Sehr geehrter Präses Weiß,
sehr geehrter Herr Senator Boden,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
sind Sie mit dem Auto gekommen? Dann wissen Sie ja, das H im Kennzeichen von Hamburg und Lübeck erinnert an ein Stück gemeinsamer Identität zwischen Hamburg und Lübeck, wir sind Hansestädte.
Die Hanse, ein loser Zusammenschluss verschiedener Städte, die projektorientiert gemeinsame Interessen durchsetzten, bildete über Jahrhunderte hinweg die politische und wirtschaftliche Macht in Nordeuropa. Beeindruckend schon allein die gerade auch für damalige Verhältnisse riesige Ausdehnung: Städte wie Tallin, Riga, Kaunas, Weliki Nowgorod aber auch London, Bergen und Brügge gehörten zur Hanse. Rund 180 wurden gezählt, hunderte von Jahren hielten die Verbindungen.
Mitten darin eine Stadt, deren Bürger für ihr Selbstbewusstsein und ihr solides wirtschaftliches Verständnis bekannt waren: die Hansestadt Lübeck.
Lübeck galt als Hauptstadt der Hanse, als Ort, an dem die Entscheidungen getroffen wurden. Hier fanden die meisten Hansetage statt, von 72 Mitgliedsversammlungen der Städte zwischen 1356 und 1480 waren 54 in Lübeck und nur drei in Hamburg (sie verstehen, das sage ich mit einem gewissen Bedauern). Lübeck galt unangefochten als caput et principium omnium (Haupt und Ursprung aller) und wurde als Mittelpunkt der Hanse im 14. und 15. Jahrhundert mehrfach bestätigt.
Vermutlich schon zu den aktiven Zeiten der Hanse, aber mehr noch in den letzten Jahren fragen sich Wissenschaft und Politik, wie das Ganze funktioniert hat und vor allem: Warum war sie so mächtig? Was macht den Hanse-Faktor aus?
Lübeck hat sich diese Frage jetzt noch einmal neu gestellt und vor allem, Sie haben es gründlich gemacht: Sie haben die Antwort gleich mit einer archäologischen Stätte, einem Baudenkmal und einem Neubau für eine bemerkenswerte Ausstellung präsentiert: Vor wenigen Tagen ist hier in Lübeck das Hansemuseum eröffnet worden, und es ist, wie es sich für die Hanse gehört, ein Europäisches Hansemuseum.
Berlinerinnen und Hamburger zieht es in das Hansemuseum, Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Politikerinnen und Politiker wollen wissen, wie funktionierte der H-Faktor, das System, der Geist, der die Hanse so attraktiv und so erfolgreich machte.
Es ist kein Geheimwissen, die Fakten sind gut zu beschreiben und sie klingen nicht zufällig wie Lehrsätze der Volkswirtschaft, Empfehlungen aus Mitarbeiterbesprechungen international agierender Unternehmen und auch wie Prinzipien erfolgreicher Politik:
Der volkswirtschaftliche Blick sagt:
- Die Hanse war erfolgreich, weil sie grundsätzlich über Grenzen hinaus dachte. Und Grenzen gab es viele, auch wenn der Nationalstaat im heutigen Sinne nur wenig erkennbar war.
- Sie ging einher mit einer Kultur- und Lebensgemeinschaft, getragen von gemeinsamen, durchaus ökonomisch orientierten Werten.
Im Sinne international agierender Unternehmen könnte man betonen:
- Ein auf Vertrauen, Reputation und Gegenseitigkeit basierendes Netzwerk, das nach Vergrößerung strebt
- organisiert und getragen von sehr mobilen Kaufleuten
- das auch junge Leute in die Lehre und in andere Länder entsandte.
Und in der politischen Perspektive ist wichtig:
- Zentrales Element war der Interessensausgleich, die Hansetage bedeuteten oft langwierige Verhandlungen. Aber das galt dann und trug die Gemeinschaft.
Und alle, die wissen wie wichtig Infrastruktur ist, werden betonen:
- Die Verbindung von Land- und Seeverkehr war das Neue, das hat die wirtschaftlichen Metropolen geschaffen.
- Und mit dem Hafenausbau haben die Städte es möglich gemacht, dass bei ihnen die dicken Koggen anlanden konnten.
Das ist der H-Faktor, es kommen sicher noch mehr dazu und sie erinnern alle an unsere aktuelle Wirtschafts- und Wertegemeinschaft, die Europäische Union.
