Sehr geehrter Herr Bundesminister,
sehr geehrte Mitglieder des Konsularischen Korps,
sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Damen und Herren,
die Europäische Union hat dieses Jahr zum Europäischen Jahr der Entwicklung bestimmt. Und das für globale Entwicklungsfragen zuständige Bundesministerium hat bereits im vergangenen Jahr eine Zukunftscharta verfasst, am Ende eines intensiven bundesweiten Beteiligungsprozesses, mit dem Titel Eine Welt Unsere Verantwortung. Die Bundesregierung geht mit dem Thema auch auf Tour, auf Zukunftstour durch die deutschen Landeshauptstädte, und in Hamburg einer der ersten Stationen begrüße ich heute herzlich den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller.
An dieser Stelle könnte ich ausdrücklich dafür danken, dass unser heutiges Thema gut zu bewältigen ist, intellektuell und auch auf tatsächliches Handeln bezogen, denn es lautet: Globale Entwicklung Was können wir in Hamburg tun? Es ist ja schon lange das Credo dieser Stadt, dass unsere eigene Entwicklung mit der globalen vor allem in der Weise verknüpft ist, dass wir ökonomische, industriepolitische und wissenschaftliche Kompetenz, dass wir Innovation nicht einfach nur besitzen und entwickeln, sondern dass wir sie in die Welt bringen müssen.
Und das nicht nur, weil wir so einen großen Hafen haben und für das exportorientierte Deutschland das Tor zur Welt sind. Natürlich ist das so, und wir spielen diese Rolle gern, weil wir sie gut können, aber die Kausalitäten und Verflechtungen haben darüber hinaus eine ganz andere Dimension.
An die werden wir, in diesem Europäischen Jahr der Entwicklung, sehr dramatisch erinnert. Das zur Zeit alles beherrschende Thema, die stark gestiegene Zahl von Flüchtlingen, deren Hoffnungs- und Zielregion Europa ist, und die Aufgaben, vor die uns das stellt das alles hat viele Wurzeln. Unsere Möglichkeiten, Kriege und Bürgerkriege, Terrorismus und politische Verfolgung außerhalb unseres Kontinents zu beenden, sind begrenzt und werden es bleiben.
Aber Flucht und Migration haben auch Ursachen in miserablen Lebensumständen, die zum Teil nur wenige Flugstunden von hier herrschen, für Minderheiten oder mancherorts auch die Mehrheit der Bevölkerung. Für alle diejenigen, für die ein pursuit of happiness entweder nur anderswo möglich, oder überhaupt ein ferner Traum ist, weil es zuerst einmal um ein menschenwürdiges Überleben geht.
Manche in Europa, auch in Deutschland übersehen das gern, wenn sie Flüchtlinge in erster Linie als Belastung und Bedrohung empfinden. Sie verdrängen, was Sie, Herr Minister, im Rahmen dieser Zukunftstour neulich in Bremen gesagt haben, in Anspielung auf ein altes dort berühmtes Volksmärchen und sehr drastisch. Dass viele derer, die zu uns kommen, letztlich der Perspektive folgten: Etwas Besseres als den Tod findest Du überall.
Interviews, wie sie die Nachrichtensendungen täglich in ganz Deutschland verbreiten, machen es für alle anschaulich etwa mit Familien, die keine politische Verfolgung für sich reklamieren, sondern nur auf das Dach zeigen, das den Regen durchlässt und demnächst über ihnen einstürzen wird. Reparieren wird es niemand, nicht für Geld, das man nicht hat, und nicht für gute Worte, denen niemand zuhört, wenn sie von dieser ethnischen Minderheit oder jener Glaubensgemeinschaft geäußert werden.
Die Grenzen zwischen verschiedenen Flucht- und Auswanderungsgründen sind oft fließend; übrigens glaube ich, dass ein nicht geringer Teil unserer Landsleute das schon beim Blick auf die eigene Familiengeschichte erkennen kann, oder beim Besuch des Auswanderermuseums hier in Hamburg.
Flucht und Migration haben fast immer ihren ursprünglichen Grund in mangelnder oder gar nicht stattfindender Entwicklung; darin, dass es keine Perspektive gibt. Und in der Zukunftscharta Eine Welt Unsere Verantwortung steht, worin die unter anderem bestehen kann, Zitat aus Kapitel 7: Technologische Innovationen, beispielsweise bei der Gestaltung der Energiewende und der effizienteren Nutzung knapper Ressourcen, sind Schlüsselfaktoren für nachhaltige Entwicklung.
Ich möchte hinzufügen: Sie sind außerdem unsere Kernkompetenz und sie müssen unsere Entwicklungs-Zusammenarbeit und deren Strategie bestimmen. Jenseits der aktuellen Tagespolitik, in der es zurzeit um so selbstverständliche, aber schwierige Ziele geht wie: Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen und sie im Alltag zu unterstützen, wobei zum Glück viele Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und anderswo tatkräftig helfen. Und: zu einer Solidarität unter den EU-Mitgliedsländern bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu finden, was ungeahnt schwierig ist und was der Bundesaußenminister neulich sehr deutlich und richtig angemahnt hat.
