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07.10.2011

Grußwort zum Festakt: 175 Jahre Hamburger und Germania Ruder Club

 

Sehr geehrter Herr Spamann,

sehr geehrter Mr Williams,

sehr geehrter Herr Kaidel,

sehr geehrter Herr Warner,

sehr geehrter Herr Dr. Voscherau,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

 

Die klassische Royal Henley Regatta, die ab und zu französische, amerikanische und holländische Mannschaften bei sich gesehen hat, weiß von deutschen seit 1886 nichts zu berichten.

 

Dies beklagt die Zeitschrift Sport im Bild gegen Ende des 19. Jahrhunderts, aber sie sieht einen Silberstreif am Horizont:


Es trat eine Wandlung ein, als im Jahre 1894 der ´Thames Rowing Club´ nach Hamburg kam, als sich ihm Hamburger, Berliner, Kieler, Stettiner stellen mussten, und als diesen allen das oft erträumte Glück blühte, Leute wie Muttlebury, Clark, Gardner hinter sich zu  lassen. Damals hoffte man, der englische Besuch würde bald erwidert werden, speziell Hamburg, das in diesen Jahren über gute Vierer und Achter verfügte und örtlich am günstigsten gelegen war, würde es sich nicht nehmen lassen, die deutsche Vertretung in England zu übernehmen.


Zitatende. Es müssen aber noch zu viele Bedenkenträger das Alsterufer umsäumt haben, denn es waren zwei Ruderclubs aus Berlin mit englischen Trainern, die es tatsächlich wagten, in Henley zu starten. Aber ich bin sicher, dass 1894 auch Mitglieder des Hamburger Ruder Clubs oder der Germania, sie fusionierten ja erst später dass Vereinsmitglieder mit im Boot waren, als es galt, sich mit Muttlebury, Clark und Gardner zu messen.


Sie sehen, Mr. Williams, wie das Verhältnis zwischen unseren beiden Ländern schon vor mehr als hundert Jahren auch und nicht zuletzt durch sportliche Konkurrenz geprägt war. Und ist es nicht interessant, wie die Sprache des Sportjournalismus der heutigen schon ähnelte?


Der Hamburger und Germania Ruder Club geht auf das Jahr 1836 zurück, also eine Zeit lange vor dem zitierten Artikel. Wir wissen, auch wenn wir nicht dabei waren, dass gerade das aufregende Zeiten gewesen sind aufregend nicht immer im bekömmlichen Sinn für den Michel nach dem März, wie ihn Heinrich Heine genannt hat. Für ihn war in Deutschland damals kein Platz. Voll Bitterkeit dichtete er im französischen Exil:

Schon sah ich den Arndt, den Vater Jahn

Die Helden aus andern Zeiten

Aus ihren Gräbern wieder nahn

Und für den Kaiser streiten.


Die Burschenschaftler allesamt

Aus meinen Jünglingsjahren,

Die für den Kaiser sich entflammt,

Wenn Sie betrunken waren.

 

Mit dem Kaiser war noch nicht Wilhelm der I. oder der II. gemeint, aber für genau die beiden haben sich Vater Jahns Jünger dann besonders entflammt. Sie gelten ja in Deutschland Vielen als die Gründerväter dessen, was wir heute Sport nennen. Sie waren es nicht wirklich, denn der harte, aber faire Wettkampf auf dem Wasser, auf dem Tennis- oder später auf dem Fußballplatz, mit seinem kosmopolitischen Charakter, bei dem gerade die ausländischen Sportler bewundert und als Vorbilder betrachtet wurden, den hatte die  Deutsche Turnerschaft zu der Zeit nicht im Sinn.


Hatten ihn die elf hanseatischen Kaufleute im Sinn, allesamt Männer, die 1836 den Hamburger Ruder Club gründeten? Aus der Vereinschronik kann man es herauslesen: Der Ruderclub ist ein geselliger Verein, so zitiert sie aus dem Gründungsdokument, dessen Hauptzweck gemeinschaftliche Ruderübungen sind. Und sie fährt fort: Bereits im ersten Jahr kommt es zu sportlichem Wettkampf mit den in Hamburg ansässigen englischen Ruderern. 1844 findet auf der Alster unter dem Jubel tausender Zuschauer die erste Regatta in Deutschland statt.


Das war bereits eindeutig Sport und insofern etwas anderes als Leibesübungen mit vormilitärischem Charakter. Und es gab jubelnde Zuschauer, obwohl es doch völlig zweckfrei nur um die Frage ging, ob die einen oder die anderen schneller rudern konnten. Oder gerade deshalb?


Auch wenn wir nicht wissen, wie demokratisch der Achter und wie monarchistisch der Vierer gesinnt war, steht fest: Im 19. Jahrhundert gab es mindestens diese beiden Auffassungen vom Zweck gemeinschaftlicher Übungen, die sportliche und die vaterländische. Es hat sich dann noch weiter aufgespalten.