Man kann als Europäer die Hanse nicht genug loben. Die Hanse war die erste europäische Gemeinschaft der Verschiedenen. Ein säkulares Netzwerk aus Städten, die - sowohl von Kaufleuten als auch von der politischen Elite getragen - den Bürgern (und auch ein wenig den Bürgerinnen) der beteiligten Regionen Wohlstand und Freiheiten brachten. Beides war damals nicht selbstverständlich.
Die Hanse ist heute Geschichte.
Die neuen Territorialherrschaften und Nationalbewegungen waren zu mächtig geworden.
Die Europäische Union ist unsere Gegenwart. Und wir müssen um sie kämpfen. Weder ein Grexit noch ein Brexit sind in unserem Interesse. Und mit der Blick auf die besondere Rolle Lübecks und Hamburgs in der Hanse: Deutschland muss die Aufgabe akzeptieren, stetig und jederzeit für den Zusammenhalt der EU verantwortlich zu sein.
Übrigens ist die Freizügigkeit einer der wichtigsten Momente der Union. Wir sollten auch diese gegen Anfeindungen verteidigen.
Und weil Lübeck im Zentrum dieser ersten europäischen Union stand, ist hier auch ein guter Platz um zu fragen: Was bedeutet der gerade hier in Lübeck so erfolgreich entwickelte H-Faktor für die Region heute und vor allem für die europäische Entwicklung?
Wollen Sie eine kurze Antwort? Sie klingt wie ein Dreisatz: Metropolregion, Ostseekooperation und Freihandel. Aber ich glaube, ich habe noch Zeit für eine längere Erklärung:
Meine Damen und Herren,
die wichtigen Schritte hat Lübeck ja schon lange getan. Vor ziemlich genau 11 Jahren, am 10. Juni 2003, haben Lübeck und Hamburg eine umfassende Kooperation in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr, Kultur und Bildung vereinbart, das hat sehr gut geklappt und den Beitritt Lübecks in die Metropolregion im Jahr 2012 vorbereitet. Der Schritt Lübecks in die Metropolregion war nicht nur eine regionale, sondern auch eine qualitative Erweiterung: Mit Lübeck hat die Metropolregion einen soliden Anschluss an den Ostseeraum, eine der stärksten Wachstumsregionen in Europa. Es ist sehr gut, dass Lübeck dabei ist.
Die wirtschaftliche, technologische und soziale Entwicklung der Metropolregion verläuft gut. Trotz der Grenzen, die Verwaltung und Politik sehr genau kennen, ist die Region auf vielen Ebenen zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum und Arbeitsraum verschmolzen.
Für Familien und Kaufleute, Pendler und Touristen ist es im Alltag oft egal, in welchem Bundesland sie gerade sind. Sie interessieren sich eher für die Verbindungen, für weniger Hindernisse auf dem Weg, ja für eine gewisse Einheitlichkeit, wie wir sie etwa auch in der Behördennummer gefunden haben.
Über die Metropolregion hinaus sind die norddeutschen Länder mit über 100 Verwaltungskooperationen verknüpft, über 50 davon laufen auf verschiedenen Ebenen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein. Viele der Kooperationen funktionieren einfach, weil sie sinnvoll sind, sie sind ohne formale Abkommen und ohne Betreuung von oben sehr stabil. Das läuft bei uns aus guten Gründen und mit Vertrauen in die Fachkenntnis der anderen.
Fünf Millionen Menschen leben in der Metropolregion, das entspricht einem Prozent der Einwohner der EU. Das ist ein gutes Potential, aber wir müssen noch zulegen.
Wir als Hanseaten wissen, wie ein Wirtschaftsraum aufgebaut und wie trotz vieler Unterschiede und vielleicht sogar gegensätzlicher Interessen gemeinsame Anliegen verfolgt werden können. Kooperation ist das Bindeglied von Gesellschaften und zur Kooperation gehört in erster Linie der Austausch von Erfahrungen, Dienstleistungen und Waren.
Deshalb sind die hanseatischen Achsen nach Norden und Osten so wichtig. Sie laufen über das Meer und demnächst auch darunter hindurch:
Anders als zur Blütezeit der Hanse kann der Verkehr heute nicht nur über Wasserstraßen, sondern neuerdings auch über Unterwasserstraßen laufen, wie beim geplanten Tunnel zur Querung des Fehmarnbelts. Das zwischen Dänemark und Deutschland einvernehmlich geplante Projekt wird sowohl ökonomisch als auch ökologisch verträglich realisiert. Die dänische Seite, die federführend ist, hat Ende April das Baugesetz dazu verabschiedet.
Deutschland hat im Staatsvertrag mit Dänemark zugesagt, die entsprechenden Straßen- und Eisenbahnanbindungen zu schaffen. Sie wissen ja, die Anbindung der meergebundenen Transitstrecken an die Landstrecken gehörte zu den Prioritäten der Hanse, und das gilt auch für die Metropolregion.
Und keine Sorge, es wird nicht so wie bei dem Projekt der Eisenbahnverbindung zwischen Hamburg und Lübeck. Die Strecke, die heute ja noch immer sehr wichtig ist, wurde im August 1865 eröffnet, quasi 30 Jahre später als geplant und gewünscht, die dänische Regierung, die damals das Herzogtum Holstein regierte, hatte lange ihre Zustimmung verweigert. Diesmal sind die Dänen die Antreiber des Projekts.
Hamburg und Lübeck sind sich einig, dass der Bau der festen Fehmarnbeltquerung richtig und notwendig ist. Auch für die Europäische Union hat das deutsch-dänische Projekt hohe Priorität, es wird mit erheblichen Fördermitteln für Planung und Bau gerechnet.
Schnellere Verbindungen zwischen befreundeten Staaten haben überall und schon immer dazu geführt, dass Regionen sich näher kommen. Deshalb ist der geplante Tunnel nicht nur ein gutes Projekt für die Wirtschaft, auch der gegenseitige Besuch, der Kulturaustausch und die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen werden damit einfacher. Deshalb können wir so sicher sagen: Mit der Landverbindung über den Öresund nach Dänemark und Schweden wird die Metropolregion Hamburg an die Metropolregion Kopenhagen-Malmö angeschlossen. Zusammen kommen die Regionen auf 8,8 Millionen Einwohner, das ist schon ein ordentliches Gewicht.
Wir haben diese Kooperation kürzlich auch schon mal im internationalen Rahmen getestet: Ende 2014 sind Hamburg und Kopenhagen in China gemeinsam aufgetreten und haben die ganze Region, natürlich auch Lübeck, den zukünftigen Gästen aus Asien als attraktives Reiseziel vorgestellt.
Die Metropolregion weltweit bekannt zu machen, das ist unser zweites großes Anliegen, wir wissen, dass auch das ein gemeinsames Hamburg-Lübecker Anliegen ist. Das haben Sie ja schon gezeigt:
Die Bewerbung Lübecks für die Olympischen Spiele mit der Plakataktion in Hamburg war sehr gelungen, ein toller Eyecatcher, der viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Ich vermute, da ist viel Engagement und Know-how der Kaufmannschaft und der IHK-Lübeck eingeflossen. Sie wissen genau wie wichtig es ist, dass unsere Region internationale Anerkennung bekommt. Die Lübecker und Lübeckerinnen haben gesagt, Olympische Spiele in der Metropolregion erhöhen die internationale Sichtbarkeit der Städte. Sie haben gesagt, der Blick der Welt auf die Olympischen Spiele in der Metropolregion erhöht die Bedeutung Norddeutschlands.
Hamburg ist Bewerberstadt für die Olympischen und Paralympischen Spiele, wir fordern alle auf, jede Gelegenheit zu nutzen, um klar zu machen, dass wir es ernst meinen. Wir sprechen mit den Amerikanern, den Chinesen unseren Freundinnen und Freunden in den Partnerstädten und werden nicht müde, unser Konzept zu präsentieren. Ein Konzept, das ja auch immer noch in der Entwicklung ist und täglich Neuigkeiten bietet. Und immer ist klar: Es sind die Spiele der Metropolregion. Deshalb ist Lübeck so oder so dabei und wir brauchen weiterhin Ihr Engagement: Heute für die gemeinsame Bewerbung und morgen als Fans der Teams in den Stadien.
Meine Damen und Herren,
das große Interesse und die sehr positiven Rückmeldungen der Wirtschaft zur Metropolregion Hamburg sind sehr erfreulich. Im nächsten Schritt geht es jetzt um die Einbindung des Engagements der Wirtschaft in die formalen Strukturen. Mit der Gründung des Vereins Initiative pro Metropolregion Hamburg, unter der Federführung der Hamburger Handelskammer, hat die Wirtschaft ihr Interesse an einer aktiven Beteiligung am Auf- und Ausbau der Metropolregion deutlich gemacht. Die Wirtschaft soll dabei sein, das ist auch unser Wunsch. Staatliche und nichtstaatliche Akteure in einem schlüssigen institutionellen Gefüge zu organisieren, ein Gefüge, in dem sich die verschiedenen Interessen und die jeweiligen Stärken im gemeinsamen Ziel vereinigen, ist nicht einfach. Aber wir werden einen Weg finden.
Meine Damen und Herren,
mehr, größer weiter die Anforderungen an Handel, Handwerk und Unternehmen sind recht häufig auch sehr sportlich. Das klappt natürlich nur, wenn die Sachen auch besser werden. Wirtschaft braucht Wissen.
Norddeutschland hat eine weltweit einmalige Dichte von Forschungsinfrastruktur. Die Wissenschaft arbeitet zunehmend internationaler und es ist gut, dass sich auch die Wirtschaft und die Branchenverbände mehr und mehr für die Kooperation mit der Wissenschaft interessieren. Auch das müssen wir für die Vertiefung der Vernetzung in der Metropolregion und über sie hinaus nutzen:
So haben sich beispielsweise im Maritimen Cluster Norddeutschland führende Unternehmen und Branchenverbände mit Hochschulen zusammengeschlossen. Das Maritime Cluster Norddeutschland (MCN) ist ein Beispiel für eine erfolgreich koordinierte und themenorientierte Wirtschaftsförderung. Dem LifeScience-Nord Cluster folgend bündeln die fünf Küstenländer ihre Ressourcen, um die maritime Wirtschaft zu stärken. Derzeit hat das MCN ca. 230 Mitglieder, davon ca. 130 in Schleswig-Holstein, 60 in Hamburg und 40 in Niedersachsen.
Viele Ostseekooperationen ranken sich um Themen wie Hafen, Verkehr und Logistik. Die Häfen stehen nicht nur symbolisch für die Offenheit gegenüber dem anderen. Das wirtschaftliche Interesse der Partner aus anderen Ländern ist häufig vor allem auf Häfen bezogen. Das heißt, die Offenheit hat sehr häufig eine Basis im wirtschaftlichen Interesse. Wirtschaft und Handel sind ein wichtiges Integrationsmoment.
Meine Damen und Herren,
die politische Öffnung in Mittel- und Osteuropa war die entscheidende Voraussetzung für den Austausch von Wissen, Waren und Dienstleistungen im Ostseeraum. Wenn man die Verkehrswege insgesamt auf einer Karte betrachtet, sieht man deutlich, dass der Handel mit den Ostseeanrainerstaaten die Metropolregion Hamburg in die Mitte Europas gerückt hat.
Der Hamburger Hafen ist dadurch heute der größte Ostseehafen im Containerverkehr. Die Ostseeregion ist mit Russland, Finnland, Polen, Schweden, den Baltischen Staaten und Dänemark für Hamburger Hafen von enormer Bedeutung. Die Containertransporte mit der Ostseeregion sind die Hautwachstumsträger bei den Europaverkehren.
Im Jahr 2013 wurden 2,3 Millionen Standardcontainer im Feeder- und Shortseaverkehr zwischen Hamburg und Häfen an der Ostsee verschifft. Das ist ein Plus von 10,1 Prozent. Russland ist dabei ein sehr wichtiger Faktor, auch wenn der schwache Rubel und die Beschränkungen durch Handelssanktionen die Ergebnisse von 2014 gedämpft haben. St. Petersburg, unsere Partnerstadt, spielt hier eine besondere Rolle. Knapp 95 Prozent des über Hamburg laufenden Russlandsverkehrs wird über St. Petersburg abgewickelt. Aber auch die Häfen in Estland, Lettland, Polen, Deutschland, Dänemark und Schweden zeigen, der Wirtschaftsraum Ostsee, der schon die Hanse groß gemacht hat, ist keine historische Stätte, sondern eine hoch aktive Region.
Und es geht immer um Häfen, Infrastruktur und Logistik: Alle haben großes Interesse an Vernetzung, Erfahrungsaustausch und gemeinsamen Marketing. Der Hanse-Faktor zeigt uns hier, was noch zu tun ist: Hamburg und Lübeck müssen, wie auch alle anderen Partner in der Metropolregion, gemeinsame und noch bessere Strategien für die Ostseekooperation entwickeln.
Metropolregionen sind die zeitgemäßen Leistungs- und Verantwortungszentren. Von den Metropolregionen hängt das Wohlergehen und der Wohlstand Europas ab. Nur Metropolregionen sind in der Lage, auf die komplexen Herausforderungen angemessen zu reagieren, die sich städtischen und ländlichen Räumen stellen. Dazu gehören die gemeinsame Raumentwicklung, die Verkehrsinfrastruktur und die politische Integration, das mit einer zugleich regionalen Verankerung und internationalen Ausrichtung. Die Metropolregion Hamburg ist deshalb ganz selbstverständlich auch im europaweiten Netzwerk der Metropolregionen METREX aktiv.
Meine Damen und Herren,
vor langer Zeit, im Jahr 1420 machten sich hamburgische und lübische Truppen daran, die sächsischen Burgen Bergedorf, Riepenburg und Kuddewörde zu erobern. Es ging um Handelswege, Rohstoffe wie Holz aus dem Sachsenwald und die Möglichkeit, Zölle zu erheben. Die Sache gelang, anschließend verwalteten Hamburg und Lübeck die Region Bergedorf 1867 im Wechsel. Verwaltungskooperationen zwischen den Hansestädten sind offenbar kein Problem.
Die kriegerische Art haben wir schon lange abgelegt. Heute erweitern wir Handelsgebiete wieder auf hanseatische Art, durch Kooperationen und setzen auf Freihandel.
Freihandel bedeutet immer, dass ein Wirtschaftsraum nach gemeinsam ausgehandelten Spielregeln funktioniert. Das Wort aushandeln hat etymologisch ja viele Bedeutungen, das Feilschen, das Kaufen und Verkaufen und das Tätig-Sein, wozu dann auch die politische Handlung gehört. Auf all diesen Ebenen geht es derzeit um die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten (TTIP). Ich vermute mal, auch bei Ihnen in der Kaufmannschaft ist das ein großes Thema. Denn wie wichtig Freihandel ist, das versteht man ja als Hanseat gut.
Ziel des Abkommens ist es, Handelshemmnisse wie Zölle zu beseitigen und damit den Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen zwischen der Europäischen Union und USA zu erleichtern. Mit dem Vertragswerk CETA wird das Gleiche parallel für den Handel mit Kanada gemacht. Deutschland und die EU sind noch im Verhandlungsprozess, dabei sind unsere Grundpositionen sehr klar: Wir wollen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freihandel, das heißt für den neuen Wirtschaftsraum: Wir wollen sowohl klarere Anforderungen für die Wirtschaft als auch Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger.
In der öffentlichen Diskussion darüber stehen sich scheinbar unversöhnliche Positionen gegenüber: Die einen befürchten, das TTIP-Abkommen könnte die Demokratie und den Rechtsstaat aushebeln, andere argumentieren, ohne TTIP gäbe es weder Wirtschaftswachstum noch sichere Arbeitsplätze. Interessant ist, dass in beiden Positionen die globale Wirtschaft und der weltweite Handel geradezu allmächtige Faktoren sind, wenn auch die Bewertungen jeweils komplementär ausfallen.
Besonders intensiv wird über den Investorenschutz und das damit verbundene nicht-staatliche Streitschlichtungsverfahren diskutiert. Es besteht in Öffentlichkeit und Politik die Sorge, dass die Streitschlichtung vor Schiedsgerichten den nationalen Rechtsschutz unterläuft und Regelungen für Verbraucher- und Umweltschutz unmöglich machen könnte.
Wir haben uns als Senat im Bundesrat vor allem für eine möglichst große Transparenz bei den Verhandlungen eingesetzt. Deutschland hat einen Handelsgerichtshof vorgeschlagen, das wird derzeit auf europäischer Ebene diskutiert.
Klar ist, dass ein solches Abkommen nicht dazu führen darf, dass sich jeweils der niedrigste Standard durchsetzt, Wettbewerb muss bessere Qualität bringen, nicht weniger. Die Europäische Union hat Standards für Verbraucherinnen und Verbraucher gesetzt, die gewahrt werden müssen. Bereiche wie Umweltdienstleistungen, Architektur, Bauleistungen und Infrastruktur sind ebenso betroffen. Das gilt auch für die Anforderungen an Arbeitsplätze und die Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
TTIP bietet die Chance, dass die am weitesten entwickelten Volkswirtschaften der Welt enger zusammenwachsen und weltweite Standards setzen, die dann auch Auswirkungen auf die multilateralen Abkommen haben. Im täglichen Verkehr mit Waren und Dienstleistungen gibt es nach wie vor starke Beschränkungen und Zölle.
Ein gut verhandeltes TTIP kann kleinen und mittleren Unternehmen aus Deutschland und Europa den Markteintritt in die USA erleichtern. Denn gerade die kleinen und mittelständigen Unternehmen können nicht alles doppelt machen, einmal für die EU und einmal für die USA. Deutschland ist Exportweltmeister, und das wollen wir auch bleiben. Die USA bieten das weltweit höchste Bruttoinlandsprodukt, einen Markt mit 300 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern und eine einzigartige Stellung im Hochtechnologie-Sektor. Ein besserer Zugang zu diesem Markt kommt unseren Unternehmen und dem Arbeitsplatzangebot zugute.
Meine Damen und Herren,
Vergleichen, Bewerten und Entscheidungen treffen gehört zur den klassischen Kompetenzen eines Kaufmanns und einer Kauffrau.
Zur Bewertung des Hanse-Faktors müssen wir auch auf die Unterschiede zum heutigen Handelsraum verweisen, müssen die großen Unterschiede im Vergleich zur Rechtsstruktur der Europäischen Union benennen.
Nun ist die Rechtsstruktur der EU zugegeben recht kompliziert, die Komplexität und die Schwierigkeit, sie zu beschreiben, ist schon fast wieder eine Ähnlichkeit mit der Hanse. Und wir kennen auch das Phänomen, das Verhandlungen ewig dauern, und manche einfach ein Ende und eine Entscheidung hören wollen, wenn das Ergebnis lange noch nicht ausgehandelt ist, einfach, weil es so lange schon andauert.
Aber abgesehen davon, die Unterschiede sind beträchtlich. Die EU bietet, anders als die Hanse, den Bürgerinnen und Bürgern einen verlässlichen Rechtsraum: Regeln, wie der Schutz vor Diskriminierung, Bestimmungen, die den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen und einen einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum ermöglichen.
Die Struktur der Europäischen Union die Institutionen und Vereinbarungen, die Rechte und Pflichten von Staaten regeln schafft das weltweite Vertrauen in die Europäische Union.
Die rechtliche Struktur verzahnt unsere Gesellschaften und unsere Volkswirtschaften: ohne Grenzen, ohne Zölle und mit einer gemeinsamen Währung.
Meine Damen und Herren,
sicherlich hat die Einführung des Euros für die Lübeckerinnen und Lübecker, insbesondere für die, die sich in der Tradition der Hanse sehen, einen gewissen Schmerz bedeutet. Denn Sie mussten sich ja von dem 50 DM Schein verabschieden. Zu wissen, dass viele gebrauchte 50er von Hand zu Hand durch Deutschland ziehen und mit dem Bild des Holstentors von der großen Geschichte Lübecks erzählen, war sicherlich ein gutes Gefühl. Ich bin sehr froh, dass Lübeck damals kein Veto gegen die Einführung des Euro eingelegt hat. Aber Sie haben einen guten Tausch gemacht. Der Euro ist aus der deutschen Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Der Euro ist ein Meilenstein in der Europäischen Integration und wir brauchen einen starken Euro für ein starkes Europa.
Jeden Tag können Sie Lob und Kritik über kleinste und größte Themen der EU in der Zeitung lesen und das zeigt auch die große Bedeutung der öffentlichen politischen Debatte. Transparenz, demokratische Verfahren und Öffentlichkeit gehören zu den Grundelementen. Die EU ist solider, haltbarer und streitbarer als die Hanse.
Und auch die Sache mit dem Holstentor ist inzwischen ja geregelt. 32 Millionen 2 Münzen aus der Prägeserie Schleswig-Holstein mit dem Holstentor sind seit 2006 in Europa im Umlauf. Etwa 337.000.000 Einwohner der Eurozone (und eine Menge Touristinnen und Touristen) zahlen heute mit dem Holstentor. 32 Millionen, das sind vermutlich mehr 2 Münzen mit einem Bild von Lübeck als manch kleinem Euroland zukommen.
Damit sollte doch die Stellung Lübecks im Euroraum wieder zurechtgerückt sein.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.