Sehr geehrter Herr Klasen,
sehr geehrter Herr Frankenberger,
sehr geehrter Herr Merz,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Konsularischen Korps,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
als den Steuermann hat die Hamburger Wochenzeitschrift DIE ZEIT einmal Karl Klasen bezeichnet, Klasen habe die D-Mark durch unruhige, von wilden Währungsturbulenzen aufgewühlte Gewässer gesteuert. Das Bild ist auch biografisch passend, denn der Vater Klasens arbeitete als Ewerführer im Hamburger Hafen.
Das politische Bild des Steuermannes oder Lotsens ist verknüpft mit der Karikatur, die die britische Öffentlichkeit am 29. März 1890 über das Ende der Ära Bismarck informierte. Der Lotse geht von Bord oder wie es im englischen Original heißt Dropping the Pilot kennen heute Schülerinnen und Schüler aus ihren Geschichtsbüchern und der Diskussion um die friedenssichernde Außenpolitik in Europa.
Ausgezeichneter Journalismus ist eine Perspektive. Als vor über 20 Jahren die Erben von Karl Klasen entschieden, das Andenken des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank mit einer Stiftung zu pflegen, trafen sie die weise Entscheidung, das mit einem Preis für Journalistinnen und Journalisten zu verbinden.
Guter Journalismus hat die Aufgabe Fakten aufzubereiten, Fehlinformationen aufzuklären und Zusammenhänge zu erläutern. Journalisten sind politische Kartografen: Sie bieten gerade auch in stürmischen Zeiten vernünftige Orientierung. Guter Journalismus ist eine Grundlage für demokratische Willensbildung, sachgerechte Entscheidungen und ein sehr gutes Mittel gegen Populismus. Der seriöse Journalismus und qualitativ hochwertige Medienangebote werden immer wichtiger.
Der Empfang im Rathaus zur Verleihung des Karl Klasen-Journalistenpreises ist Ausdruck der Wertschätzung des Hamburger Senats für den Journalismus und eine freie und unabhängige Presse. Der Medienstandort Hamburg repräsentiert alle Bereiche der Medien vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk über Verlage für Tages- und Wochenzeitschriften bis hin zu Agenturen und Digitalunternehmen. Seit 20 Jahren wird der Preis hier in Hamburg verliehen, zum zweiten Mal wird ein Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) ausgezeichnet. Die Zeitung steht für Qualitätsjournalismus und pointierte Kommentare und ist damit weltweit bekannt.
Das Profil der FAZ wird ganz wesentlich durch den aktuellen Preisträger geprägt: Der Karl Klasen-Journalistenpreis geht in diesem Jahr an Klaus-Dieter Frankenberger, den Ressortchef für Außenpolitik. Klaus-Dieter Frankenberger ist ein ausgezeichneter Kenner US-amerikanischer Politik, er nahm 2009 an der Münchner Sicherheitskonferenz teil und ist bekannt für seine prägnanten und perspektivischen Kommentare zur internationalen Politik.
Der Karl Klasen-Journalistenpreis geht an Journalisten, die sich intensiv mit dem transatlantischen Verhältnis auseinandersetzen. Aber die Satzung macht auch deutlich, dass das freundschaftliche Verhältnis zu den USA immer neben einem friedlichen Ausgleich mit den europäischen Nachbarn steht. Auch das ist eine weise Entscheidung. Denn die Anforderungen an die politische Orientierung, und damit an Informationen und Meinungsbildung, sind gerade im Kontext der europäischen Einigung besonders komplex.
Wer die EU verstehen will, muss die FAZ lesen, heißt es in juristischen Seminaren zur Rechtsstruktur der Union. Demokratie in Europa braucht eine europäische Öffentlichkeit, sagt Jürgen Habermas. Ist Europa für die Bürgerinnen und Bürger der 28 Nationen eigentlich noch außen? Passt der klassische Begriff der Außenpolitik für das immer enger zusammenwachsende Europa? Das ist mehr als eine Frage nach der richtigen Kapitelüberschrift. Denn Europa ist auf dem Weg zu einer europäischen Innen- und Außenpolitik.
Die Europäische Union ist unsere Perspektive. Wir müssen uns ausdrücklich und intensiv zum Integrationsprozess bekennen. Das machen wir auf der Grundlage historischer Erfahrungen. Anders als in 500 Jahren der Geschichte kann das heutige Deutschland als bevölkerungsstärkstes Land mit enormer Wirtschaftsleistung in Frieden leben.
Das heißt übrigens: Wir müssen Konsense vermitteln und auch zahlen.
Es gibt keine gute europäische Politik, die ihren Ausgangspunkt in nationalstaatlichen Ideen findet. Alle Fragen der Europäischen Union müssen und können aus der Perspektive Europas beantwortet werden.
Das gilt ganz klar für den Euro: Der Euro ist die gemeinsame Währung Europas, er macht die ökonomische Kraft Europas währungspolitisch sichtbar. Auch jenseits der Grenzen derer, die im fiskalischen Sinne zum Euroraum gehören, ist der Euro Orientierung. Bürger, Banker und Wirtschaft rechnen damit. Der Euro ist die zweitwichtigste Währung der Welt, eine Währung, die die Wirtschaftsfreiheit Europas und die Freizügigkeit ihrer Bürger ausdrückt. Wenn der Blogger und Ökonom Paul Krugman meint, der Euro sei nicht mehr zu retten, ist das als Meinungsäußerung überall in Europa schützenswert, aber deshalb noch lange nicht richtig. Und deshalb bin ich auch dankbar, dass es gelungen ist, Griechenland im Euro zu halten. Die Sache ist den Streit wert.
