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30.08.2011

Rede beim Senatsempfang für die Helfer gegen die EHEC-Epidemie

 

Sehr geehrter Herr Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

heute begrüße ich Sie im Festsaal unseres Rathauses ganz herzlich zu einem  Senatsempfang aus besonderem Anlass.


Sie alle und viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen, die nicht hier sein können, haben Herausragendes geleistet, als es darum ging, der EHEC-Epidemie dieses Frühsommers zu begegnen.

Es ist dem Senat und mir ganz persönlich ein besonderes Anliegen, Ihnen für Ihren Einsatz zu danken: bei der Behandlung der Erkrankten, aber auch bei der Suche nach den Ursachen für den Ausbruch dieser neuartigen und zunächst rätselhaften Variante der Krankheit.

Ärzte und alle anderen, die im Krankenhaus arbeiten , sind stets mit dem Leid, auch mit dem Tod von Patienten konfrontiert. Eine Epidemie, wie die hinter uns liegende, ist aber eine ungewohnte, auch emotional sehr besondere Herausforderung.
 

Mit dem Begriff Epidemie verbinden wir in der Regel ein historisches Ereignis, von dem wir hoffen, dass es sich dank großer Fortschritte in der Gesundheitsvorsorge und -behandlung heute nicht mehr wiederholt. Wir erinnern uns an große Epidemien wie beispielsweise die Spanische Grippe, die von 1918 bis 1920 die Welt heimsuchte und bis zu fünfzig Millionen Todesopfer gefordert hat. Oder Hamburgs Cholera-Epidemie 1892, an deren Ende 8.600 Tote zu beklagen waren.


Obwohl es seither in der medizinischen und pharmakologischen Entwicklung enorm voran gegangen ist, haben Infektionskrankheiten nicht an Bedeutung verloren. Sie stellen weiterhin eine Bedrohung dar. Zum Beispiel hatten die Vogelgrippe und die so genannte Schweinegrippe das Potenzial, jeden von uns zu treffen und sie wurden in der Bevölkerung zu Recht als besondere Bedrohung wahrgenommen.

Unsere moderne Gesellschaft ist verletzlich, dies hat uns jetzt die EHEC-Epidemie wieder deutlich vor Augen geführt. Wie für Infektionskrankheiten typisch, erfolgte der Ausbruch unvermittelt und es war nicht sofort abzusehen, welche Dimension das Ganze haben würde. Das war beunruhigend, aber dann habe ich es sehr beruhigend gefunden, dass wir über ein außerordentlich leistungsfähiges Gesundheitssystem verfügen. Sie, meine Damen und Herren, haben das wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Denn wodurch funktioniert ein System, wenn es sich nicht auf Menschen wie Sie verlassen kann? Auf Menschen, die professionell, hoch engagiert und ohne Blick auf die Uhr tun was nötig ist, um eine Krise erfolgreich zu bewältigen?

Lassen Sie mich ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Bereiche herausgreifen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am stärksten gefordert waren.

 

Als die Patientenzahlen in den ersten Tagen stark anstiegen, waren die Hamburger Krankenhäuser besonders gefordert. Ohne Vorwarnung füllten sich die Aufnahmebereiche: mit Patienten, die noch keine bestätigte Verdachtsdiagnose hatten und eher vorsorglich aufgenommen wurden, aber auch mit Patienten, die bereits deutliche Symptome aufwiesen und deren gesundheitlicher Zustand sich schnell dramatisch verschlechterte. Gerade diese Patienten haben die Krankenhäuser besonders gefordert, da im größeren Umfang Dialysen durchgeführt werden mussten und vielfach eine intensiv-medizinische Betreuung notwendig war. Dadurch standen zeitweise zentrale Notaufnahmen für die reguläre Versorgung nicht zur Verfügung.

 

Solche Belastungssituationen erfordern ein wirkungsvolles interdisziplinäres Zusammenarbeiten. Genauso erfordern sie ein Höchstmaß an persönlichem Engagement. Das hat jede und jeder einzelne von Ihnen aufgebracht. Sie haben weit über die reguläre Arbeitszeit hinaus gearbeitet und in vielen Fällen persönliche Verpflichtungen hinten angestellt, um zusätzliche Dienste zu leisten und die Patientinnen und Patienten optimal zu versorgen.

 

Krankenhäuser, in denen die Mehrzahl der Erkrankten versorgt wurde, waren:

  • das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf,
  • die Asklepios Kliniken Altona, Barmbek und Harburg,
  • das Marienkrankenhaus,
  • das Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg,
  • das Evangelische Amalie Sieveking Krankenhaus und
  • die Schön Klinik Hamburg Eilbek.

