Grenzen des Wachstums Hamburg und die Strategie der Hansestadt
Gastbeitrag zum Themenheft im Rahmen der Schriftenreihe "Informationen zur Raumentwicklung" des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Meine Prognose für die globalen Entwicklungen bis zum Jahr 2052 ist pessimistisch, aber nicht katastrophal. Jørgen Randers, Hauptautor des neuen Berichts an den Club of Rome, 2052: A Global Forecast for the Next Forty Years, fährt fort: Fast drei Milliarden Menschen werden immer noch keinen für meine Begriffe ausreichenden Lebensstandard haben, ohne angemessene Nahrung, Wohnung, Gesundheitsversorgung oder Sicherheit leben müssen.
Sollte das eintreffen, wäre es für die Weltgemeinschaft katastrophal genug. Selbst wenn die Reaktion im Dorfgemeinschaftshaus des Global Village sogar erleichtert ausfiele, wenn über den Monitor die Laufschrift liefe: Zwei Dritteln der Weltbevölkerung geht es soweit gut.
Wir haben seit dem ersten, erschrocken diskutierten, aber nicht sofort folgenreichen Bericht an den Club of Rome, Die Grenzen des Wachstums (1972) des Ausgangspunktes der modernen Debatte, wie lange eigentlich noch alles so weiter gehen kann gelernt, gegenüber Prognosen skeptisch zu sein. Das ist gut, und es schmälert ja nicht die Bedeutung jenes Berichtes, dass nicht alle seine Warnungen eingetroffen sind, zum Beispiel die Erschöpfung bestimmter natürlicher Ressourcen und Rohstoffe betreffend.
Energiewende Herausforderung unserer Zeit
Wenn zu Beginn dieses Textes ein kleiner Exkurs gestattet ist: Wissenschaftliche Forschung als Flankengeberin für politische Spearheads, die nur noch den Kopf hinhalten müssen, um zum gewünschten Resultat einzunetzen das war noch nie mehr als ein schöner Traum. Dass zum Beispiel die Debatte über den Klimawandel eine neue Richtung nehmen kann, seit auch der jüngste IPCC-Bericht einräumt, dass der Fortschritt der Erderwärmung seit eineinhalb Jahrzehnten nahezu pausiert , beweist einmal mehr, dass es immer notwendig sein und bleiben wird, auf der Basis neuer Erkenntnisse neu nachzudenken und nachzusteuern.
Vor vierzig Jahren, beim ersten Bericht an den Club of Rome, war der Kohlenstoffkreislauf in der Atmosphäre, war das Waldsterben, war der in Teilen anthropogen ausgelöste Treibhauseffekt noch kaum ein Thema. Es ging eher darum, wie viel wir dem Ökosystem Erde in welchen Zeiträumen noch entnehmen dürfen und abringen können.
Die sozusagen Gegenfrage, wie viel wir ihm (hin)zufügen, was wir zusätzlich eintragen dürfen, bis die Folgen massiv auf uns zurückfallen, das war und ist Teil 2 der Diskussion und bestimmt sie bis heute. Mit Begriffen wie Sustainable Development oder, in Deutschland, dem Ökologischen Umbau der Industriegesellschaft ist versucht worden, die Agenda auf den Punkt zu bringen.
Deutschland, auch seine Städte, auch Hamburg arbeiten aktuell an der Energiewende. Das müssen sie erstens, weil Klimaschutz, weil der Umstieg auf eine andere Energiebasis notwendig bleibt; zweitens, weil der lange hinausgezögerte, dann unverhofft forcierte Atomausstieg in Deutschland, der unter dem Eindruck der Naturkatastrophe in Japan und ihrer Folgen am AKW-Standort Fukushima zu Stande kam, die umwelt- und klimaverträgliche Substitution des fehlenden Atomstroms verlangt. Drittens, und da bin ich sehr konkret beim Stichwort Wachstum: weil wirtschaftliches Wachstum an einem Industriestandort, in einer Metropolregion mit wachsender Einwohnerzahl so unverzichtbar ist wie überall ringsum.
Wir reden bei der Energiewende über die derzeit größte politische und logistische Herausforderung für den Industriestandort Deutschland. Was für ein hochkompliziertes Zielgeflecht sie ist, zeigt eine einzige Diskussion in einer populären Talkshow, in der sich fünf Experten und eine Expertin heftig beharken, obwohl irgendwie alle dasselbe wollen: eine sichere, ökologisch verträgliche, nachhaltige Energiewirtschaft, die für die Verbraucher bezahlbar ist und ökonomische Wachstumspotenziale nicht gefährdet.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an eine Diskussion, die angesichts der unterdessen zu verzeichnenden Kostenentwicklung so gut wie keine Rolle mehr spielt, nachdem sie eine Zeitlang fast schon Mainstream war: dass Energie, wie andere knappe Güter, grundsätzlich zu billig sei, um zu Einsparungen im Verbrauch anzureizen. Transporte frisch gefangener Nordseekrabben nach Marokko, um dort von Arbeitskräften weit unterhalb hiesigen Lohnniveaus ausgepult und dann wieder zurück transportiert zu werden, galten als sinnfälliges Beispiel.
Nullwachstum adé umweltverträgliche Wachstumsperspektiven
Mainstream ist hingegen heute die Erkenntnis, dass Phantasien von einem Nullwachstum hinfällig sind, weil man nicht alle Parameter auf Null stellen kann und weil simple mathematische Logik ihr Recht einfordert (wie sollen ohne Wachstum Zinsen für Investitionen erwirtschaftet werden?).
Richtig ist, dass die Frage nach Notwendigkeit und Grenzen des Wachstums einen dritten Aspekt berücksichtigen muss, über die beiden genannten ökologischen hinaus Was entnehmen wir? Was tragen wir ein? nämlich: Wie wächst ein Gemeinwesen, wie wächst eine Stadt, wie wächst zum Beispiel Hamburg so, dass individuelle und soziale Bedürfnisse nachhaltig gelebt werden können?
Einfacher gefragt: Wie können alsbald zwei Millionen Hamburgerinnen und Hamburger auf dem Weg dahin sind wir gut und urban miteinander leben, synergie-effektiv und ohne sich auf den Wecker zu fallen? Mit ausreichend elbow room, wie der Angelsachse sagt, und der Aussicht auf siehe Randers angemessene Nahrung, Wohnung, Gesundheitsversorgung und Sicherheit? Auf eine selbstbestimmte, erwerbstätige Existenz? Auf gute Ausbildung für die Kinder und guten öffentlichen Transport auch noch später, wenn man nicht mehr gut zu Fuß ist? Denn nachhaltig ist Wachstum natürlich nur, wenn es die demografische Entwicklung, den wachsenden Anteil Älterer einbezieht.
Viele von uns Jüngeren haben hinsichtlich der Wachstumsprobleme der Moderne ähnliche Literatur rezipiert: Vor allem, aber nicht nur Die Grenzen des Wachstums.
Inzwischen sind wir weiter. Wir haben verstanden, schon längst, dass es die Grenzen gibt, aber wir beginnen auch zu verstehen, was passiert, wenn kein Wachstum ist. Wir brauchen Wachstum, damit die Lebensverhältnisse von Milliarden Bürgerinnen und Bürgern sich überhaupt nur erträglich gestalten lassen.
Nicht auf Wachstum müssen wir verzichten, sondern es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir Wachstum auf eine richtige Weise organisieren und dass wir in Deutschland, auch in Hamburg unseren Beitrag dazu leisten, gerade auch mit Blick auf Schwellen- und Entwicklungsländer.
Was wir tun müssen, ist: Techniken zu entwickeln, die so sind, dass andere sie gerne nachmachen wollen, so dass ihre Wachstumsmöglichkeiten gewahrt sind. Das kann gelingen, indem wir bestimmte Fortschritte hier organisieren, die wirtschaftlich überall auf der Welt umsetzbar sind und möglicherweise in Indien und Marokko Wachstumsperspektiven mit geringem Umweltverbrauch ermöglichen.
Ingenieurgetriebener Umweltschutz
Was also tun wir in Hamburg? Wir definieren uns bewusst und überzeugt als große Stadt, als eine der Metropolen Europas und beziehen uns auf die wieder entdeckte, beeindruckende Geschichte der Möglichkeiten des technischen Fortschritts und der sozialen Befreiung. Wie anderswo, fand auch in der Hamburger Stadtgeschichte um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine bahnbrechende Modernisierung statt, wurden hier 1881 die ersten Telefone in Betrieb genommen, wurde 1882 die erste elektrische Straßenbeleuchtung geschaltet, fuhr 1894 die erste elektrische Straßenbahn. Kurz darauf folgten verschiedene Stadtbahnsysteme, anfangs zum Teil mit Dampf- oder Pferdetraktion, alsbald auch elektrifiziert.
