Sehr geehrter Herr Elste,
sehr geehrter Herr Professor Gerkan,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Nachhaltige Entwicklung, in diesem Fall: nachhaltige Stadtentwicklung der Begriff ist längst nicht mehr neu, sondern er hat sich nachhaltig behauptet. Das war nicht selbstverständlich. Wir erinnern uns an die Frage vieler Skeptiker auch solcher, die den Club of Rome -Bericht und verschiedene Klimaprognosen durchaus kannten: Gilt es da nicht eine sehr abstrakte Vorlage auszumalen?
Oder, schärfer gefragt: Ist das nicht überhaupt ein Widerspruch per se, nachhaltiges Leben in der Stadt, in der großen Stadt zumal, die doch bekanntlich viel zu viel Ressourcenverbrauch, Lärm, Naturzerstörung, Emissionen aller Art zu verantworten hat als sie gemessen an ihrer vergleichsweise geringen Fläche gegenüber den Landbewohnern und den kommenden Generationen verantworten kann?
Diese rhetorischen Fragen sind nun auch schon älter und wir sehen manche Dinge mit anderer Tiefenschärfe. Wir haben gelernt, dass die räumliche Nähe vieler Einwohner auf wenigen Quadratkilometern durchaus Vorteile hat, auch ökologisch: Kürzere Wege, die sich schneller und sparsamer autofrei zurücklegen lassen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die ja nicht zuletzt mein Vorredner, Herr Elste, in Hamburg auf manch moderne Schiene gesetzt hat.
Stadtluft macht frei und sie macht auch erfinderisch, einerseits weil Not erfinderisch macht und manches Problem in den Städten schon gelöst werden musste, bevor es anderswo überhaupt auftauchte. Auf dem Land brauchte man keine besonders hohen Häuser, also wurde dort auch nicht der Treppenlift erfunden. Wenn es brannte, dann waren es einzelne Häuser oder Gehöfte. Schlimm genug, aber eine Feuerwehr hat nicht von ungefähr zuerst in den Städten gelöscht. Wenn man jedoch in der Stadt das Trinkwasser aus demselben Fluss gewann, in den man die Abwässer ungeklärt einleitete, dann konnte das hier verheerende Folgen haben, zum Beispiel hatte Hamburg noch vor etwas mehr als 120 Jahren eine Cholera-Epidemie, während sich das gleiche Verfahren weiter flussaufwärts zwischen Füchsen und Hasen auf hinreichende Verdünnung verlassen konnte.
Das war, und das ist in anderer Weise auch heute ein Motiv für die Modernisierung urbaner Infrastruktur: Probleme nicht endlos zu beklagen, sondern sie lösen zu wollen. Das andere ist nicht weniger entscheidend: dass sich in der Stadt schon immer und heute mehr denn je Männer und Frauen danach gedrängt haben, ihre Ideen und ihr Wissen in praktische Erfindungen, ein besseres Zusammenleben, eine intelligentere Infrastruktur einfließen zu lassen. Deswegen nennen wir Städte Laboratorien der Zukunft.
In der Einladung zur heutigen Veranstaltung hat die Handelskammer das Motiv aufgegriffen. Nicht furchtsam oder klagend, sondern nüchtern konstatierend wird festgestellt, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung bereits in Städten lebt, bis 2050 sollen es zwei Drittel sein, und der nächste Satz liefert sowohl den Grund für diese Entwicklung als auch die Hoffnung, die wir daraus ziehen, Zitat: In Städten spielt sich die wesentliche wirtschaftliche Entwicklung ab, sie sind Wachstumsmotoren und Innovationstreiber.
So ist es, und weil die Städte gleichzeitig die Hälfte der Weltbevölkerung beherbergen, sind sie natürlich alles: Labor und Wohnzimmer, Werkstatt und Speisesaal, Kommunikationszentrum und Ruhezone, Sommer- und Wintergarten. Dass an so einem multifunktionalen Gebäudekomplex ständig weitergebaut werden muss, dass er nie fertig gebaut ist, weil neue Herausforderungen nach abermaliger Innovation verlangen und die alten und neuen Bewohner sich nie zufrieden zurücklehnen jedenfalls nicht auf Dauer das ist in der Stadt der selbstverständliche Circle of Life.
Dennoch mag sich das in dieser komprimierten Form noch ein wenig abstrakt anhören. In der Tat kann die einzige nachhaltig zufrieden stellende Antwort auf die Frage, wie nachhaltige Infrastruktur in der Stadt aussehen kann, nur in überzeugenden Beispielen bestehen, in Best Practice, wie man heute so einfach wie anschaulich sagt. Deswegen freue ich mich sehr, dass heute Paris, Singapur, London und natürlich Hamburg Internationale Beispiele und Erfahrungen präsentieren.
Ich persönlich bin neugierig auf bisher Unbekanntes und zuversichtlich, dass Hamburg einiges beizusteuern hat. Wir sind eine Stadt mit wachsender Einwohnerzahl und ich denke, dass die Ausführungen der Stadtentwicklungs-Senatorin Frau Stapelfeldt Ihnen eine Idee vermitteln werden, wie wir diese Herausforderung annehmen. Wobei Wohnungsbau seit mehr als vier Jahren wieder das Gebot der Stunde, nein: des Jahrzehnts ist. Aber verbinden müssen wir ihn mit den spezifischen Modernisierungsaufgaben in einer weltweit vernetzten Industrie- und Handelsstadt, deren Bevölkerung nicht nur zahlenmäßig wächst, sondern sich auch qualitativ, in ihren Erwartungen und Qualifikationen verändert. Bildung, Beschäftigung, Integration und nicht zu vergessen: die neuen Anforderungen, die ein größer werdender Anteil älterer und auch richtig alter Stadtbewohner an Infrastruktur, Versorgung und Partizipation stellt das sind die Kernbereiche.
Dass Hamburg, nicht nur nebenbei, eine sehr grüne Metropole ist, sieht jeder Ankommende vom Flugzeug aus, wenn es gerade nicht zu bewölkt ist. Wir werden auch das bleiben, nicht nur, weil wir vor nicht langer Zeit den Titel Umwelthauptstadt Europas getragen haben. Sondern weil, wenn ich von allen Stadtbewohnern und ihren berechtigten Interessen rede, durchaus auch die Igel, Bachstelzen, Eichhörnchen und Wachtelkönige mitgemeint sind.
Meine Damen und Herren,
ein Grußwort ist keine erschöpfende Abhandlung, zumindest hoffen das die Zuhörer, aber lassen Sie mich auf ein Thema zurückkommen, das ich eingangs schon gestreift habe: die Mobilität in der Stadt. Zwar denken beim Stichwort Hamburg und seine Verkehrswege die meisten unwillkürlich an unsere überregionalen Anbindungen und deren Ausbau, an Schienenwege, schnelle Straßenverbindungen oder den Fluss Elbe, an dem und von dem wir leben. Deren Bedeutung wächst ebenfalls weiter, aber mehr Stadtbewohner bringen und erfordern unvermeidlich einen Zuwachs an urbaner Mobilität.
Entgegen der Entwicklung beim Energieverbrauch hat sich ja ohnehin der Verkehrszuwachs bisher nicht vom Wirtschaftswachstum abkoppeln können. Hamburg ist jedoch auf guten Wegen, denn wir forcieren die Binnenentwicklung in der Stadt als eine Möglichkeit, die Verkehrsleistung etwas zu minimieren. Diese städtebauliche Entwicklung zielt auf den Erhalt vorhandener und, wo immer nötig, das Investieren in neue Verkehrsinfrastruktur. Es ist mehr als nur ein Highlight, dass Hamburg seit sehr langer Zeit auch wieder in neue Schnellbahnstrecken investiert, ebenso wie in das Verbessern schneller Buslinien und der Entfaltungsmöglichkeiten des Radverkehrs.
Aber auch das Straßennetz wird wieder leistungsfähiger. Wie dringend Investitionen waren, wussten Fachleute schon länger; die Öffentlichkeit ahnte es spätestens seit dem Winter 2010, als sich Straßenschäden in besonderem Maße zeigten, oder spektakuläre Brückenerneuerungen unumgänglich wurden.
Als ein neuer Senat die Regierungsgeschäfte in Hamburg übernahm, waren viele einzelne Staus, aber auch ein genereller Reparatur- und Modernisierungsstau unübersehbar. Und wir erinnerten uns an die Zeit der deutschen Vereinigung vor einem Vierteljahrhundert, als wir feststellen mussten, was es heißt, über Jahre nicht genügend in den Erhalt des Anlagevermögens investiert zu haben. Bereits im Jahre 2000 hatte denn auch die so genannte Pällmann-Kommission auf die bundesweiten Finanzierungsdefizite bei allen Verkehrsträgern, und auf notwendige Änderungen im Finanzierungssystem hingewiesen. Die aktuellen Zahlen sind deutlich: Auf 7,2 Milliarden Euro wird der jährliche Fehlbetrag geschätzt.
Meine Damen und Herren,
auch in Hamburg bleibt viel zu tun, denn rund 4.000 Kilometer Straßen und mehr als 2.500 Ingenieurbauwerke müssen erhalten werden. Daher stellen Senat und Bürgerschaft bewusst und ohne das verfassungsmäßig vorgegebene Ziel der Schuldenbremse aus dem Blick zu verlieren mehr Geld für Erhaltens- und Modernisierungsinvestitionen zur Verfügung.
Was in drei großen Städten der Welt größeren noch als dem bescheidenen Hamburg zu tun ist und wie es angepackt wird, werden wir hören. Let´s get started.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.