Unsere Kernkompetenz: Sie ist übrigens auch die Antwort auf den Hinweis und Vorwurf, die Städte verbrauchten gut 80 Prozent aller genutzten Ressourcen, obwohl sie doch gerade einmal knapp drei Prozent der Erdoberfläche bedeckten. Das ist zwar eine etwas zu simple Rechnung, denn es sind ja auch die Städte, die als Standorte von Industrie, Handel und Wandel das Land mit versorgen; nach dem Verursacherprinzip sieht die Statistik anders aus. Und die Städte sind auch die Orte, in denen Demokratie und gesellschaftliche Integration leben, ohne die wiederum Entwicklung gar nicht denkbar ist.
Diese Kernkompetenz habe ich eben gemeint mit: Innovation in die Welt bringen. Wir müssen, und ich sage es jetzt bewusst etwas pathetisch: auf Gedeih und Verderb zweierlei tun. Erstens in unserer Stadt dafür sorgen, dass wir Wachstum auf eine richtige, zukunftsfähige Weise organisieren. Zweitens, mit Blick nach draußen, gerade auch mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer: Produkte und Verfahren entwickeln, Technik entwickeln, die so ist, dass andere einen Sinn darin sehen können, sie zu übernehmen, zu adaptieren, zugeschnitten auf ihre eigenen Erfordernisse und so, dass sich ihr Wachstum nachhaltig entwickeln kann.
Das kann gelingen, indem wir bestimmte Fortschritte hier organisieren, und ich will als nur ein Beispiel, aber ein zentral wichtiges, die Energiewende nennen, wie wir sie so schön plakativ nennen: Substitution fossiler Energieträger, Förderung der Regenerativen, Ausbau leistungsfähiger Übertragungsnetze. All das vor dem Hintergrund des deutschen Atomausstieges, von dem wir schon ahnen, dass er kein weltweit nachgeahmtes Modell wird; dass das Gesamtkonzept aber trotzdem den Beweis liefern muss, welches große und exportfähige Potenzial in eine solchen Verknüpfung kluger Innovationen enthalten ist. Wenn es funktioniert.
Meine Damen und Herren,
vor annähernd dreißig Jahren ist hier schon die erste so genannte Drucksache erschienen mit dem Titel: Hamburgs Beitrag zur Verminderung der Klimagefahren. Die Einschätzung dieser Gefahren, und der dafür verantwortlichen Kausalketten, unterliegt seitdem immer wieder Schwankungen; fest aber steht eines: Die Energienachfrage wird gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern noch sehr lange sehr stark zunehmen denn ohne sie gibt es keine Entwicklung und Hamburgs und Deutschlands Beitrag zur Verminderung von Gefahren, die sich daraus ergeben, muss genau darin bestehen, dass wir solche Kernfragen beantworten wie zum Beispiel: Lässt sich Windstrom nicht nur einfangen, sondern auch für spätere Nutzung einsperren? Wie können wir diese erneuerbare oder besser: sich selbst ständig erneuernde Variante der Solarenergie so nutzen, dass wir ihre Volatilität ausbremsen? Wie kann regenerativ erzeugte Energie grundlastfähig werden? Das sind Fragen, die sich an den Küsten Marokkos schon jetzt grundsätzlich genauso stellen wie an der Nord- und Ostsee.
Meine Damen und Herren,
global denken, lokal handeln oft zitiert wurde das schon und aktuell ist es weiterhin, wobei lokal inzwischen überall ist. Hamburgs Entwicklungs-Zusammenarbeit in der Städtepartnerschaft mit Léon in Nicaragua; oder auch mit Dar es Salaam, als kommunale Klimapartnerschaft von der Bundesregierung unterstützt; das Hamburgische Vergabegesetz, das ökologische und soziale Bedingungen für öffentliche Aufträge regelt; Förderung Fairen Handels, hier heute auch durch etablierte und junge Hamburger Unternehmen vertreten, von der Otto Group bis LemonAid;
oder die Initiative Hamburg lernt Nachhaltigkeit im Rahmen der UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung das alles hat bescheidene, aber sichtbare Spuren hinterlassen und wir freuen uns sehr, dass die UNESCO Hamburg dafür ausgezeichnet und zu einem kommunalen Key-Partner für das Welt-Aktionsprogramm ernannt hat. Vorgestern war die Hamburger Auftaktveranstaltung mit Senator Kerstan.
Globale Entwicklung Was können wir in Hamburg tun? Wir können, das zumindest hoffe ich, uns einige gute Vorschläge nicht nur ausdenken, sondern sie auch zur Nachmach- und Weiterentwickelungsreife bringen. Ich verspreche, dass wir damit weitermachen.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.