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11.06.2015

Grußwort: 66. Deutscher Anwaltstag

 

Sehr geehrter Herr Professor Ewer,
sehr geehrter Herr Minister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

auf der internationalen Raumstation ISS arbeiten derzeit sechs Astronauten, die Astronautin ist vor wenigen Tagen in den Feierabend nach Italien geflogen, das Team besteht aus hochqualifizierten Leuten, mit naturwissenschaftlich-technischem Expertenwissen, dessen Ausmaße wir nur erahnen können. Außerdem können sie etwas, was für viele von Ihnen als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Alltag ist: Zur Ausbildung von Astronautinnen und Astronauten gehört auch, Konflikte lösen zu können.


Ob auf der Erde oder in 400 Kilometer Höhe darüber, Unternehmen gelingen nur, wenn die Beteiligen in der Lage sind, sich nicht im Streit zu verzetteln. Handlungen müssen koordiniert werden, über Ziele und Abläufe muss man sich einigen und der Zwang zur Einigung ist notwendigerweise damit verbunden, dass unterschiedliche Auffassungen miteinander ringen. Manchmal reichen gute Argumente und die Sache kann geklärt werden. Aber immer wieder gibt es Streit, der zu großen Konflikten führt.

Man kann sagen, das liegt in der Natur der Menschen. Schon Kant schrieb, über den Weltbürger sinnierend, von der ungeselligen Geselligkeit, die den Menschen dazu führe, die Gemeinschaft mit anderen zu suchen, sich aber dann gleich zu streiten, weil andere den Hang haben, nicht das zu machen, was man selber will. Er sieht die ungesellige Geselligkeit als Triebfeder des Fortschritts. Der Begriff ist zentral für seine Konzeption des Staats- und des Völkerrechts.


Dass gestritten wird, die Streitkultur, gehört zu den anthropologischen Konstanten. Wettbewerb um Geld und Anerkennung, Rivalitäten, ja selbst Uneinigkeiten in der Partnerschaft Konflikte haben die Geschichte, die Politik und die Gesellschaft bestimmt. Das war schon immer so.

Allerdings haben sich die Themen, die Ursachen und die Lösungsstrategien und damit die Art der Streitkultur enorm geändert. Das sehen wir gerade in einer so großen Stadt wie Hamburg: Die Komplexität gesellschaftlicher Prozesse, eine internationalisierte Wirtschaft und die zunehmende Bedeutung digitalisierter Kommunikation stellen neue Anforderungen an Streitschlichtung.

Es beginnt schon im Nahbereich von Lebenswelt und Beruf: Die Frage, wer Recht hat, entscheidet sich im Alltag nicht mehr nach Status, Geschlecht, Herkunft oder Alter der Streitenden. Einigungen sind schwer, das wissen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus dem Familienrecht besonders gut. Auch vor Gericht sind Tradition, Autorität und Hierarchie keine Trümpfe mehr.

Eine Metropole wie Hamburg ist ein Ort der Verschiedenheiten, die immer wieder durch Dialog und Konsens integriert werden müssen. Deshalb ist Hamburg auch ein sehr guter Standort für die außergerichtliche Konfliktlösung. Mehr und mehr suchen Familien, Berufskollegen und auch Teams nach Vermittlung und Streitschlichtung durch Mediation. So wird der Rechtsfrieden außergerichtlich ohne die Autorität einer Richterin oder eines Richters aufrechterhalten, der Demokratisierung der Gesellschaft folgt gewissermaßen die Demokratisierung der Streitkultur.

Meine Damen und Herren,
als Metropolregion, die auch Standort großer Wirtschafts- und Industriezweige ist, zeigt sich hier in Hamburg auch sehr deutlich der Trend zur Spezialisierung der juristischen Profession: Auf die Ausdifferenzierung der Prozesse in der Arbeitswelt und die zunehmende Bedeutung von Technik und Wissenschaft folgt die Spezifizierung des Rechts und der Rechtsdurchsetzung: 28 Sparten von Fachanwälten gibt es inzwischen, die entsprechende Ausgliederung der Rechtswege ist mehr und mehr zu sehen.

So ist Hamburg nicht nur eine international bedeutende Hafenstadt, sondern auch seit 1981 der Sitz des Internationalen Seegerichtshofs, die Entscheidung für Hamburg ist eine Anerkennung der maritimen Tradition.

Hamburg ist das Tor zur Welt für die Streitkultur bedeutet das auch: Die Konflikte von heute sind räumlich entgrenzter. Wo Waren und Dienstleistungen Grenzen überschreiten, sind ebenso Vertragstreue und Vertragserfüllung internationale Fragen.

Rechtsfragen und Streitschlichtungen im Handelsplatz Hamburg haben fast immer eine internationale Dimension. Schon die Frage, in welcher Sprache verhandelt wird, kann prozessentscheidend sein. Neue Regelwerke werden entwickelt, eine kleine Formulierung kann große Entwicklungen ermöglichen oder behindern. Es sind Anwältinnen und Anwälte aus Hamburg, die sich da hervorragend auskennen.


Der Hamburger Senat begrüßt die Verhandlungen zum Europäischen Patentgerichtsübereinkommen (EPGÜ). Das EU-Patent hilft Unternehmen, die in Technologie und Forschung investieren. Frankreich hat das EPGÜ bereits ratifiziert, bei uns ist das Ratifizierungsgesetz im Entwurfsstadium.

Für Hamburg ist das Übereinkommen mit einer Stärkung als internationaler Rechtsstandort verbunden. Denn Hamburg ist Ort einer der vier Lokalkammern, vor denen die Streitfälle in Deutschland verhandelt werden. Bereits jetzt ist Hamburg das zuständige Patentgericht auch für Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern.

Der Beruf von Anwältinnen und Anwälten wird immer komplexer, und gute Juristinnen und Juristen müssen auch gut ausgebildet werden. Der Grundlagenforschung, dem Wissenschaftstransfer und einer international ausgerichteten Ausbildung widmen sich Hochschulen und Forschungsinstitute aus Hamburg wie das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, die Bucerius Law School und die Universität Hamburg.

Der Senat fördert und unterstützt die Bedeutung des Rechtsstandorts Hamburg. So haben wir uns auf Bundesebene dafür eingesetzt, Kammern für internationale Handelssachen bei Landgerichten ansiedeln und den Prozess in Englisch führen zu können. Was in Unternehmen und Kanzleien schon selbstverständlich ist, sollte auch vor Gericht möglich sein. Das steigert die Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort.

Meine Damen und Herren,
anders als in Flächenländern sind die Rechtswege im Bundesland Hamburg buchstäblich kurz. Die Stadt bietet die komplette Kette der Instanzen in allen Gerichtsarten, 9000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit spezialisierten und hoch angesehenen Kanzleien stehen für Unterstützung und Beratung zur Verfügung.

Die Komplexität von Prozessen zeigt sich häufig auch in Aktenmetern und überlangen Prozesstagen. Kleine wie große Unternehmen warten ungern auf Entscheidungen. Auch der hohe Grad der notwendigen Spezialkenntnisse und die Tatsache, dass kaum abzusehen ist, wie lange Prozesse dauern, steigert die Attraktivität von außergerichtlichen Schlichtungsverfahren.

Hamburg ist als exzellenter Standort der Schiedsgerichtsbarkeit bekannt. Die kaufmännische Art des Streitschlichtungsverfahrens hat eine lange Tradition. Schon im 18. Jahrhundert trugen Hamburger Unternehmen fachkundlichen Kaufleuten ihre Konflikte vor und ließen die entscheiden.


Mehrere Hundert Schiedsgerichtsverfahren pro Jahr werden in Hamburg verhandelt. Mit dem Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg, der GMAA (German Maritime Arbitration Association), die sich auf die maritime Wirtschaft spezialisiert hat, dem Chinese European Arbitration Centre für Rechtsfragen in Bezug zu China und vielen weiteren branchenspezifischen Schiedsgerichten hat sich Hamburg einen erstklassigen Ruf erarbeitet. Ein speziell für Schiedsgerichtsbarkeit zuständiger Senat des Oberlandesgerichts überprüft die Entscheidungen und kann sie für vollstreckbar erklären.


Übrigens: Auch für das internationale Sportrecht ist Hamburg eine hervorragende Adresse: Anlässlich unserer Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 gilt dieser Rechtszweig schon heute als Geheimfavorit für den Rechtstandort Hamburg.

Meine Damen und Herren,
Ich freue mich, dass Sie Hamburg als Tagungsort für die Frage nach der modernen Streitkultur ausgewählt haben. Ich wünsche Ihnen erfolgreiche Tage und die richtige Portion der Geselligkeit.

Vielen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort.