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08.09.2015

Grußwort: 150 Jahre berufliche Bildung in Hamburg

 

Sehr geehrte Frau Staatsministerin,
sehr geehrter Herr Professor Hüther,
sehr geehrte Frau Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Vertreter des Konsularischen Korps,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

was ist das große Erfolgsgeheimnis des deutschen Mittelstands? Es ist die duale Berufsausbildung. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich ein Journalist aus den USA. Er war durch Deutschland gereist, um herauszufinden, was die USA von Deutschland lernen kann. Das Fazit von Peter Ross Range lautet:
Was mich auf meiner Deutschlandtour am meisten beeindruckt hat ist das duale Bildungssystem. Er nennt es eine einzigartige, meist dreijährige Kombination aus einer Ausbildung im Betrieb und der Unterweisung in der Berufsschule.


In Hamburg begann diese Erfolgsgeschichte vor 150 Jahren, mit der Gründung der ersten staatlichen Gewerbeschule 1865. Sie sollte so ein Schreiben des Senats für die fortdauernde Blüthe und weitere Entwicklung der Gewerbe sorgen. Diese Entscheidung legte nicht nur den Grundstein für die wirtschaftliche Stärke Hamburgs, sie verbesserte auch ihre Zukunftsfähigkeit entscheidend.

Das ist ein Grund zu feiern mit diesem Empfang, mit Festwochen, einer Ausstellung im Rathaus, einer Fachtagung, zahlreichen Foren, Vorträgen und Veranstaltungen und einer großen Bandbreite von Themen.

Die Vorläufer des staatlichen Berufsschulwesens in Hamburg reichen allerdings viel weiter zurück, bis ins 18. Jahrhundert. Sie zeugen vom Bürgersinn der Hamburgerinnen und Hamburger, denn mit dem staatlichen Berufsschulwesen in Hamburg sind zwei Einrichtungen verwoben, die 2015 ebenfalls runde Geburtstage feiern und deren Vertreter und Vertreterinnen ich herzlich begrüße die Handelskammer Hamburg und die Patriotische Gesellschaft. Letztere hat die entscheidenden Impulse gesetzt, dass es vor 150 Jahren zur Gründung des staatlichen Berufsschulwesens kam.

Die Übertragung des Systems der Handwerksausbildung auf die Fabriken und Kontore ist wahrscheinlich eine der entscheidenden Grundlagen für den heutigen wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands.

Wenn heute darüber nachgedacht wird, dieses System der beruflichen Bildung, das wir in Deutschland haben, auf andere Länder zu übertragen, versteht man schnell, wie voraussetzungsreich das ist.

Es geht ja nicht nur um die Duale Ausbildung in Betrieben und Berufsschulen, sondern eben auch um die Bereitschaft unzähliger Unternehmer und Unternehmen sich nicht zuletzt auch finanziell für die Ausbildung der künftigen eigenen Fachkräfte verantwortlich zu fühlen.

Viele Reformerinnen und Reformer trugen mit ihrem Engagement und ihrer Weitsicht zum Erfolg der beruflichen Bildung in Hamburg bei. Ihre Ziele ähnelten denen von heute: Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen, Chancen eröffnen und eine umfassende nicht nur berufliche sondern auch staatsbürgerliche Bildung ermöglichen.


Allen, die mehr über die Geschichte der beruflichen Bildung, ihre Vorkämpferinnen und Vorkämpfer und über heutige Entwicklungsthemen erfahren möchten empfehle ich die Ausstellung in der Rathausdiele und die Festschrift zum Jubiläum.

Und um den Bogen in die Gegenwart zu schlagen: Mit Gründung des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung, kurz HIBB, hat der Senat 2007 wichtige Voraussetzungen dafür geschaffen, diese Zusammenarbeit weiter zu stärken. Das HIBB gilt bundesweit zu Recht als erfolgreiches Modell und Garant für ein leistungsstarkes Berufsschulwesen mit einer enormen Gestaltungskraft.


Damals wie heute geht es darum, dass junge Frauen und Männer auf Basis einer soliden Berufsausbildung ein eigenverantwortliches Leben führen können. Aber Berufe und ihre Anforderungen ändern sich und das gilt auch für die Erwartungen und Voraussetzungen der jungen Leute. Viele wollen lieber studieren, andere tun sich schwer, mit dem Übergang von der Schule in den Beruf. Und wieder andere kommen von weit her, und müssen mit unserem dualen System erst vertraut gemacht werden.

Deshalb hat der Hamburger Senat in den vergangen vier Jahren zusammen mit der Wirtschaft und den Sozialpartnern Reformen in der beruflichen Bildung umgesetzt, die bundesweit beachtet werden.