 

Bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Krankenhäuser möchte ich mich für den tatkräftigen Einsatz herzlich bedanken.

 

Für die Patientinnen und Patienten, die an der besonders schweren Ausprägung der EHEC-Infektion litten, dem hämolytisch-urämischen Syndrom HUS, und deren Nierenfunktion stark beeinträchtigt war, wurden in kurzer Zeit extrem viele Dialyseplätze benötigt. Hier stießen auch die gut ausgestatteten Krankenhäuser an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Dank der guten Vernetzung zwischen der stationären und der ambulanten Versorgung bekamen sie aber kurzfristig Unterstützung durch die Dialysepraxen. Diese stellten Geräte für die Plasmapherese und Dialyse und Fachpersonal zur Verfügung.

 

Zudem haben die nicht unmittelbar beteiligten Krankenhäuser unkonventionell geholfen, indem sie Personal ausgeliehen und die Notfallversorgung übernommen haben.

 

Auch über Hamburgs Grenzen hinaus hat die Kooperation mit anderen Kliniken hervorragend funktioniert. Da in den Nachbarbundesländern teilweise weniger Erkrankte zu verzeichnen waren, sind dialysepflichtige Patientinnen und Patienten schnell und unbürokratisch verlegt worden.

Sehr wichtig war auch, dass die Patienten beförderung funktionierte. Sie ist kompetent und mit der gewohnten Einsatzfreude von der Feuerwehr Hamburg und den Hamburger Rettungsdiensten geleistet worden. Auch sie waren besonders beansprucht und mussten flexibel auf die diversen, nicht kalkulierbaren Teil-Sperrungen der Notaufnahmen reagieren. Dafür gilt ihnen Dank und Anerkennung.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

jeder weiß, dass Gesundheit Geld kostet und der Kampf gegen eine solche Epidemie viel Geld. Erwähnen möchte ich deshalb das Engagement der Krankenhausleitungen. Sie haben mit großem Verantwortungsbewusstsein den Blick darauf gerichtet, die Kranken optimal zu versorgen, und Gedanken an die Finanzierung erstmal verdrängt.

 

Natürlich muss die trotzdem geregelt werden, auch damit die Krankenhäuser in vergleichbaren Situationen wieder so handeln können, ohne finanziell in Not zu geraten. Ich begrüße nachdrücklich die beispielhafte Initiative der Hamburger Krankenkassen, die den betroffenen Krankenhäusern ihre Unterstützung und pragmatische Lösungen für die Budgetfolgen zugesagt haben. Ich bin sicher, dass die Kassen diese Zusicherung in die Tat umsetzen werden.

 

Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte werden vielfach als erste mit vielfach noch unspezifischen Krankheitssymptomen konfrontiert. Sie müssen die richtige Diagnose stellen und die notwendigen Therapieschritte festlegen. Mit Sorgfalt und Bedacht müssen sie entscheiden, ob eine stationäre Einweisung erforderlich ist. Das ist ihnen hervorragend gelungen. Zu keinem Zeitpunkt hat ein Zusammenbruch des stationären Bereiches gedroht und selbst im Lichte des teilweise schweren Verlaufs der Erkrankung hatten wir nur wenige Todesfälle zu beklagen.


Das ist auch ein Verdienst der medizinischen Untersuchungslabore, die schnell und zuverlässig Auskunft darüber gaben, ob die Erkrankung auf EHEC-Bakterien zurückzuführen war und ob zudem ein gefährlicher Subtyp vorlag, der für die Ausbildung des HU-Syndroms verantwortlich ist. Auf dieser Grundlage konnte umgehend die richtige Therapie beginnen. Die Labore kannten ihre entscheidende Weichenstellungsfunktion. Sie haben bis an die Grenze der Belastbarkeit untersucht und Diagnosen gestellt.

 

Beim Ermitteln der Ursachen für den Ausbruch hatte der Öffentliche Gesundheitsdienst, zu dem auch der Verbraucherschutz gehört, eine zentrale Bedeutung. Zu Recht erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass eine staatliche Institution in einer solchen Situation mit Hochdruck daran arbeitet, die Infektionsquelle aufzuklären und einzudämmen. Wie wir wissen, war das die eigentliche Schwierigkeit, dass zwar der Erreger bekannt war, jedoch nicht die Infektionsquelle. Und wir wissen aus vorangegangenen EHEC-Infektionen: Meistens kann sie gar nicht gefunden werden.
 