Der Hamburger Ruder Club war der erste in Deutschland und der zweite weltweit. Einen gab es schon, natürlich in Henley-on-Thames, wo sonst? Den hatten Gentlemen gegründet.


Sporthistorisch gehört das Rudern zu den Gentlemen-Sportarten. Das ist jetzt keine Anspielung auf die Abwesenheit von Ladies im Mitgliederverzeichnis des Hamburger und Germania Ruderclubs, die ja bis heute andauert und auf die Herr Spamann schon angespielt hat. Nein, sondern ich spiele auf die unterschiedlichen sozialen und gleichzeitig kulturellen Hintergründe an, die natürlich auch ihre Rolle spielten.   


Also, auf der einen Seite turnten die anfangs revolutionären, später kaisertreuen Jahn-Jünger, auf der anderen legten sich die Ruderer in die Riemen, die ihren Sport zwar zum Teil mit dem Germania-Adler auf der Brust, aber doch ohne offensichtlichen Zweck ausübten. Eben nur als Sport, zum Vergnügen in der Freizeit. Was war das überhaupt, Freizeit? Wer hatte die? Der weitaus größte Teil der arbeitenden Bevölkerung bestimmt nicht.


Im 19. Jahrhundert war Rudern ein Elitesport für Menschen aus den höheren Gesellschaftsschichten, schreibt denn auch Michael Seufert, der Historiker Ihres Vereins. Ähnliches galt damals für Tennis oder Pferdesport. Da war viel Raum für Misstrauen und Verdächtigungen.


Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam die Sache dann richtig in Bewegung. Zum einen spaltete sich der sozialdemokratisch orientierte Arbeiter-Turnerbund von der Deutschen Turnerschaft ab dem Proletariat gefielen weder die nationalistischen Töne noch das, Zitat, blöde Anhimmeln von Sportskanonen.


Denn inzwischen hatten weitere Gentlemen das Feld betreten, genauer gesagt: sie suchten überall nach freien Flächen, die sich zum Abstecken rechteckiger Felder eigneten. Dort trieben sie einen mal eiförmigen, mal runden Ball vor sich her, den britische Kaufmannssöhne von der Insel mitgebracht hatten. Oder hamburgische Kaufmannsöhne, deren Väter sie zum Praktikum nach London geschickt hatten.


Fußlümmelei oder englische Krankheit, nannten das erschrockene Bürger und manche Turnlehrer nicht alle, denn manche erkannten das Potenzial, das der neuen Bewegung innewohnte, und förderten den Fußballsport aktiv. Der wurde in England schon von Profis betrieben und entwickelte sich nach dem 1. Weltkrieg auch in Deutschland zum Massen- und Zuschauersport. Zu Fußballspielen, auch Boxkämpfen kamen bereits Zigtausende und es gab die ersten Zigaretten-Sammelbilder berühmter Sportler.


Die ideologisch bedingte Mehrfachspaltung aber war für lange Zeit festgeschrieben: in Turner, Sportler, Arbeiterturner und sportler, konfessionell orientierte Turn- und Sportverbände, Betriebssportler. Noch in den 1920er Jahren bekämpfte man sich gegenseitig mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen und indem man die Turnhallenschlüssel nicht herausrückte.


Und die Rudersportler? Die Gentlemen? Sie haben sich in erstaunlicher Weise über viele Jahrzehnte aus den Querelen heraushalten können. Vielleicht waren es die Wasserflächen, die natürliche Weite der Alster unter blauem oder auch grauem Himmel, auf denen die Freiheit wohl grenzenlos sein musste. Nicht mal Eckfahnen gab es da, von abgekreideten Strafräumen ganz zu schweigen.


Und übrigens: Sich mit Hilfe der eigenen Muskelkraft auf dem Wasser fortzubewegen oder, in früheren Zeiten, der Muskelkraft von Galeerensklaven , das war ja auch etwas Archaisches, dem Menschen oder jedenfalls dem Manne Innewohnendes, bei dessen Ausübung er weder an Verbandspolitik denken mochte noch gar an Politik überhaupt.


Nicht verschweigen darf man, dass es 1933 vorbei war mit dem Gegeneinander und dem Miteinander im Sport in Deutschland, weil die neuen Machthaber auch den Sport zentralisierten und gleichschalteten. Und dass dem auch die Ruderer nicht mehr auf einem eigenen Kurs davonrudern konnten.


Meine Damen und Herren,

 

 

in der Geschichte Ihres Vereins, des Hamburger und Germania Ruder Clubs, spiegeln sich das ist wirklich nicht übertrieben 175 Jahre deutscher und hamburgischer Geschichte. Ich bin sicher, dass Sie in Dr. Voscheraus Festvortrag sehr viel mehr und Detaillierteres darüber hören werden.


Ich wünsche dem Hamburger und Germania Ruder Club weitere 175 Jahre mindestens und immer genug Gentlemen im Achter. Vielleicht ja eines Tages auch Ladies.


Vielen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort