Grußwort: Richtfest Wohnen am Schellerdamm
Sehr geehrte Herren Groenewold,
sehr geehrte Frau Husemann,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
vielen Dank für die Einladung zum Richtfest hier im Schellerdamm 1.
Ein Richtfest ist, oder war ursprünglich ja weniger eine Feier als vielmehr so etwas wie der erste Feierabend: Mit Essen und Bier wurden die Handwerker für ihre Arbeit entlohnt. Heute ist es ein eher symbolischer, aber umso schönerer Brauch, mit dem die Bauherren ihren Dank an die Beteiligten ausdrücken.
Es freut mich insofern, dabei sein zu können, obwohl mein handwerkliches Geschick gar nicht eingesetzt worden ist. Auch haben die Bauherren Kurt und Cornelius Groenewold das Projekt vollkommen in eigener Verantwortung und ohne finanzielle Unterstützung der Stadt Hamburg verwirklicht.
Der Harburger Binnenhafen, oder besser: dessen landwärtiger Teil macht sich immer mehr zu einem urbanen Viertel heraus, mit einer lebendigen Nutzungsmischung aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Ein Baustein dieses Wandels ist das Vorhaben, das sich hier jetzt konkretisiert: Wohnen am Schellerdamm.
Dies ist eines der Pionierprojekte im Quartier Harburger Brücken, welches auf ehemaligen Bahn- und Gewerbeflächen die schon weit gediehene Bebauung am Veritaskai direkt am alten Hafenbecken mit der Harburger Innenstadt verbinden wird. Es gibt hier noch ordentlich weiteres Neubaupotenzial, und das Ganze auf oder neben dem historischen Gelände des einstigen Bahnhofs. Wer dort einstieg, den zog die Dampflok anfangs nicht nach Hamburg, sondern in die preußische Provinz.
Das änderte sich mit dem Bau der Elbbrücken, und heute sind mit immer besser getakteten Verkehrsverbindungen die Metropolregionen dichter aneinander gerückt. Und gerade in Hamburg auch die Stadtteile, die insgesamt die Metropole Hamburg bilden. Wilhelmsburg, hier gleich nebenan und mit Harburg historisch verbunden, ist mit der Internationalen Bauausstellung, der IBA, zu einem Symbol für modernen Städtebau geworden und zum Beweis dafür, dass sich sozialer Wandel organisieren lässt. Neue IBA-Projekte, die sie zurzeit auf den Elbinseln, aber zum Beispiel auch in Neugraben-Fischbek entwickelt, werden das erneut belegen.
Ich sagte eben: besser getaktete Verkehrsverbindungen. Wer immer noch mit dem Auto fährt, nutzt hier im Quartier das eigens errichtete Parkhaus; und dieses Gebäude hier ist Teil der so genannten Mantelbebauung.
In direkter Nachbarschaft zum historischen Harburger Fleethaus wird es nach dem Entwurf des Hamburger Büros Limbrock / Tubbesing realisiert. Details werden uns sicher gleich noch nahe gebracht. Auf einem 1.970 m² großen Grundstück werden neben Wohnungen auch Läden und Restaurants das Straßenbild prägen.
Es freut mich sehr, dass sich Harburg hier, sowie am Kaufhauskanal und auf der Schlossinsel ein außergewöhnliches Quartier hinbaut.
Schon mit drei großen Projekten haben die Familie Groenewold und die Aurelius AG dazu beigetragen: Das restaurierte denkmalgeschützte Fleethaus habe ich eben erwähnt, wir sehen es direkt gegenüber. Sie alle kennen das Silo, den ehemaligen Getreidespeicher, und auch das Bürogebäude unten am Schellerdamm 18 ist fertig.
Projekte wie diese, das sich auch an Studierende richtet, sind eine gute Ergänzung zum öffentlich geförderten Wohnraum, der für die Zeit des Studiums zur Verfügung steht.
Meine Damen und Herren,
ob für Studierende, Familien oder Senioren Wohnraum zu schaffen gehört zu den Kernanliegen des Hamburger Senats. Bezirke, Politik und Verwaltung unterstützen das; wir haben eine Dynamik angestoßen, die unsere Stadt dringend brauchte.
Die vom Senat versprochenen 6.000 neuen Wohnungen jährlich wurden deutlich übertroffen: allein im Jahr 2014 ist der Neubau von 10.957 Wohneinheiten genehmigt worden. Das sind nochmal sechs Prozent mehr als im Vorjahr, 61 Prozent mehr als 2011, als wir losgelegt haben.
Insgesamt sind seit 2011 bereits fast 37.000 Wohneinheiten genehmigt worden. Und genauso dynamisch verlaufen die Baufortschritte: Circa 75 Prozent der Genehmigungen sind bisher schon konkret zum Losbauen genutzt worden und ich bin sehr zuversichtlich, dass in drei Jahren alle beantragten Wohnungen tatsächlich gebaut oder in den letzten Phasen der Fertigstellung sind. 2014 wurden mindestens 6.100 Wohnungen fertig.
Was mir aber besonders am Herzen liegt: Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Hamburg ist seit 2011 kontinuierlich und deutlich aufgestockt worden. Aktuell haben wir mehr als 100 Millionen Euro jährlich in den sozialen Wohnungsbau investiert. Die Stadt Hamburg ist, bezogen auf geförderte Mietwohnungen je 100.000 Einwohner, deutschlandweit Spitzenreiterin: 119 Wohneinheiten bei uns gegenüber zwölf im Bundesdurchschnitt, also zehnmal so viele.
Meine Damen und Herren,
Hamburg ist eine attraktive Großstadt. Wie schafft sie, wie schaffen wir das? Das Leben in der Stadt ist, wie der dänische Architekt Jan Gehl schreibt, ganz wesentlich ein Leben zwischen Häusern. Das will er auch nicht grundsätzlich ändern, aber er plädiert für eine Stärkung des Gemeinwesens durch eine Stadtplanung, die zum Beispiel auch an die Verweilzonen denkt, Inseln im öffentlichen Raum, wo sich Stadtbewohner treffen und die sie nach ihren Vorstellungen nutzen können.
In Hamburg, gerade auch in Harburg, haben wir einen großen Vorteil: Die Bürgerinnen und Bürger leben nicht nur zwischen Häusern, sie haben auch noch das Wasser. Und wir wissen, es lebt sich in der Stadt gut, wenn das Wasser im Alltag sichtbar und erreichbar ist.
Der Senat, Architektinnen und Architekten, Stadtplanung, Verwaltung und Politik haben in den vergangenen Jahren verstärkt daran gearbeitet, die Wasserkanten zugänglich zu machen. Das war gar nicht so einfach, denn zwischen dem Wasser und dem Binnenland gab es an vielen Stellen keine Verbindung. Die Grenzen des Freihafens, Brachland und große Straßen haben die Elbe und ihre Seitenarme lange von den lebendigen Teilen der Stadt abgeschnitten. Metrozonen, hat die IBA diese Bereiche genannt und sie sozusagen adoptiert: mit dem Ziel der Wiederaneignung und Belebung ungenutzter Areale.
Hier in Harburg sieht man allmählich den Unterschied: Das Gebiet zwischen Süderelbe und B73, der Harburger Binnenhafen und die alte Schlossinsel, über Jahrhunderte das Zentrum der Stadt, es war zuletzt nur noch ungenutzte Randzone, Industriebrache. Nun aber haben die Harburger und Harburgerinnen ihren Hafen wieder.
Mit der Ansiedlung der Technischen Universität Harburg im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma Thörl hat Hamburg den ersten Impuls zur Revitalisierung des Binnenhafens gesetzt. Wenn Sie hier jemanden fragen Was ist wichtiger, Tradition oder Moderne? ist die Antwort immer klar: Harburg ist wichtig.
Der Binnenhafen ist eines der ältesten, kontinuierlich besiedelten Gebiete im Stadtgebiet. Durch private Investitionen und kluge Stadtplanung ist das Wissen darum wieder Teil der Stadt geworden: Von den Resten der Siedlung und der Burg aus dem 13. Jahrhundert bis zu den Holzklappenbrücken kann man Jahrhundert für Jahrhundert entdecken.
2010 haben wir den Binnenhafen aus dem Hafengebiet entlassen. Am Lotseplatz wurden die Kaimauern saniert; wo vorher verfallene Schuppen und Sandhaufen ihre Art von Romantik auslebten, gibt es Bänke und Spazierwege gebaut. Was Industrieweg war, ist zur Verweilzone geworden. Und wir verbinden die Schlossinsel mit einer beweglichen Fußgängerbrücke zum Kanalplatz hinüber; sie ist im Bau und soll im Sommer fertiggestellt sein. Die weitere Entwicklung des Harburger Binnenhafens hängt, neben anderen Faktoren, natürlich ganz wesentlich von einer verbesserten Anbindung des Quartiers an die Harburger City ab. Die im Gegenzug ihrerseits davon profitieren wird.
