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15.05.2011

"Es ist etwas Besonderes, Hamburger Bürgermeister zu sein." - Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

 

Herr Scholz, als Arbeitsminister haben Sie Deutschlands Wirtschaftskrise bekämpft, nun eröffnen Sie als Hamburger Bürgermeister Hafenfeste. Ist eine Festeröffnung mit dem norwegischen Kronprinzen Haakon schöner als eine Kabinettssitzung mit Angela Merkel?

 

Ich hoffe, ich trete niemandem zu nahe: eindeutig ja. Kronprinz Haakon ist ein interessanter Gesprächspartner. Und 1,5 Millionen Besucher beim Hafengeburtstag sind Ausdruck von Lebensfreude in einer Stadt, mit der ich emotional eng verbunden bin. Es ist etwas Besonderes, HamburgerBürgermeister zu sein.

 

Vor drei Monaten haben Sie in Hamburg die Wahl mit absoluter Mehrheit gewonnen. Geben Sie zu: Das war nur möglich, weil Ole von Beust die CDU im Stich gelassen hat.

 

Das war möglich, weil die Bürger die Sozialdemokraten wieder in der Verantwortung sehen und Olaf Scholz als Bürgermeister haben wollten. Das wichtigste Versprechen, das ich gegeben habe, war: Wir werden die Stadt ordentlich regieren und das, was wir ankündigen, auch tun.

 

Sie sind ein eher spröder Typ, eine Art Anti-Guttenberg. Ist wieder die Zeit gekommen für die trockenen Politiker vom Typ Merkel und Scholz?

 

Ich bin skeptisch, wenn Zeitenwenden angekündigt werden, auch wenn sie sich positiv mit meiner Person verbinden. Es gibt allerdings eine große Sehnsucht nach ordentlicher, gut gemachter Politik. Das ist das beste Mittel gegen die wachsende Politikverdrossenheit. Die resultiert vor allem daraus, dass die Bürger das Gefühl haben, dass die Wahlentscheidung und das, was hinterher gemacht wird, nichts miteinander zu tun haben. Allzu viel wird für die Bühne gemacht.

 

Kann die SPD etwas aus dem Hamburger Erfolg lernen?

 

Das ist vielleicht ein bisschen vermessen. Aber: Klassische Stärken der SPD sind die Grundlage für den Erfolg in Hamburg gewesen. Dazu gehört das Bekenntnis, eine Volkspartei zu sein und nicht nur einzelne Interessen zu vertreten. Dazu gehört das Bekenntnis zum Pragmatismus. Zwar haben wir auch große Visionen, aber wir müssen uns immer danach ausrichten, dass das, was wir vorschlagen, auch gelingt. Gerade das unterscheidet uns von der Partei Die Linke wie von den Grünen. Das dritte ist unser klares Bekenntnis dazu, dass wir die wirtschaftliche Infrastruktur weiterentwickeln. Deswegen haben hier Arbeitnehmer und Unternehmer die SPD gewählt. Es geht also.

 

Den Anspruch einer Volkspartei muss die SPD doch zu Grabe tragen. In Baden-Württemberg haben die Grünen die Sozialdemokratie überflügelt.

 

Die SPD hat im vorletzten Jahrhundert die demokratische Mitgliederpartei erfunden. Später hat sie sich von der Beschränkung auf die klassischen Arbeitermilieus gelöst und sich als Partei für das ganze Volk verstanden. Das ist auch heute von größter Bedeutung. Wenn die SPD sich zum Konzept der Volkspartei bekennt, bedeutet das, dass sie politische Vorstellungen entwickelt, die für die Mehrheit der Bürger richtig sind. Was Baden-Württemberg angeht: Die SPD muss es erreichen, stärker zu werden als die CDU. Dafür kann sie die Regierungsbeteiligung nutzen.

 

Sie verkünden reichlich ambitionierte Ziele

 

Wir haben ja eines in Hamburg gerade erreicht.

 

Der SPD fehlen Migranten in führenden Positionen. Nun sollen die Migranten per Quote in der Partei für Spitzenämter gefördert werden, 15 Prozent sind beschlossen. Ein guter Weg?

 

Der Parteivorstand hat sich diese Anforderung selbst für die künftige Führungsstruktur gegeben. Das zeigt, dass wir beharrlich an dieser Sache arbeiten. Wir wollen alle ermuntern, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben und sich politisch zu engagieren, am besten in der SPD. Je weniger das von oben kommt, umso erfolgreicher wird das sein.