  • Mit der Jugendberufsagentur Hamburg haben wir eine Einrichtung geschaffen, die jungen Hamburgerinnen und Hamburgern unter einem Dach Unterstützung und Beratung rund um Ausbildung, Studium oder Beruf bietet. Sie hilft ihnen auch dann weiter, wenn persönliche Probleme den Zugang in eine Ausbildung erschweren.
  • In der Ausbildungsvorbereitung der beruflichen Schulen haben wir schulische Maßnahmen mit Praktika in Ausbildungsbetrieben kombiniert, so dass Jugendliche und junge Erwachsene direkt in die praktische, berufliche Tätigkeit und in die Betriebe hineingeführt werden.
  • Benachteiligten Jugendlichen ermöglichen wir mit dem Hamburger Ausbildungsmodell, das erste Ausbildungsjahr in einer Berufsfachschule zu absolvieren, um danach möglichst unter Anrechnung der erbrachten Leistungen in die Betriebe zu wechseln.


Dank der Jugendberufsagentur stieg die Quote der Schulabgänger, die unmittelbar nach den Sommerferien eine Ausbildung begannen, von 25 Prozent 2012 auf knapp 38 Prozent 2014. Und dank dieser soeben beschriebenen Ausbildungsvorbereitung, kurz AV-Dual mit Praktikum steigt die Zahl derjenigen, die ein Jahr nach dem Schulabschluss in eine Ausbildung übergehen auf insgesamt nahezu 70 %.

Wir sind auf dem richtigen Weg.

All das macht Mut und ist Ansporn, weitere wichtige Themen anzupacken, allen voran die seit zwei Jahren wachsende Zahl jugendlicher Migrantinnen und Migranten. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Zustrom neu zugewanderter Jugendlicher mehr als verdoppelt.


Es ist mir ein Herzensanliegen, ihnen so rasch wie möglich eine solide Berufsausbildung und die Integration in Arbeit und Gesellschaft zu bieten. Denn diese jungen Leute wollen lernen, etwas leisten und dem Land etwas zurückgeben, das sie aufgenommen hat. Sie sind übrigens auch eine Chance für unsere Wirtschaft, die dringend Nachwuchskräfte und Auszubildende sucht.

Hier liegt eine enorme gemeinsame Aufgabe der staatlichen berufsbildenden Schulen und beteiligten Träger, der Zivilgesellschaft, vor allem aber der Wirtschaft, denn Integration funktioniert in Deutschland in erste Linie über den Beruf.

Deshalb haben wir in Hamburg die Bildungsangebote an die neue Situation angepasst. Das gilt auch für die berufsbildenden Schulen, an denen seit Beginn des Schuljahres 1.650 jugendliche Einwanderer auf eine Ausbildung vorbereitet werden.
Seit dem letzten Schuljahr erproben vier berufsbildende Schulen zudem ein neues Ganztagsangebot: Die dualisierte Ausbildungsvorbereitung mit integrierter betrieblicher Sprachförderung und Begleitung für jugendliche Migrantinnen und Migranten, kurz Av-M.

Das Besondere dabei ist, dass die Jugendlichen in diesem Schuljahr sind 360 in diesem Programm in der berufsbildenden Schule und im Betrieb lernen und arbeiten. Sie sammeln Erfahrungen mit dem dualen Ausbildungssystem, zeigen, was sie können, und entwickeln erste berufliche Zukunftsperspektiven. Dabei lernen sie die Sprache zum einen im betrieblichen Kontext und verbinden dies mit dem Deutsch als Zweitsprache-Unterricht in der berufsbildenden Schule. Das beschleunigt den Spracherwerb erheblich.

Integration in den Arbeitsmarkt kann nur gelingen, wenn die Hamburger Wirtschaft in ausreichender Zahl Ausbildungsplätze für junge Migrantinnen und Migranten zur Verfügung stellt. Die jungen Talente sind eine Chance und Bereicherung für Unternehmen. Bis zu 40 000 Ausbildungsplätze in Deutschland können dieses Jahr nicht besetzt werden. Bildung und Ausbildung von Migranten ist deshalb auch eine Investition in die Zukunft!

Ich vertraue auf die Integrationskraft unserer Stadt, auf die Betriebe und auf die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich in Initiativen, Kirchengemeinden oder einzeln für Migrantinnen und Migranten einsetzen.

Meine Damen und Herren,
Heute schaut man aus der ganzen Welt nach Deutschland und auf sein erfolgreiches Modell der dualen Ausbildung. Auch unsere europäischen Nachbarn, wie etwa Frankreich sind interessiert.  

Als Bevollmächtigter für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit setzte ich mich dafür ein, dass auch in der Berufsausbildung grenzüberschreitende Mobilität zum Standard werden muss. Die Gegenwart zeigt, wie wichtig interkulturelle Kompetenzen, Fremdsprachenkenntnisse und Toleranz in einem vereinten Europa sind. Deshalb freue ich mich, in meinem Mandat insbesondere die Ausbildungs-Mobilität mit Frankreich zu fördern und damit jungen Frauen und Männern Chancen zu eröffnen, in einem der beiden größten Arbeitsmärkte Europas Fuß zu fassen.


Keine und keiner soll verloren gehen. Das muss in ganz Europa gelten. In Hamburg tragen daran leistungsstarke berufsbildende Schulen einen wesentlichen Anteil. Für diese wichtige Arbeit danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Lehrerinnen und Lehrern des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung und seinen 39 staatlichen Schulen und wünsche ihnen weiterhin viel Erfolg.

Vielen Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.