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18.03.2015

Grußwort zum 75. Geburtstag von Prof. Hartmut Graßl

 

Sehr geehrter Herr Prof. Graßl,
sehr geehrter Herr Staatssekretär,
sehr geehrter Herr Erster Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrter Herr Prof. Schellnhuber,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Klimawissenschaft beschäftigt sich mit sehr langfristigen Entwicklungen; etwas genauer gesagt: mit so langfristigen, dass gemessen daran ein Jahrzehnt nicht besonders ins Gewicht fällt.

Andererseits sind die zehn Jahre, die Hamburg jetzt schon ohne die quasi amtliche Expertise des Hochschullehrers und Institutsdirektors Prof. Graßl auskommen muss, kein Pappenstiel
Wie man so sagt. Ich komme auf diese Redensart noch zurück, will aber zuerst feststellen, was sich nicht geändert hat in den zehn Jahren seit Ihrer Emeritierung:

Dass Sie, Prof. Graßl, Ihre Expertise weiterhin einbringen in die öffentliche Diskussion, das hat sich zum Glück für uns nicht geändert. Auch wenn es nicht mehr kraft Amtes, sondern kraft wissenschaftlicher Autorität geschieht und, auch da bin ich sicher, kraft ungebremsten Interesses an der Entwicklung der Wissenschaft und natürlich des Klimas, und der möglichen Klimafolgen.

Neulich erzählte mir ein Mitarbeiter, er habe vor einigen Jahren in der Metropolregion einen Vortrag von Ihnen gehört, in Elmshorn an der Krückau, die zwar schon seit 1969 ein Sperrwerk hat, wo aber die Erinnerung an frühere Überschwemmungen noch lebendig ist.
In der norddeutschen Tiefebene ist der Klimawandel ein durchaus emotional besetztes Thema. Sie haben an vielen großen Orten vor Fachpublikum, aber eben auch in Elmshorn geholfen, den Wissensdurst zu löschen wissenschaftlich und für die Zuhörer verständlich, und gerade das ist in seiner Kombination wichtig. An dem Abend durfte der privat anwesende Mitarbeiter hinterher sogar Ihren Vortrag gleich per USB-Stick mitnehmen, zwecks Verwendung im Klimaportal der Stadt Hamburg. So hatte unsere Internetseite etwas davon und die wird deutschlandweit gelesen.

Meine Damen und Herren,
wissenschaftlich und für die Zuhörer verständlich, lassen Sie mich dazu noch zwei Sätze mehr sagen. Der wissenschaftliche Diskurs über den Klimawandel wird auf hohem Niveau, sozusagen nach state of the art, an vielen Orten geführt, natürlich und zum Glück auch rund um den Klima-Campus hier in Hamburg. Das ist die Kür, zu der auch die Pflicht gehört. Und die besteht darin, dass wir sehr ernsthaft mit den Bewohnern unserer Stadt und Region im Gespräch sind mit der Wirtschaft, den Verbänden, den Bürgerinnen und Bürgern. Denn am Ende sind die es, denen unsere Energie- und Klimapolitik einleuchten und denen sie nützen soll.

Es gilt also, im allseitigen Interesse den gelegentlich aufflackernden Katastrophendiskurs zu vermeiden und sich immer aufs Neue zu vergewissern, welche belastbaren Erkenntnisse vorliegen und was zu tun ist.

Wobei mir übrigens klar ist, dass manche eben bei dem Wort wir gedacht haben: Vorsicht! Wir sind die Wissenschaftler und als solche sind wir keine Stichwortgeber für die Politik. Das sehe ich auch so. Andererseits will und soll sich die Politik natürlich auf das beziehen, was ihr die Wissenschaft mit  freundlichen Grüßen manchmal auch mit warnend erhobenem Zeigefinger vorlegt. Das ist ein ganz normales Spannungsverhältnis.