Meine Damen und Herren,
39,4 Millionen Euro wird der Hamburger Senat in die Infrastruktur am Harburger Binnenhafen investieren, für Brücken, Kaianlagen, Straßen und Spielplätze. Davon braucht es immer mehr, denn es werden auch hier Wohnungen gebaut: Die Marina auf der Schlossinsel, 160 Wohnungen am Kaufhauskanal, das Quartier am Park zwei Häuser mit 45 Wohnungen und 63 Eigentums-wohnungen am Hafencampus. Dazu ein Zentrum für medizinische Versorgung mit Apotheke und Facharztzentrum.
Bei alledem ist der Harburger Binnenhafen weiterhin ein Ort für das Leben auf dem Wasser: Kleine und größere Boote navigieren um die Binnenschiffe herum, die ja ebenfalls ins Bild und zu den intelligenten Transportketten gehören, die wir brauchen.
Seit Kurzem ist nun auch ein großes Hausboot hier: Am Kanalplatz im Binnenhafen liegt das Wohnschiff Transit, 110 Meter lang und 14 Meter breit, gebaut als vorübergehender Wohnraum für Flüchtlinge. Auf drei Decks und 1.400 Quadratmetern werden dort etwa 220 Frauen und Männer wohnen.
Das ist keine Lösung für alle Zeit, aber eine, der die Harburgerinnen und Harburger, da bin ich ganz sicher, zustimmen und mit der alle Beteiligten zurechtkommen werden. Hamburg muss diese Form neben vielen anderen Arten der Unterbringung nutzen und ich muss angesichts der Weltlage nicht betonen, warum.
Auf der Transit werden Männer und Frauen wohnen, für die der Harburger Hafen das Tor zu einer neuen Welt sein kann. Sie sind vor Krieg, Gewalt und Verfolgung geflohen, wollen arbeiten, ein Handwerk lernen oder studieren. Im vergangenen Jahr sind fast 6.000 Asylbewerber mit Unterbringungsbedarf zu uns gekommen, dieses Jahr werden es mehr sein. Alle unterzubringen ist nicht einfach, aber wir schaffen es. Und wir haben eine Bundesratsinitiative gestartet, die gezielt Instrumente zum Bau von Wohnraum für Flüchtlinge in Ballungsräumen vorschlägt.
Willkommenskultur hat viele Facetten, gerade hier auf den Elbinseln. Einen Vertreter der Gruppe Harburger helfen Flüchtlingen habe ich gerade kürzlich im Rathaus begrüßt.
Meine Damen und Herren,
das Haus, in dem wir hier stehen, gehört zum Ensemble der IBA, es ist IBA-zertifiziert. Es hat mit der Eisspeicherheizung ein sehr innovatives Energiekonzept. Diese Art Heizung verdankt ihren Namen dem Umstand, dass bei der Veränderung von Aggregatzuständen Energie freigesetzt wird. Vom Eis zu Wasser von Wasser zu Eis: Das kriegt Väterchen Frost seit Jahrtausenden hin und jetzt nutzen wir es. Ein System aus Sonnenkollektoren auf dem Dach und dem Eisspeicher im Keller produziert im Winter eine warme und im Sommer die kühlende Umgebung.
So ist Harburg auch auf dem Gebiet vorn. Und übrigens: Aus Kälte Wärme zu machen, das ist ein bemerkenswerter Vorgang. Die Aufgabe, der wir uns in der Politik auch häufig widmen müssen, ist in der Energietechnik per Naturgesetz lösbar. Die Physik hat es einfach, sie kennt gar keine Kälte, nur mehr oder weniger Wärme.
Die Groenewolds haben sich entschieden: Ein Wärmetauscher wird hier dafür sorgen, dass selbst in der Kälte noch Energie für Wärme zu finden ist und wenn es allzu heiß ist, die Hitze in den Keller gebracht wird.
Ich freue mich mit Ihnen auf ein allzeit gutes Klima im Schellerdamm. Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.