 

Nach Begeisterung über die Migrantenquote klingt das nicht.

 

Es geht dabei darum, diese Entwicklung zu beschleunigen, auch um eine gewisse Sichtbarkeit, um so viele zu ermuntern, sich noch stärker zu engagieren.

 

Viele Migranten sind wütend auf die SPD, weil sie Thilo Sarrazin nicht ausgeschlossen hat. Was sagen Sie denen?

 

Die SPD hat ja ein Ausschlussverfahren angestrengt. Allerdings: Bei diesem Verfahren ging es nicht darum, nachträglich zu ahnden, was jemand zuvor falsch gemacht hat, sondern darum, die Parteiordnung wiederherzustellen. Deshalb konnte niemand die Erklärung, die Sarrazin im Verfahren abgegeben hat, ignorieren. Sie hat klargestellt, dass auch er es so sehen will, dass niemand wegen seiner Herkunft an einer guten sozialen oder beruflichen Entwicklung gehindert ist. Genau das wollten wir klarstellen.

 

Wäre es nicht besser gewesen, eine Debatte über seine Thesen zu führen als ihn durch ein Parteiordnungsverfahren ausschließen zu wollen?

 

Wir haben eine kontroverse Debatte geführt durch ein Parteiordnungsverfahren. Die übergroße Mehrheit der Migranten, die sich anstrengen, um etwas für sich und ihre Kinder zu erreichen, durfte nicht den Eindruck haben, als würde das nicht anerkannt. Deswegen war das Verfahren auch im Nachhinein betrachtet richtig.

 

Die FDP versucht gerade, aus ihrem Tief herauszukommen. Wie schätzen Sie deren Lage ein?

 

Die FDP hat ihre schwierige Lage selbst verschuldet, weil sie ein Projekt der maßlosen Steuersenkung verfolgt hat, das nicht funktioniert. Ich bin ein großer Anhänger der Schuldenbremse, die wir in das Grundgesetz geschrieben haben. Wenn die Sanierung der öffentlichen Haushalte oberste Priorität für unser Land hat, dann kann man nicht mit haltlosen Steuersenkungsversprechen kommen. Das war immer ein unehrliches Projekt. Und daran ist die FDP gescheitert.

 

Warum profitiert die SPD so wenig von der Schwäche von Union und FDP?

 

Weil wir eine gut funktionierende Demokratie haben. Die Bürger hatten es sich ja genau überlegt, als sie uns bei der letzten Bundestagswahl nicht sehr viele Stimmen gegeben haben. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir es schaffen, dass viele, die uns zuletzt nicht gewählt haben, wieder einmal über uns als Alternative nachdenken. Gerade wenn sie betrachten, wen es sonst noch so im Angebot gibt. Und wenn wir einen guten Eindruck hinterlassen. Es geht darum, wie wir uns langfristig aufstellen, um Seriosität und Kontinuität.

 

Die Frage nach dem Kanzlerkandidaten der SPD soll Ende 2012 oder Anfang 2013 entscheiden werden. Ist das möglich, diese Entscheidung so lange hinauszuzögern?

 

Es geht nicht um ein Hinauszögern, sondern um den richtigen Zeitpunkt. Ich glaube auch nicht, dass die Leute das nicht abwarten können. Millionen Bürger haben sich gerade für eine Hochzeit in Großbritannien interessiert. Die fragen sich nicht jeden Tag, wer unser Kanzlerkandidat wird.

 

Frank-Walter Steinmeier hat die 23 Prozent vom letzten Mal als Hypothek, er wird kaum noch einmal kandidieren können.

 

Wir alle, die ganze SPD, haben dieses Ergebnis zusammen zu vertreten. Und es ist unser Ehrgeiz, beim nächsten Mal besser abzuschneiden.

 

Parteichef Sigmar Gabriel ist zu sprunghaft, auch nicht beliebt. Für einen Kanzler geht das nicht.

 

Sie sehen doch: Ich möchte mich nicht auf Ihr Who is who einlassen.

 

Noch eine Frage dazu: Könnte Peer Steinbrück den Kanzlerkandidaten machen?

 

Nennen Sie ruhig noch ein paar Namen. So zeigt sich, dass Sie auf eine stattliche Anzahl von Personen mit SPD-Parteibuch kommen, wenn es darum geht, wer die Republik regieren könnte. Und das ist eine wichtige Botschaft.

 

 

Das Interview führte Markus Wehner