Dass die Wissenschaft ein polyphoner Chor ist, und dass man sich als Zuhörer auch auf Dissonanzen gefasst machen muss, ist beinahe zu selbstverständlich, als dass ich es erwähnen sollte, aber ich will damit signalisieren, dass ich unter den heutigen Gästen Vertreter durchaus unterschiedlicher Thesen entdecke, die es ja auch in den Klimawissenschaften gibt.

Dürfen wir uns als Politiker, die sich auf der Bundesebene wie auch hier in Hamburg mit der Energiewende befassen, um das Wort endlich auszusprechen dürfen wir behaupten, aus den Vorlagen der Wissenschaft und den Ansprüchen und berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger einige richtige Ziele herausgefiltert zu haben, die wir auch erreichen können? Ich hoffe es und leugne nicht, dass es ein ungeahnt schmaler und steiniger Pfad ist, der zu einer sicheren, bezahlbaren und emissionsarmen Energieversorgung Deutschlands auch und gerade nach dem Atom-Ausstiegsbeschluss führt.

Dass sich eine frühere Bundesregierung schon einmal mit der Energiewirtschaft auf einen solchen Weg geeinigt hatte, der dann aber bald wieder zum angeblich falschen erklärt wurde, hat uns nicht gerade Zeit gewinnen lassen. Wieder freigeschaufelt wurde er unter dem Eindruck der Naturkatastrophe von Fukushima und ihrer verheerenden Folgen. Das hatte, sagen wir es ehrlich, nicht sofort etwas mit Klimaschutz zu tun, sondern war dadurch motiviert, dass die künftig wegfallende Strommenge umwelt- und sozialverträglich substituiert werden musste, ohne Wachstumsverlust.

Im Gegenteil: Welche Wachstumsimpulse ließen sich durch eine richtig angefasste Energiewende auslösen und wie könnte man klimapolitische Anstrengungen lohnender machen, Ziele sogar eher erreichen? Namentlich dadurch, dass man entschieden auf den Ausbau und wirklichen Durchbruch der regenerativ gewonnenen Energie setzt? Schnell stand die Frage im Raum, und dreieinhalb Jahre später haben Sie, Professor Graßl, im klimaretter.info folgendes gesagt:

Aus diesem Grund ist die zum Teil schon realisierte Energiewende in Deutschland das globale Pilotprojekt schlechthin.

Zwischenfrage: aus welchem Grund? Weil, so Ihre Herleitung, Zitat, die Schwellenländer und vor allem die Entwicklungsländer Nachholbedarf beim materiellen Wohlstand und oft auch beim Wohlbefinden haben, wird der weltweite Energiebedarf weiter zunehmen. Bei fehlender Energiewende ist dann mit stark steigenden Emissionen zu rechnen. Nur wenn viele Länder eine Energiewende einleiten, kann trotz Energiehunger und steigender Weltbevölkerung noch Klimapolitik betrieben werden.

Meine Damen und Herren,
das leuchtet nicht nur ein, sondern spornt auch an, denn wer wäre nicht gern durch die Mitarbeit an einem Pilotprojekt geadelt, dem globale Bedeutung zukommt? Wobei diese Art zu denken, bei aller hanseatischen Bescheidenheit, hier in Hamburg beim Thema Klimaschutz schon Tradition hat. Eigene Anstrengungen hat die Stadt frühzeitig unternommen, ich erinnere nur an das 24-Punkte-Programm des Senats aus dem Jahr 1990 mit dem Titel Hamburgs Beitrag zur Verminderung der Klimagefahren. Da war Prof. Graßl, unter anderem, schon Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie hier in Hamburg und natürlich hatte das miteinander zu tun, denn als einer der Pioniere einer wissenschaftlichen, öffentlichen, schnell auch politisch werdenden Diskussion über den Klimawandel haben Sie schon damals viele sehr beeindruckt und zur Beschäftigung mit dem komplexen Thema angeregt.