Die Europäische Union ist heute ein gemeinsamer Wirtschafts- und Währungsraum mit vollständiger Freizügigkeit für 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Die Freizügigkeit ist eine der größten Errungenschaften der EU. Wir müssen sie verteidigen. Die Solidaritätsversprechen auf der Ebene der Nationalstaaten sind sehr unterschiedlich.
Wir brauchen, wenn wir die Freizügigkeit verteidigen und in die Zukunft führen wollen, Interoperabilität der sozialstaatlichen Strukturen. Man kann nicht durch den Umzug von einem Land in das andere dessen Solidaritätsversprechen einlösen. Ich bin sehr dankbar, dass erst in der letzten Woche in der Sache Alimanovic der EuGH die Voraussetzungen für die Freizügigkeit in diesem Sinne klargestellt hat. Und damit vielleicht auch einen Weg gewiesen hat, wie das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union gehalten werden kann.
Meine Damen und Herren,
Europa ist nicht in der Krise. Ich teile nicht, was in der Debatte über die Schulden der Südeuropäischen Länder und insbesondere Griechenlands gesagt wurde. Und auch nicht, was da angesichts der hohen Zahl der Flüchtlinge gesagt wird. Wir haben gemeinsame Probleme, weil wir uns verbunden haben.
Europa diskutiert, verhandelt und streitet. Häufig sind wir uns einig. Manchmal sind wir uns darüber einig, dass wir uns nicht einig sind. Wer das Krise nennt, hat noch nicht mal eine originelle Überschrift. Denn man könnte die Geschichte der EU als eine Geschichte der Überschriften mit dem Wort Krise erzählen. Aber das wäre vermutlich eine langweilige Geschichte.
In der Flüchtlingsfrage sind alle EU-Staaten beteiligt, wenn auch in sehr unterschiedlicher Weise: Wir haben Griechenland, Italien und Ungarn, die die Last der Ankommenden tragen. Wir haben Schweden, Österreich und Deutschland, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Aber alle andere Staaten nehmen auch Flüchtlinge auf, wenn auch weniger. Es ist nicht so, dass wir von den anderen im Stich gelassen werden. Wir diskutieren und verhandeln und streiten über die gemeinsame Europäische Verantwortung für die Flüchtlinge.
Staatliche, öffentliche, zivilgesellschaftliche Institutionen aber auch Einzelpersonen, Wirtschafts- und Berufsverbände tun, was sie können. Und das gilt auch für die Medien.
Wir können uns auf Qualitätsjournalismus verlassen: Journalistinnen und Journalisten von Zeitungen, Fernsehen und Blogs bringen kontroverse, kluge und an Fakten orientierte Berichte. Sie schaffen es, das hoch emotional besetzte Thema zu strukturieren und die Gefühle trotzdem zuzulassen.
An der Flüchtlingsfrage sieht man, dass Europa nur gemeinsam stark sein kann. Und man sieht daran auch ein publizistisches Phänomen: Europa diskutiert eine gemeinsame Frage: Ob in der Presse der Hauptstädte und in den regionalen Blättern überall geht es um den Umgang mit Flüchtlingen. Und überall geht es auch um die Frage nach Europa. Auch das ist die Perspektive des Qualitätsjournalismus.
Meine Damen und Herren,
Außenpolitik wird wichtiger. An den Grenzen der EU und an den Meeren, die sie umgeben sind Krisen und Kriegsherde: Wir machen uns Gedanken über die Lage in Osteuropa, wir beobachten die Entwicklung im Iran und machen uns Sorgen um Syrien, Libyen und die Folgen des IS-Terrors.
Dort sind Krisen. Diese Herausforderungen wird Europa nicht alleine den USA zur überlassen können. Die Verteidigungs- und Außenpolitik der EU wird wichtiger und wir müssen uns eben auch fragen, ob das nicht stärkere Integrationsprozesse erforderlich macht.
Denn das dürfte klar sein: Ein Rückfall in die Zeit der Nationalstaaten wäre eine Gefahr für den Frieden. Und vollkommen unakzeptabel wären Politiken, in denen es wie bei Bismarck darum geht, immer zu Dritt gegen zwei andere Länder verbündet zu sein. Deshalb ist es gut, dass Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Polen in der Ukraine Krise agiert hat.
Die Zukunft der transatlantischen Kooperation hängt vom Gelingen der europäischen Integration ab. Und davon, dass auch in der Außen- und Sicherheitspolitik die EU als Ganze Partner der USA wird.
Meine Damen und Herren,
im Januar 2012 heißt es in der FAZ. Was die Europäische Union wirklich braucht, ist eine grundsätzliche Verständigung ihrer Mitglieder über ihre außenpolitischen und strategischen Interessen, über deren Bündelung und Strategien zu deren Implementierung. Wer der Überzeugung ist, dass es einen europäischen Mehrwert gibt oder geben soll, der wird auch in die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik investieren. Geschrieben hat das Klaus-Dieter Frankenberger, der Text ist immer noch lesenswert.
Ausgezeichneter Journalismus ist perspektivischer Journalismus. Und der hat seinen Preis.
Ich gratuliere Klaus-Dieter Frankenberger zur Verleihung des Karl Klasen-Journalistenpreises.
Vielen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.