Diese Ermittlungstätigkeit erfordert Erfahrung und Fingerspitzengefühl, besonders im Umgang mit Patienten und deren Angehörigen. Die Suche nach der Infektionsquelle glich der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verbraucherschutzämter, der Fachbehörde sowie des Instituts für Hygiene und Umwelt haben viele hundert Lebensmittelproben wie es im Fachjargon heißt gezogen und Untersuchungen durchgeführt.


Das Spektrum der Untersuchungen war vielfältig. Es reichte von noch vorhandenen Lebensmitteln im Haushalt der Erkrankten über solche in Kantinen und Restaurants, die kurz vor Ausbruch der Erkrankung verzehrt wurden, bis hin zu Kontrollen in den Läden und auf dem Hamburger Großmarkt. In enger Abstimmung mit den zuständigen Bundesbehörden und mit Unterstützung der Hamburger Polizei fand eine nahezu detektivische Ermittlungsarbeit statt.

 

Bereits nach wenigen Tagen konnte man EHEC-Erreger auf Salatgurken nachweisen. Später kam durch weitere Analyseschritte heraus, dass es sich dabei nicht um den gleichen Krankheitserreger handelte, der für die Epidemie verantwortlich war. Trotzdem war es richtig, die Öffentlichkeit zu warnen und die Ware sicherzustellen. Um es noch einmal klar zu sagen und ein Missverständnis auszuräumen, das hier und da noch besteht: Es handelte sich nicht um einen Verdacht, sondern um einen potenziell gefährlichen Befund.

Deshalb will ich in meinen Dank ausdrücklich das Institut für Hygiene und Umwelt einschließen, das maßgeblichen Anteil an der Detektivarbeit hatte. Dort waren mehr als fünfzig Personen an der Aufklärung der EHEC-Epidemie beteiligt. Es ist gut zu wissen, dass wir so ein traditionsreiches Landeslabor haben - übrigens seit der Cholera-Epidemie 1892 , mit vielen wissenschaftlichen Disziplinen, das Kapazitäten schnell und effizient bündeln und Erkenntnisse gewinnen kann.

Der Verzicht der Bevölkerung auf Salat und rohes Gemüse hat schon in der dritten Woche zu einem Rückgang von Neuerkrankungen geführt. Dass sich die Ermittler auf Rohkost und die gezielte Untersuchung von Salat und Gemüse konzentriert haben, genau das hat letztlich zu den Sprossen als Infektionsquelle geführt.

Die Hamburgerinnen und Hamburger haben per Telefon, e-Mails und Briefen zahlreiche Hinweise gegeben und die Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes unterstützt. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich den Telefonischen HamburgService erwähnen, der sehr kurzfristig die Funktion einer Hotline übernommen hat.

 


Meine Damen und Herren,

 

zu verbessern gibt es immer etwas, vielleicht auch in der Zusammenarbeit der Behörden des Bundes und der Länder. Dessen ungeachtet hat sie funktioniert. Das Robert-Koch-Institut wurde sofort informiert, war am zweiten Tag in Hamburg vor Ort und hat die Ermittlungen der Gesundheitsämter gezielt unterstützt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie das Bundesinstitut für Risikobewertung haben ebenfalls frühzeitig ihre wissenschaftliche Expertise eingebracht.

Hamburgs neu gegründete Gesundheits- und Verbraucherschutzbehörde hat ihre Bewährungsprobe bestanden. Ich unterstütze ohne Wenn und Aber auch jetzt hinterher die klare Haltung von Frau Senatorin Prüfer-Storcks in Bezug auf Verzehrwarnungen. Die eindeutige Positionierung zugunsten Gesundheits- und Verbraucherschutz hat maßgeblich zum Vertrauen der Bevölkerung in der Krise beigetragen. 


Allen heute hier Anwesenden möchte ich im Namen des Senats für Ihr Engagement meine Anerkennung aussprechen. Bitte tragen Sie unseren Dank auch an diejenigen weiter, die heute nicht dabei sein können. Den Menschen, die heute noch unter den Folgen der Erkrankung leiden, wünsche ich eine baldige und möglichst vollständige Genesung. Den Angehörigen der Verstorbenen gehört unser Mitgefühl.

Uns allen wünsche ich, dass uns eine solche Herausforderung in Zukunft nicht so bald wieder ereilt.

Freuen Sie sich nun mit mir auf das Hamburger Ärzteorchester, das als eigenes musikalisches Dankeschön an alle engagierten Helfer sein kleines Konzert fortsetzt.

 

Vielen Dank dafür und für Ihre Aufmerksamkeit!

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.