Seitdem hat jenes Institut, zusammen mit anderen Forschungseinrichtungen, unsere Stadt rund um den jetzigen KlimaCampus zu einem anerkannten Zentrum der Forschung und der Weitergabe verfügbaren Wissens  gemacht.

Aber zurück zu dem Zitat eben. Dass unsere Verantwortung in umtriebigen westlichen Industrieländern und zwar besonders als große Städte , dass die in erster Linie darin liegt, dass wir gute technologische Lösungen entwickeln und bezahlbar machen, so dass Verbrauchs- und Emissionsminderungsschritte auf Grund ihrer sichtbaren wirtschaftlichen Attraktivität weltweit Anwendung finden, das hat mir Prof. Graßls Hamburger Kollege Hans von Storch schon an Bord eines Transatlantikfliegers erläutert. In Reden und Schriften Hamburger Umweltsenatoren aus den 1980er und 90er Jahren finden Sie ähnliche Gedanken: Verantwortung für unsere Verbräuche und Emissionen in den Industrieländern, die hoch sind und doch, gemessen an Produktivität und Energieeffizienz, niedriger sind als in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Dass wir solchen Ländern, in denen ein hohes Steigerungspotenzial der Energienachfrage liegt, keinerlei Moralpredigten halten können, wohl aber Beispiele für technischen Fortschritt, für klimafreundliche Erzeugung und geglücktes Ausnutzen von Einsparpotenzialen geben.

Und dazu passt sehr gut auch dieses Zitat von Prof. Grassl: Die Erfolge einzelner Industrieländer, ihre Emissionen längerfristig zu mindern, fallen in Abschnitte mit Wirtschaftswachstum. Ein Wort, das mir als Anhänger ingenieursgetriebenen Umweltschutzes, auf dessen Modernisierungs- und Klimaschutzpotenzial er setzt, aus dem Herzen spricht.

Für Hamburg wird in den kommenden Jahren erst recht der Klimaschutz eine wichtige politische Säule sein. Bei Sanierungen und Neubauten werden wir verstärkt auch auf energetische Bauweise achten.

Meine Damen und Herren,  
die Klimawissenschaften sind für Hamburg natürlich nicht zuletzt deshalb wichtig, weil die Stadt den Ehrgeiz hat, als Wissenschaftsstandort exzellent zu sein. Neben der Strukturforschung und den life sciences sind die Klimawissenschaften einer der ausgesprochenen Schwerpunkte.

Darüber muss ich Ihnen hier nichts erzählen. Der rund 20.000 qm großen Neubau am Campus Bundesstraße, in direkter Nachbarschaft des Geomatikums, wird unserem KlimaCampus auch ein räumliches, sichtbares Ausrufezeichen geben. Allein dafür gibt Hamburg gut angelegte 177 Millionen Euro aus. Und wir engagieren uns dafür, dass auch die künftigen, Daten bedarfsgenau aufbereitenden Großrechner des Deutschen Klima-Rechen-Zentrums (DKRZ) in Hamburg stehen. Wo wären sie besser untergebracht?

Meine Damen und Herren,
kein Pappenstiel, diese Redensart soll auf die lateinisch-niederdeutsche Bezeichnung der Pusteblume zurückgehen, genauer gesagt auf den Pappus Herr Flasbarth kennt sich aus und weiß, wovon ich rede des Löwenzahns. Das ist eine völlig zu Unrecht missachtete, schöne, in unserer Tiefebene sehr verbreitete gelbe Blume. So lange sie bei uns gedeiht, wird es der Region klimatisch und auch sonst gut gehen.

Ob diese Behauptung wissenschaftlicher Analyse standhält, werden meine Nachredner besser beurteilen können. Meinen Dank an Sie, Herr Professor Graßl, und den herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Geburtstag, den ich hiermit ausrichte,  verbinde ich mit dem Wunsch, dass Sie der Klima- und ebenso Naturschutzdiskussion in unserer Region weiterhin kräftige Farbe geben.

 

Vielen Dank.  
 

Es gilt das gesprochene Wort.