Ein Fernwärmenetz das erste Deutschlands wurde in diesen Jahren in Betrieb genommen. Ebenso die erste Müllverbrennungsanlage auf dem Kontinent; die allerdings erst, nachdem das finstere Mittelalter noch einmal zurückgeschlagen hatte. Denn während die Stadt Welthandel trieb, eine mächtige Industrie aus dem Boden stampfte, Künste und Wissenschaften blühen und elektrisches Licht leuchten ließ, kämpften gleichzeitig noch Zigtausende Hamburgerinnen und Hamburger in den Gängevierteln der Stadt mit der Cholera.
Dort war der technische Umweltschutz noch nicht angekommen, dort wurde unfiltriertes Elbwasser benutzt und niemanden interessierte die Frage, wie eine hygienische und durchdachte Entsorgung von Abfällen aussehen könnte. Oder wie ein sozialverträglicher Wohnungsbau für breite Bevölkerungsschichten zu ermöglichen sei. Doch am Ende haben die rasante technische Entwicklung und die Sozialreformen der Zeit ein Parallelogramm der Kräfte gebildet, das den Lebensstandard aller Bürgerinnen und Bürger in der Stadt nachhaltig erhöhte.
Jene Zeit hatte in Hamburg übrigens weniger als anderswo ihre Beschränktheiten und düsteren Kehrseiten, die vor allem auf politisch-ideologischer Rückständigkeit großer Teile der herrschenden Eliten beruhte. Aber die Technikbegeisterung, von der sie geprägt war, empfinde ich als genauso faszinierend wie ich heute beobachte, mit welchem Enthusiasmus man sich auf Ingenieurskunst stützen kann und ihren Beitrag für die Welt nicht unterschätzt. Ich habe seit einiger Zeit versucht, das für mich in die Formel vom ingenieurgetriebenen Umweltschutz zu fassen. Konkret in die Frage: Wie können wir mit geringem Verbrauch von CO2, mit besserem Schutz der Umwelt die Wachstumsaufgaben lösen, vor denen wir miteinander stehen?
Übrigens: Dass die Menschheit früher oder später vom Raubbau an ihren fossil gespeicherten Energievorräten wegkommen und zu einer direkteren Nutzung der Sonnenenergie übergehen müsse, wusste mehr als achtzig Jahre vor dem Club of Rome schon der damalige Reichspostminister Heinrich von Stephan .
Vom nachsorgenden Umweltschutz zum zukunftsfähigen Wachstum
Hamburgs Beitrag zur Verbesserung der Umweltsituation blieb jahrzehntelang bescheiden; die Quittung waren Skandale um die fahrlässig vergrabene Hinterlassenschaft der frühen Industriegeschichte, auf der dann die Besiedler neuer Wohngebiete Tomaten gezogen hatten. Aber es wurde Remedur geschaffen und sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts auch schon intensiv um Hamburgs Beitrag zur Verringerung der Klimagefahren bemüht.
Substitution fossiler Energieträger, Förderung des Einsatzes regenerativer Energien und der rationellen Energienutzung, Wärmedämmung, Ausbau der Fernwärme fanden statt. Es gab frühzeitig eine eigene Photovoltaik-Förderung mit einer kostenorientierten Einspeisevergütung, als Deutschland von einem EEG nur träumen konnte. Betriebe und private Haushalte erzielten messbare Erfolge beim Energiesparen. Das obendrauf auf die sehr erfolgreiche Nutzung von Ingenieurskunst bei der Runderneuerung der Stadtentwässerung, und andere End-of-the-Pipe-Technik. Aber auch: mehr Natur- und Landschaftsschutz, mehr öffentliches Grün, damit Urbanität atmen konnte.
Und das Wachstum? Dass Umweltschutz, gerade auch in seiner technischen Variante, unterstützt durch Anreiz- und Fördersysteme, die Entfaltung industrieller Produktivkräfte nicht behindern, sondern in vielen Fällen erst (wieder) ermöglichen musste, lässt sich zum Beispiel an Hamburgs großer Kupferhütte veranschaulichen, die erfolgreich saniert wurde, nachdem ihr sehr ernsthaft die Schließung wegen hoher Schadstoffemissionen gedroht hatte.
In den 1990er Jahren war die Kommunale Agenda 21 neu und ungewöhnlich. Sie postulierte nicht weniger als eine nachhaltige umweltverträgliche Entwicklung und den zukunftsfähigen Übergang in das 21.Jahrhundert, auch für Hamburg.
Hinzubekommen galt es den Paradigmenwechsel vom nachsorgenden Umweltschutz, der, so erfolgreich er war, allmählich an seine Grenzen stieß, hin zum zukunftsfähigen Wirtschaften, zum zukunftsfähigen Wachstum.
Katalysatoren als Zwilling: sozialer und technologischer Erfindungsreichtum
Zukunftsfähig es klang schon an, und der erste Bericht an den Club of Rome hat das Nachdenken darüber angeschoben sind wir, wenn wir den Naturkreisläufen nicht mehr entnehmen zum Beispiel an Wasser oder reiner Luft, als wir ihnen entweder unzerstört zurückgeben können oder die Natur selbst regenerieren kann. Und umgekehrt: wenn wir nicht mehr in die Natur eintragen, als sie aufnehmen und abbauen kann.
Es geht also darum, Kreisläufe zu schließen, und große Städte können und müssen dazu beitragen. Sie können es, weil sie faszinierende Laboratorien gesellschaftlichen Lebens sind. Sie müssen es, weil ihnen eine Schlüsselrolle zufällt. Im Jahr 2030 werden laut Studien der UNO mehr als 60, zwanzig Jahre später 70 Prozent der Bevölkerung weltweit in Städten leben, und viele von ihnen in Megacities mit mehr als fünf Millionen Einwohnern übrigens genau die Zahl der Einwohner der Metropolregion Hamburg, die sich und den Stadtstaat ausgebildet hat.
Schon heute heißt es verbrauchen die Städte, die gerade einmal knapp drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, gut 80 Prozent aller genutzten Ressourcen. Dem muss man zwar entgegenhalten, dass die Städte als Standorte von Industrie, Handel und Wandel auch das Land mitversorgen und dieselbe Statistik nach dem Verursacherprinzip anders aussieht.
So oder so, an der Spitze des gesellschaftlichen Meinungsklimas stehen immer häufiger jene, die die technologische Innovation als Mutmacher ins Herz der Gesellschaft tragen wollen. Natürlich müssen auch sie die Folgen des technologischen Wandels abschätzen, aber gerade aus dieser Haltung heraus können sie sowohl die Chancen erkennen als auch die Risiken minimieren.
Die Zuversicht dieser Fortschrittsperspektive gründet maßgeblich darin, dass sozialer und technologischer Erfindungsreichtum in der Moderne nicht antagonistisch gedacht werden, sondern sich wechselseitig als Katalysatoren dienen.
Hamburgs regionale Wertschöpfung
Hamburgs regionale Version der schon erwähnten Energiewende wird dann gelingen, wenn die Stadt und ihre Metropolregion deutschlandweit anstehende Aufgaben zu ihrer Sache macht und regionale Wertschöpfung daraus nun, schöpft. Wenn die Stromversorgung sicher ist, wenn zusätzliche Arbeitsplätze in der Branche der Regenerativen entstehen und nicht solche bei industriellen Großverbrauchern verloren gehen. Und die Bürgerinnen und Bürger mit gutem Gewissen ihren Balkon weihnachtlich illuminieren können, weil sie wissen, dass nicht andere deshalb im Dunklen sitzen.
Deshalb erneuern und modernisieren wir den Kraftwerkspark, streben den Bau eines Innovationskraftwerks mit Energiespeichern an. Deshalb wollen wir die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung zügig ausbauen und auf eine ökologischere Wärmeversorgung durch sauberere Brennstoffe hinarbeiten, mit mehr Wärme aus Biomasse und industrieller Abwärme. Deshalb bauen wir die Fernwärmeversorgung noch weiter aus und versorgen mehr Kunden.
Aber die Projekte mit übergeordneter, über Hamburg hinaus reichender Bedeutung sind solche, die die bessere Integration der Erneuerbaren Energien anschieben und somit auch CO2 einsparen. In erster Linie sind das Speicherprojekte wie Power to Gas und ähnliche; auch die Förderung der Elektromobilität spielt hier mit hinein. Hier dringen wir zu den Kernfragen vor: Wie können wir zum Beispiel Windstrom nicht nur einfangen, sondern auch für spätere Nutzung einsperren? Wie können wir diese erneuerbaren, nein: sich selbst ständig erneuernde Variante der Solarenergie so nutzen, dass wir ihre Volatilität ausbremsen? Denn die ebenso lästige wie naturgesetzliche Eigenschaft ist es ja, die ihr auf dem Weg zur grundlastfähigen Energiequelle im Weg steht.
