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29.08.2011

Gastbeitrag für die 'Welt': Wir können die Metropole werden

Gastbeitrag für die 'Welt': Wir können die Metropole werden

 

Die Debatte über die Zukunft der großen Städte ist in den letzten Jahren oft merkwürdig verkürzt verlaufen: Man konnte den Eindruck gewinnen, es sei mehr um den Traum vom Eigenheim weit weg im Grünen gegangen und um die Probleme, die das Leben auf engem Raum mit sich bringen kann. Große Städte, das waren für Viele nur die "Mega-Cities" mit Verkehrschaos, mangelhafter Infrastruktur, Kriminalität und gehetzten Einwohnern.

 

Manche haben dabei vergessen, dass Städte seit jeher auch Sehnsucht wachgerufen und Hoffnungen geweckt haben - nach einem erfüllten, selbstbestimmten Leben, nach Gespräch und Gemeinsamkeit, nach Arbeit und Lebensqualität. Auch aus diesem Grund sind Städte entstanden - und weil immer wieder diejenigen zusammenkamen, die etwas Neues anfangen wollten.

 

In den Städten zeigt sich, welche Herausforderungen und welche Chancen sich ergeben, wenn Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen und mit ganz unterschiedlichen religiösen Überzeugungen eng zusammen leben. In den Städten sind die großen Erfindungen der Menschheit gemacht worden - von der athenischen Demokratie bis zu den modernsten Technologien. Städte sind Laboratorien der Moderne, Geburtsstätten des Neuen. Und deshalb sind sie etwas Mut machendes.

 

Langsam beginnen wir in Hamburg, diese kreative und innovative Seite des Stadtlebens wieder in den Vordergrund der Diskussion zu stellen. Wir wissen: Städte und die Zahl ihrer Einwohner können so wachsen, dass Wohlstand, Lebensqualität, Wirtschaftskraft, Kultur und Wissenschaft davon profitieren. Denn die großen Städte sind - zumindest in unseren Breitengraden - keine elende Begleiterscheinung der Moderne. Sie sind ihr Kern und ihr Katalysator: Hier schaffen Kultur und Wissenschaft Erkenntnis. Hier entstehen aus Mut und Intelligenz neue Unternehmen und neue Jobs. Bürgerinnen und Bürger wollen in der Stadt leben, weil sie hier Lebens-Perspektive und Lebensqualität erhoffen und finden. Und was mir wichtig ist: Gerade in den Städten ergeben sich auch immer wieder Chancen für diejenigen, die bisher gesellschaftlich benachteiligt wurden. Es ist kein Zufall, dass etwa der Prozess der gesellschaftlichen Gleichstellung von Männern und Frauen seine wichtigsten Impulse immer wieder aus den Städten bekommt.

 

Die große Stadt hat Zukunft. Aber der Fortschritt kommt nicht von selbst. Es reicht zum Beispiel nicht aus, die "wachsende Stadt" als Leitbild zu beschließen, ohne daraus Konsequenzen für Politik und Stadtplanung zu ziehen. Wir erleben in Hamburg derzeit die Folgen einer Politik, die die wachsende Stadt zwar beschworen hat, zugleich aber nicht wusste, wie sie ihr eine moderne Form geben kann: Es gibt einen erheblichen Stau bei der Sanierung von Gebäuden und Infrastruktur in Hamburg, und es gibt vor allem zu wenig Wohnungen.

 

Moderne Metropolen brauchen eine Politik, die die Stadt nicht bloß als Marketing-Gag missbraucht, sondern zur Leitlinie ihres Handelns macht. Das heißt insbesondere, dass wir das Wohnen in der Stadt ermöglichen müssen - sicher, bezahlbar und in angemessener Qualität. Mehr Wohnraum können wir dabei auch durch Verdichtung erreichen. Wir werden mehr als bislang in die Höhe bauen - und dadurch Parks und Grünflächen schonen. Wer aufmerksam durch die Stadt geht, der sieht: Zwei Geschosse mehr an der einen oder anderen Stelle verändern nicht gleich das Gesicht der Stadt.

 

Wo viele Menschen zusammenleben entstehen Probleme - aber auch Lösungen. Die wenigsten Ideen sind in Studierstuben entstanden - und auch nicht in Internet-Foren oder per E-Mail zwischen Bangalore, Seattle und Hamburg. Viele gute Ideen entstehen beim Bier auf dem Kiez und beim Kaffee in der Küche. Aus gemeinsamen Interessen wird eine Idee, aus der Idee wird ein Plan und aus dem Plan ein konkretes Projekt: von Limonade aus Hamburg bis zu Computertechnologie oder neuer Dienstleistung. Zusammenleben und Kreativität gehören zusammen - und sind für die Zukunft der Städte von größter Bedeutung.

 

Wenn wir Hamburg - und die ganze Metropolregion - im Kreis der großen Städte etablieren wollen, dann müssen wir uns ins Zeug legen. Es gibt viele Baustellen - und ich meine nicht nur die nur für Wohnhäuser und Bürogebäude. Wir brauchen vor allem die Voraussetzung dafür, dass die Bewohner der Stadt von morgen heute gut gebildet und ausgebildet werden. Wir brauchen eine gute und liebevolle Kinderbetreuung und erstklassige Schulen und Hochschulen. Wer die Stadtteilschule oder das Gymnasium verlässt, soll studieren oder eine Ausbildung abschließen können. Daran arbeiten wir bereits - wie auch an einer Infrastruktur, die belastbar ist, an Straßensanierung und Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Und wir bauen mehr Wohnungen. Wir brauchen attraktive und provozierende Kultur, anregende Medien und qualitativ hochwertige Wissenschaft. Das alles gehört zum Fundament für das moderne Hamburg, das wir schaffen wollen.

 

Große Städte sind immer auch offene Städte: Offen sowohl für alte Wünsche und Bedürfnisse als auch für neue Ideen und praktische Verbesserungen. Die Zukunft gehört den großen Städten, und Hamburg gehört zu den großen Städten Europas. Unsere Stadt hat geographisch, wirtschaftlich und kulturell die Chance, zu der deutschen Metropole zu werden. Machen wir uns auf dem Weg. Ohne Furcht.

 

 

> Der Artikel auf der Website der 'Welt'