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07.09.2011

Festrede 100 Jahre Alter Elbtunnel

 

Sehr geehrter Herr Meier,

sehr geehrter Herr Karstedt,

sehr geehrter Herr Bahnsen,

meine Damen und Herren,

 

sehr gern bin ich an diesem nicht alltäglichen Ort, den trotzdem in Hamburg jede und jeder kennt. Im Alten Elbtunnel, wie wir ihn heute und schon lange nennen. Dabei war er lange Zeit der einzige. Und diejenigen Hamburgerinnen und Hamburger, die Zeitzeugen bei seiner Einweihung waren, die haben ihn noch lange danach voller Bewunderung den neuen Elbtunnel genannt. 

 

Zu der Zeit benutzten ihn fast nur Fußgänger und Fuhrwerke, obwohl von Beginn an auch Kraftfahrzeuge zugelassen waren. Bald drängten sich die Radfahrer dazwischen. Alle mussten in Fahrkörben herabgelassen und wieder hinaufgezogen werden; für roll in / roll out war kein Platz. Aber was waren Wartezeiten und ein Fußmarsch bei künstlichem Licht gegen die Unbilden der Witterung, denen man entging? Und die Sicherheit, rechtzeitig anzukommen? 

Der Tunnel, heute vor hundert Jahren eröffnet, galt als eines der großartigsten Bauwerke Europas, als Meisterleistung der Architektur und Ingenieurskunst. Nüchtern betrachtet, gab er eine Antwort auf die Frage, die schon damals sehr unterschiedlich beantwortet wurde: Was ist die Elbe für Hamburg?

Die Frage war nicht so abwegig, wie sie sich im ersten Moment anhören mag. Die Elbe war und ist Hamburgs Lebensader, und zwar in vielfältiger und widersprüchlicher Weise: als Verkehrsweg für Binnen- und Seeschiffe; als Ort der Erholung -  auf dem Wasser und entlang der Ufer -, als Quelle des Broterwerbs, früher auch im Sinne von: Fischerwerb. Auch als ein Vorfluter, in den früher sehr viel Trübes eingeleitet wurde. Ins Detail will ich da nicht gehen. Die Elbe ist heute wieder ein einzigartiger Lebensraum für Flora und Fauna, an manchen Stellen sogar von hoher ökologischer Bedeutung. Sie ist jedoch auch eine Erinnerung an Sturmfluten und die Verpflichtung, diesen vorzubeugen.

 

Schließlich und endlich war die Elbe schon zu Kaisers Zeiten das, was Sie im Prinzip heute noch ist, in sehr dialektischer Weise: Verkehrsweg und gleichzeitig Verkehrshindernis. Sie zu überqueren, war vor hundert Jahren mühsam und zeitaufwändig. Sie zu unterqueren, ist heute nicht mühsam, aber zugegeben zu bestimmten rush hours auch wieder zeitaufwändig.

Was wir auch  tun, der Straßenverkehr wächst mit. Elbquerungsprojekte werden die Politik in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen weiterhin intensiv beschäftigen. Sie tun es ja sogar in Dresden.

 

Dieser Elbtunnel der so genannte alte kann dafür nichts. Er war vor einem Jahrhundert die Antwort auf die Frage, wie im massiv ausgebauten und wachsenden Hafen die Arbeitskräfte rechtzeitig, mit weniger Aufwand und weniger Gefahren dorthin gelangen konnten, wo sie gebraucht wurden. Übrigens keine leichte Antwort, schon damals nicht. Das Projekt war teuer, es war technisch nicht einfach hinzubekommen, und es gefiel auch nicht allen. Am wenigsten der Hafen-Dampfschiffahrts AG, -schiffahrt damals noch mit einem f weniger. Die hatte das Monopol für den Transport per Elbfähre und fürchtete enorme Einnahmeverluste.

 

Sie sehen, nicht alles, was uns heute umtreibt an Hoffnungen und Befürchtungen, Chancen und Risiken, ist so ganz und gar neu. Geblieben ist die Aufgabe, unsere Stadt weiter zu entwickeln, ihr weiteres Wachstum zu ermöglichen und zu fördern.


Hafenerweiterung fand in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg vor allem in Steinwärder statt, damals noch mit Umlaut geschrieben, wo die großen Werften mächtig expandierten. Im Freihafen entstanden neue Umschlagsanlagen und Hafenbecken. 20.000 Werft- und 25.000 Hafenarbeiter fanden zu der Zeit in Hamburg ihr Auskommen und packten an. Einen Landweg, auf dem sie trockenen Fußes von den St.Pauli Landungsbrücken an ihre Arbeitsplätze kommen konnten, den projektierte dann im Auftrag des Senats, nachdem man Alternativen wie eine Schwebefähre verworfen hatte, der Baurat Ludwig Wendemuth. Sein Name war nicht Programm, er hat seinen Vorschlag durchgesetzt, ebenso wie ihn der Leiter des Projektes, Otto Stockhausen, zu Beginn erst 29 Jahre alt, erfolgreich zu Ende brachte. Graue Haare soll er allerdings wörtlich zu nehmen dabei bekommen haben.

Der St. Pauli Elbtunnel so heißt er offiziell ist 426 Meter lang und hat 10,7 Millionen Goldmark gekostet.

Hundert Jahre später ist der Elbtunnel als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland nominiert. Und es stimmt, man kann nur mit Hochachtung die Leistung aller Beteiligten an dem Bauwerk betrachten. Das gilt für die Ingenieure, die sich mit den Tücken des Untergrundes und des Druckluftverfahrens mit dem man noch nicht viel Erfahrung hatte auseinandersetzen mussten. Nicht minder gilt es für die vielen Arbeitskräfte   viereinhalbtausend waren insgesamt am Bau beteiligt die hier unter dem Fluss unter erhöhtem Druck arbeiteten, im eigentlichen Sinne des Wortes, was sehr belastend, unter Umständen auch lebensgefährlich war. Die so genannte Taucherkrankheit hat mehrere hundert Arbeiter betroffen, drei kamen dadurch ums Leben, zwei weitere bei Unfällen. Angesichts der Schwierigkeiten und Zwischenfälle, von denen es etliche gab, trotzdem eine relativ geringe Zahl, was auch der medizinischen Kontrolle und Betreuung zu danken war. In der damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit.

   

Es mussten ganze Kerle sein, die im Hafen arbeiteten und die unter dem Hafen dafür sorgten, dass Ihre Kollegen künftig besser an ihre Arbeitsplätze gelangten. Vielleicht vermittelt dieses Jahrhundertbauwerk, das noch zum größten Teil in harter Handarbeit entstanden ist, so blankgescheuert und herausgeputzt es ist, vielleicht vermittelt es noch heute einen Eindruck davon, dass Seefahrt, Hafenarbeit und alles was daran hing, ursprünglich genau das waren: knochenharte Handarbeit.

Der Hafen von heute lebt von Geschwindigkeit. Komplexe Maschinen, eine ausgefeilte Logistik und computergestützte Transportsysteme machen ihn stark. Aber Schauerleute, Tallymänner, Docker und Ewerführer haben unseren Hamburger Hafen hochgebracht und es sind die Arbeiter der heutigen Generation zahlenmäßig geschrumpft  die die Funktionsfähigkeit des Hafens und seine Präzisionsabläufe garantieren.


Der alte Elbtunnel präsentiert sich heute bestens erhalten und, wie gesagt, herausgeputzt, auch wenn der Sanierungszeitplan nicht ganz eingehalten werden konnte. Ich finde es richtig, dass in so einem Fall Gründlichkeit vor Tempo geht, wenn ich zum Beispiel höre, dass 800.000 historische Keramikkacheln hartnäckiger an den Wänden kleben als gedacht. Früher oder etwas später werden sie im alten Glanz erstrahlen.


Meine Damen und Herren, spüren Sie der Geschichte des Alten Elbtunnels nach, hier unten und in der Sonderausstellung im Alten Kraftwerk auf der Steinwerder Seite. Lassen Sie sich durch den Tunnel führen, machen Sie eine Kutschfahrt mit. Erleben Sie ein gut erhaltenes, liebevoll gepflegtes Überbleibsel der hamburgischen Industriegeschichte, das gleichzeitig die Verkehrsprobleme und Lösungsversuche eines ganzen Jahrhunderts symbolisiert. Seit 2003 steht der Elbtunnel unter Denkmalschutz.

Ich danke allen, die die Jubiläumsfeier im St. Pauli Elbtunnel, im Alten Elbtunnel möglich gemacht haben.  

 

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.