Daran, aber natürlich auch am Ausbau der überregionalen Leitungsnetze hängt letztlich die Frage, ob der Umstieg auf eine regenerative Energiebasis in Deutschland sowohl rentabel und bezahlbar, als auch versorgungssicher ist und die industriellen Zentren im Süden aus dem Norden besonders offshore von der Nord- und Ostsee aus mit versorgt werden können. Statt dass sie gezwungen sind, die Energiewende durch Zukauf von Atomstrom aus Nachbarländern zu konterkarieren.
Was den Strommix in Deutschland betrifft, müssen wir in den kommenden Jahren sehr dicke Bretter bohren, oder konkreter: sehr starke Leitungen legen, sehr viele Speicherkapazitäten schaffen, sehr intelligente Netze knüpfen, um den bisher auf Deutschland begrenzten Atomausstieg auch wirklich zu realisieren und das heißt: ihn versorgungssicher, ökonomisch, sozial und klimaverträglich als Energiewende hinzubekommen.
Die Metropolregion Hamburg und ihre Umweltpartner
Hamburg, und der ganze Norden setzen vor allem auf die Windenergie. Da geht es um Hightech, es geht unmittelbar um die Kompetenz, moderne Technik in Deutschland im europäischen Rahmen zu entwickeln und anzuwenden.
Für die Stadt und die Region ist daher einerseits die Ansiedlung branchenrelevanter Industrie- und Dienstleistungsbetriebe von hoher Bedeutung; schon jetzt darf sich Hamburg als einen der herausragenden europäischen Standorte der Windenergiebranche bezeichnen. Hinzu kommt der Ausbau der Forschung.
185 Mitgliedsunternehmen mit 25.000 Mitarbeitern bilden in der Metropolregion Hamburg das Cluster Erneuerbare Energien. Die Entwicklung einer Cluster-Strategie erfolgt auf Grundlage der gleichnamigen Forschungsagenda von vier Hamburger Hochschulen und unter Beteiligung der Unternehmen.
Der Aufbau eines Energie Campus Bergedorf für Windenergieforschung und die Ansiedlung der Siemens Windpower Division in unserer Stadt sind jüngere Highlights und bekräftigen den Kurs. Die Förderung und den weiteren Ausbau der Elektromobilität hat sich Hamburg sehr groß auf die Fahnen geschrieben.
Andererseits vergessen wir nicht, das Feld der unverändert wichtigen Verbrauchsminderung und des Ressourcenschutzes weiter zu bearbeiten. Die Umwelt-Partnerschaft Hamburg hat freiwilliges Handeln institutionalisiert und bestellt ein weites Feld, auf dem über die gesetzlich erforderlichen Maßnahmen hinaus kooperiert wird und eine große Schnittmenge zwischen ökonomischen und ökologischen Zielen zum Vorschein gekommen ist.
Es geht darum, in der Wirtschaft Potenziale zu mobilisieren, die Unternehmen im freiwilligen Umweltschutz haben, und eine Plattform zum Dialog zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung anzubieten.
Mittlerweile gibt es rund tausend UmweltPartner-Unternehmen, und mehr als 4.000 offiziell umweltengagierte Betriebe. Die Förderung von Energieeffizienz-Investitionen mit dem Programm Unternehmen für Ressourcenschutz hat bisher ungefähr 300.000 Tonnen Kohlendioxidemissionen pro Jahr vermieden und fast 50 Millionen Euro Betriebskosten eingespart. Die erforderlichen Investitionen in Höhe von 365 Millionen wurden mit 35 Millionen Euro durch den Senat gefördert und haben zahlreiche Arbeitsplätze im Hamburger Installationshandwerk gesichert.
Zukunftsfähiges und inklusives Wachstum durch konkrete Projekte
Wenn, wie angedeutet, die Freie und Hansestadt Hamburg auch außerhalb des Querschnittsthemas Umwelt den Anspruch hat, zukunftsfähig zu sein und zu wachsen, und ein powerhouse für neue Konzepte zu sein, dann gilt das immer mit Blick auf diejenigen, die schon da sind, genauso wie auf die neu Hinzukommenden. In der Metropolregion Hamburg leben wie schon erwähnt fünf Millionen Einwohner, in ihrem Zentrum, der Handels- und Wirtschaftsmetropole selbst, sind es jetzt deutlich mehr als 1,7 Millionen, und es zeichnet sich ein weiteres Wachstum ab. Vielleicht werden es einmal zwei Millionen. Übrigens ist das Bevölkerungswachstum in den Städten ökologischer als die Zersiedlung der Landschaft.
Beide Möglichkeiten, für die wachsende Bevölkerung Wohnraum zu schaffen, mussten wir nach längerer Vernachlässigung revitalisieren: das Umnutzen von Flächen, beispielsweise von nicht mehr gebrauchten Gewerbearealen, und das Bauen von mehr Wohnungen. Beides ist per se nichts revolutionär Neues, aber sowohl das Projekt HafenCity als auch die Internationale Bauausstellung 2013 (IBA) in und auf Wilhelmsburg Europas größter bewohnter Flussinsel kamen uns gerade recht, um zu demonstrieren, dass es dabei um mehr geht als neue Steine aufeinander zu schichten.
Mit der Bebauung der HafenCity, eines lange Zeit ungenutzten Hafenrandgebietes, erweitern wir die Innenstadt und binden vergessene Quartiere wieder an, in denen früher pralles Arbeitsleben herrschte, allerdings nicht gewohnt wurde. Ehemalige Industriebrachen und Orte einstigen Güterumschlags werden dank neuer Technik für den Wohnungsbau genutzt, etwa durch neue Formen des Bauens am oder auf dem Wasser.
In ihren ersten zwölf Jahren ist die HafenCity zu einem der größten und ambitioniertesten Stadtentwicklungsprojekte weltweit geworden: 450 Unternehmen haben sich angesiedelt; 1.400 Wohneinheiten sind fertig, in denen 2.000 HafenCitizens leben, davon viele mit Kindern, von denen es hier im Durchschnitt schon mehr gibt als in Hamburg insgesamt. Der Bezirk entwickelt sich zu einem angesagten Ort für Kultur und Freizeit, Forschung und Wissenschaft.
Mit der IBA haben es jetzt die Elbinseln zum Modellfall für Stadtentwicklung gebracht. Mit ihrem Doppelmotto Wohnen heißt bleiben und Aufwerten ohne zu verdrängen hat sie die dauerhafte erlebbare Aufwertung der Elbinseln verfolgt, und die Bewohner einbezogen.
Am lebenden Beispiel Wilhelmsburg ist zu sehen, wie sich angeblich gar nicht angesagte Stadtteile doch attraktiv machen lassen. Und gleichzeitig: Wie man endlich die Reste mittelalterlichen Denken hinter sich lässt, nämlich dass diejenigen, die sich das Leben in der Stadt nicht leisten können, sich dann eben außerhalb ansiedeln müssten. Dass sie damit leben müssten, verdrängt heute: hinaus-gentrifiziert zu werden. Die IBA hat gegen die Segregation gewirkt.
Wieder an- und eingebunden wird auch ein mehr als hundert Jahre lang von der Bahn für ihre Lokschuppen und Drehscheiben genutztes Gelände: In der Neuen Mitte Altona wird ein Stadtteil nach bestem städtebaulichen Erkenntnistand mit 3.500 Wohnungen entstehen. Autos werden da auch fahren, aber keine dominierende Rolle spielen.
Auf diese Weise revitalisieren wir nicht nur die Elbinseln, nicht nur das ohnehin beliebte, als eigenständige dänische und preußische Stadt früherer Zeiten selbstbewusste Altona, sondern auch in Hamm, Horn, Jenfeld, Rothenburgsort und weiteren Stadtteilen werden vitale innerstädtische Quartiere neu entwickelt. Südlich und östlich der Elbe kennt bisher nicht jeder die Namen dieser Stadtteile, aber auch das hat seine Logik: Je mehr marginalisierte Stadtteile sich erfolgreich erneuern und buchstäblich verjüngen, desto weniger Verdrängung der jetzigen Bewohner wird es geben. Diskussionen um die so genannte Gentrifizierung, die natürlich auch in Hamburg geführt werden, muss dann niemand fürchten.
