Medienzweige zusammenholen, etwas fokussierter für die Musikwirtschaft zu adaptieren.

 

Wir wollen damit eine andere Form der Debatte über die Zukunft der Medien- und Kreativwirtschaft erreichen, als die, die in den letzten Jahren gepflegt worden ist. Es bringt niemanden mehr weiter, wenn Unternehmen und Verbände einzeln bei der Politik vorstellig werden, ihre Maximalforderungen präsentieren und dann den Raum wieder verlassen.

 

Erstens steht der nächste Interessenvertreter schon längst hinter der anderen Bürotür und fordert das Gegenteil.
Zweitens entwickeln sich Märkte und Nutzerbedürfnisse so rasant weiter, dass klassische Regulierung oftmals viel zu langsam ist.
Und drittens fehlt nicht selten schon ein gemeinsames Verständnis der Probleme, vor denen wir stehen bzw. deren Lösung wir uns vornehmen sollten.

 

Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass wir neue Formen von Governance entwickeln müssen, in denen Politik gemeinsam mit den Branchenbeteiligten nach Lösungen für die anstehenden Probleme fahndet.

 

Wir brauchen das, um präziser zu wissen, was zu regulieren ist und wo Kompromisse möglich sind.
Das ist für alle Beteiligten vielleicht kurzfristig etwas anstrengender, aber es ist der einzige Weg, um aus den diskursiven Sackgassen zu kommen, in denen viele Debatten derzeit stecken.
Deswegen freue ich mich, dass Sie alle bereit sind, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Dieser Musikdialog soll sich als feste Gelegenheit im Kontext des Reeperbahnfestivals etablieren.

 

Meine Damen und Herren,
ich will Ihnen jetzt nicht Ihre Branche erklären, die kennen Sie besser, aber ich will versuchen, den Rahmen zu markieren, in dem wir uns bewegen.  

Wir erleben seit einigen Jahren technologiegetriebene Veränderungen von Märkten und Geschäftsmodellen, die dem einen oder anderen bisweilen den Atem geraubt haben. Wer heute in Skandinavien in einen Elektromarkt geht, der findet dort oft keine Musik mehr auf Trägermedien, weil das Geschäft sich mittlerweile komplett online und über Streaming abspielt.

 

Diese Veränderungen treffen auch die Politik: Denn wenn neue Applikationen binnen weniger Monate 50 Millionen Nutzerinnen und Nutzer weltweit gewinnen, dann sind Innovationen bisweilen Alltagsphänomene, bevor wir den politischen Apparat auch nur angeworfen haben.

 

Während wir immer noch die urheberrechtlichen, telekommunikationsrechtlichen und medienrechtlichen Implikationen zum Beispiel von Spotify diskutieren, geht es in der Branche längst darum, was wohl nach dem Streaming kommt.
Gerade diejenigen, die heute noch ein scheinbar sicheres Geschäftsmodell besitzen, müssen sich diesen Fragen stellen. Und sie tun es auch.
Es sind schließlich gerade die Erfolgreichen, die unter disruptiven Entwicklungen besonders leiden müssen, wenn sie sich nicht rechtzeitig auf neue Marktgegebenheiten einstellen.

 

Das prominenteste Beispiel dafür sind sicherlich Hersteller von Fotofilm, die es binnen weniger Jahre durch die Digitalisierung hinweggerafft hat. In der Musik kommt das Vinyl gerade wieder und Live-Konzerte erleben einen Boom.

 

Generell aber gehörte die Musikwirtschaft zu den ersten, die schmerzhafte Erfahrungen machen musste. Sie gehört daher auch zu den ersten, die neue Wege beschreiten musste. Davon können andere Medien- und Kreativzweige lernen. Nicht jeder Fehler muss von jedem wiederholt werden.

 

Wir werden uns deshalb intensiv darum kümmern, neben den technologischen Entwicklungen auch die inhaltegetriebenen Innovationen zu fördern.

 

Deshalb haben wir unsere regionale Arbeitsgruppe zum IT-Gipfel unter das Motto Content & Technology gestellt und arbeiten daran, neue Wertschöpfungskonstellationen an dieser so zentralen Schnittstelle zu beschreiben.
Als Medien- und Kreativstandort ist Hamburg durch den Bezug zu Qualitätsinhalten geprägt. Hier geht es selten bloß um die technologische Faszination, sondern immer auch um die Frage, wie sich die neuen Möglichkeiten im Sinne der Inhalte einsetzen lassen.
Deswegen haben wir in manchen Debatten vielleicht auch einen etwas realistischeren Blick auf das Urheberrecht oder den Datenschutz als im Rahmen von Content-Geschäftsmodellen.

 

Wir wissen, dass wir ein anwendbares Urheberrecht brauchen, um Erlösmodelle auch durchzusetzen.
Und wir wissen auch, dass man mit Kundendaten arbeiten muss, wenn man Inhalte verkaufen will.

 

Diesen hanseatisch nüchternen Pragmatismus wollen wir zur Grundlage der Debatte über die anstehenden Aufgaben machen. Das ist gar nicht so schwierig, wenn alle wollen.
Erstens müssen wir uns über die Werte verständigen, die uns wichtig sind. Da ist vieles wieder gerade gerückt worden, auch dank der Künstlerinnen und Künstler, die sich für das Urheberrecht ausgesprochen haben.

 

Wir haben dazu in einer anderen Runde vor etwas weniger als einem Jahr hier zusammengesessen und konnten feststellen, dass der Konsens wieder breiter wird. Das ist gut und notwendig, muss sich jetzt aber auch in der Gesetzgebung des Bundes wiederfinden.

 

Zweitens müssen wir Ziele definieren, die wir gemeinsam erreichen wollen. Dazu gehört, dass wir es schaffen, neue Erlösmodelle in Kooperation zwischen Inhalteanbietern und Technologieunternehmen zu entwickeln.

 

Die Konkurrenz, die die Schnittstelle von Content & Technology derzeit oft prägt, ist kein Naturgesetz. Im Gegenteil. Oftmals behindert sie Innovation. Wenn ehemals geschlossene Wertschöpfungsketten aufbrechen, geht es darum, gemeinsame neue Arrangements zu finden, von denen alle profitieren.

 

Dazu braucht es drittens die Instrumente, die uns beim Erreichen dieser Ziele helfen.
Natürlich muss das Urheberrecht modernisiert werden, damit es durchsetzbar bleibt, ohne Geschäftsmodelle zu gefährden.

 

Natürlich brauchen wir faire Regeln für die Auffindbarkeit im Digitalen und ein level playing field zwischen so genannten alten und so genannten neuen Medien.
Das steckt hinter der Absicht, einen Medienstaatsvertrag zu schreiben, der die vielen rechtlichen Überlegungen in unterschiedlichen Gesetzbüchern zueinander in Beziehung setzt.

 

Aber wir dürfen die Debatte nicht auf dieser dritten Ebene beginnen, wenn wir uns noch nicht einmal einig sind, wo denn die Probleme liegen und wie wir sie bearbeiten wollen.
Mein Appell heute ist also: Lassen Sie uns gemeinsam tiefer schürfen. Lassen Sie uns überzeugbar bleiben, wenn der andere vielleicht ein besseres Argument vorbringt. Und lassen Sie uns davon ausgehen, dass wir gemeinsam weiterkommen als jeweils auf uns allein gestellt.

 

Die Freie und Hansestadt Hamburg jedenfalls kann anbieten, Ihnen nicht nur regelmäßig den Tisch zur Zusammenkunft in einen schönen Raum zu stellen, sondern dann auch ihre Anliegen politisch voranzutreiben sei es im Land oder über den Bundesrat.

 

Sie dürfen davon ausgehen, dass das, was wir hier besprechen, auch Folgen hat
Ich wünsche uns eine gute Diskussion.

 

Es gilt das gesprochene Wort.