Bezahlbares Wohnen, gesellschaftliche Integration und Arbeitsplätze für junge Erwachsene
Das ist das eine. Daneben machen wir dort, wo hauptsächlich schon gewohnt wird, noch mehr und besseres, für Familien und Arbeitnehmer bezahlbares Wohnen möglich.
Das Wohnungsbauprogramm des Hamburger Senats ist das wohl größte seiner Art in Deutschland. Unser Ziel, jedes Jahr den Weg für mindestens 6.000 neue Wohnungen frei zu machen, haben wir 2012 und 2013 nach der Zahl der Genehmigungen weit übertroffen; die konkreten Baukräne sind mehr denn je wieder im Stadtbild präsent. Wir bauen für Familien, für Singles und für unterschiedliche Generationen, sozial verträglich, bezahlbar, in angemessener Qualität und umweltbewusst. Perspektivisch auch ein wenig höher als es die Tradition erlaubt sehr behutsam, um das Stadtbild zu erhalten, und doch entschlossen, um Hamburgs Charakter als grüne Stadt zu erhalten, was nur möglich ist, wenn Verdichtung anders funktioniert als dadurch, dass die noch verbliebenen innerstädtischen Freiflächen geopfert werden.
Städte sind Ankunftsorte. Sie wachsen nicht in erster Linie durch die Geburtenrate, sondern durch Zuzug. In Hamburg sind seit eh und je viele Bewohner oder ihre Vorfahren aus anderen Ländern und Kulturen gekommen.
Heute beträgt der Anteil der Bevölkerung mit Zuwanderungsgeschichte gut ein Viertel, das ist der höchste Anteil aller Bundesländer. In Wilhelmsburg, dem Ort der IBA, leben 55.000 Einwohner aus 100 Nationen. Die Internationalität der Städte ist ein zentrales Thema.
Hamburg begrüßt und fördert Zuwanderung und den Entschluss, den immer mehr Zugewanderte fassen: die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Der Senat unterstützt das durch eine sehr erfolgreiche Einbürgerungsinitiative.
Die nächste Voraussetzung für zukunftsfähiges urbanes Wachstum ist eine erstklassige Schul- und Ausbildungslandschaft. Unabhängig vom Elternhaus müssen alle Kinder und Jugendlichen eine ausreichende Bildung erwerben können. Das erfordert Krippen, Kitas, Grundschulen mit kleinen Klassen; ferner Gymnasien und Stadteilschulen, die beide zum Abitur führen können. Hamburg will überall eine Ganztagsbetreuung von der Kita bis zum Abitur anbieten.
Wilhelmsburg mag hier ein weiteres Mal als Beispiel dienen: Das Bildungszentrum Tor zur Welt ist ein Schlüsselprojekt der IBA, das Kitas, Schulen, Erwachsenenbildung und Beratungseinrichtungen vereint.
Hamburgs Jugendberufsagentur dient, mittlerweile flächendeckend in allen Bezirken, als zentrale Anlaufstelle für Jugendliche und junge Erwachsene, die einen Ausbildungsplatz suchen. Allen unter 25 soll und muss ein Ausbildungsplatz zur Verfügung stehen. Keine und keiner wird verloren gegeben. Die Jugendberufsagentur hat bundesweit Beispiel gebend gewirkt und ist im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung als deutschlandweites Ziel genannt.
Hamburg eine smarte City
Intelligente Stadtplanung braucht alles: eine Mischung von Wohnen und Arbeiten, vielfältige Kultur- und Freizeitangebote, Parks und Plätze. Von einer smart city, und von zukunftsfähigem Wachstum können wir sprechen, wenn es gelingt, die Stadt zugleich ästhetisch, ökologisch und sozial zu gestalten.
Dazu gehört das Optimieren von Infrastruktur und Verkehrskonzepten. Gerade auf dem Sektor gilt es modernste Technologien und Ingenieurskunst mit neuem Denken zu verknüpfen, das Mobilität nicht als Ideologie, wohl aber als unverzichtbare Voraussetzung urbanen Lebens und Arbeitens versteht.
Hamburg baut den schienengebundenen öffentlichen Transport aus und erweitert das Netz in diesem und dem nächsten Jahrzehnt um neue S-Bahn- und U-Bahn-Strecken. Verbessert werden gleichzeitig die Möglichkeiten des Busverkehrs. Das Hamburger Busnetz bauen wir mit immer mehr emissionsfreien Fahrzeugen ab 2020 werden nur noch solche Busse angeschafft zum modernsten des Kontinents aus.
Mit denen ergeben sich neue Perspektiven. Emissionsfreie, zum Beispiel mit Wasserstoff angetriebene Brennstoffzellenbusse, wie sie die Hamburger Hochbahn schon einsetzt, sind nicht nur leiser und bequemer, sie können auch andere Strecken befahren, durch Gebäude zum Beispiel. Sie können Unterführungen nutzen ohne aufwendige Abgasentsorgungsprobleme. Das ist eine Herausforderung für die Planungskultur, aber auch eines von vielen Beispielen für neue Antworten auf alte Fragen.
Der Ausbau Hamburgs zur E-Mobility-Stadt schreitet fort, wobei es uns schon lange nicht mehr um ein Schaufenster künftiger E-Mobilität zu tun ist. Vielmehr geht es darum, den technischen Durchbruch zu erreichen. Einsatzpotenziale für Elektrofahrzeuge in der Hamburger Wirtschaft ein aktueller Broschürentitel auszuloten, bemüht sich in enger Zusammenarbeit mit der Stadt die Handelskammer. Der Einsatz elektromobiler Lösungen bei Unternehmen, Lieferanten und Mietfahrzeugverleihern, auch der Ausbau von Ladestationen kommt voran; mit knapp 700 gewerblich eingesetzten E-Fahrzeugen ist die Stadt Vorreiterin (wenn auch nicht mehr zu Pferde).
Die vielfältigen Mobilitätsangebote der Stadt wollen auf ganz neue, betont kundenfreundliche Weise miteinander verbunden sein. Öffentliche Transportmittel, das eigene Rad oder Leihfahrräder, Carsharing und E-Mobilität lassen sich nahtlos und damit hocheffektiv also smart miteinander verknüpfen. Intermodalität ist die Zielvorstellung.
Elektromobilität, eine stärkere Nutzung des ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs und des Fahrrades sind auch wichtig um der Lärm- und Schadstoffbelastung Herr zu werden.
Und nicht nur nebenbei: Unkompliziert muss der Nahverkehr auch für die behinderten und mobil eingeschränkten Bürgerinnen und Bürger sein. Hamburg hat beschlossen, bis zum Beginn des nächsten Jahrzehnts alle U-Bahn- Stationen barrierefrei umzubauen. Auch das gehört zur Verkehrsbaukultur.
Zukunftsfähiges Wachstum für andere mitdenken
Wichtig ist und bleibt, dass wir uns klarmachen: Die Weltbevölkerung wächst von heute sieben Milliarden auf etwa neun, vielleicht 9 ½, wobei auch wichtig ist zu sagen: da wird es enden. Die meisten Bevölkerungswissenschaftler sind sich heute darüber einig, dass bei der genannten Größenordnung wegen des Wohlstandsgewinns, der weltweit stattgefunden haben wird, sich die Geburtenraten, die es in manchen Teilen der Welt heute gibt, sich dort nicht mehr auf dem heutigen Niveau fortsetzen werden.
Dabei will ich überhaupt nicht verhehlen, dass der Gedanke an neun Milliarden Erdbewohner mich durchaus besorgt macht, wenn auch nicht so sehr aus dem herkömmlichen Grund. Es wird hoffentlich beizeiten gelingen, genügend Nahrungsmittel und Trinkwasser für neun Milliarden bereitzustellen. Langfristig wird es auch medizinische Versorgung für alle geben. Und Bildung! Nicht von selbst, aber doch unaufhaltsam wird sie sich überall verbreiten, weil sie überall eingefordert wird; und auch dazu trägt die technische Entwicklung bei, weil es für Schulkinder auch in abgelegenen Dörfern in Marokko und Tansania eisgekühlte Getränke... und das Internet gibt.
Ein größeres Problem könnte die Aufgabe sein, ausreichend Arbeitsplätze entstehen zu lassen, denn der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung wird überproportional wachsen.
Deutschland kann zuversichtlich sein. Unser Land, und als ein bescheidener Teil desselben auch Hamburg, haben eine lange Innovationsgeschichte des Erfindergeistes, der Qualität und Kreativität. Das hat uns oft einen Wettbewerbsvorteil verschafft und sollte uns nun auch in die Lage versetzen, zukunftsfähiges Wachstum für andere mitzudenken und ohne die Bescheidenheit jemals zu vergessen anderen beispielhaft vorzumachen.
Der Gastbeitrag erschien außerdem auf der Internetseite des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung.