Sehr geehrte Frau Dr. Melzer,
sehr geehrter Herr Boe,
sehr geehrter Herr Professor Kopitzsch,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
zum 350-jährigen Stadtjubiläum darf ich den Altonaerinnen und Altonaern aus dem Hamburger Rathaus die Glückwünsche des Senats überbringen. Das tue ich als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.
Nur eine Fußnote, auf die ich aber stolz bin, ist: dass ich damit auch meiner Frau und mir selbst gratulieren kann, denn wir sind mit großer Überzeugung Altonaer, zwei von mehr als einer Viertelmillion, und ich habe den Wahlkreis Hamburg-Altona gern und jahrelang im Deutschen Bundestag vertreten.
Glückwünsche aus Hamburg In früheren, salbungsvolleren Zeiten hätte man gesagt: Der Senat bekräftigt seine tiefe Verbundenheit mit der Bevölkerung Altonas. Nun ist diese Verbundenheit bei uns ja sichtbar und auf allen Stadtplänen verzeichnet, in Form der Verbindungsbahn und einer gleichnamigen Straße.
Wer als Auswärtiger der Bedeutung dieser Verkehrstrassen nachspürt, ist mitten drin: erstens in der gemeinsamen Geschichte Hamburgs und Altonas; zweitens in der gemeinsamen Zukunft, denn die Bahntrasse führt über ein derzeit brachliegendes Gelände, auf dem eine neue Mitte Altona, ein neues Wohnquartier nach dem Stand der Städtebaukunst im Werden ist. Dort, wo jetzt bizarre Gerippe von Lokschuppen und anderen, einst nützlichen Gebäuden von Altonas und Hamburgs Dampflokzeit künden.
Zurück geht all das auf Christian den VIII. Der König eröffnete 1844 die erste Eisenbahn im dänischen Gesamtstaat; sie führte von Kiel nach Altona, nicht nach Hamburg, das ja hinter dem Ochsenzoll lag, von Kopenhagen aus gesehen. Sie hat Altonas wirtschaftliches Gedeihen wesentlich befördert.
Zwanzig Jahre später war es bereits eine planerische und verkehrstechnische Herausforderung, die erwähnte Verbindungsbahn zwischen Altona und dem Hamburger Klosterthor zu bauen, weil dort eigentlich kein Platz für dergleichen mehr war, denn beide Städte waren gewachsen und hatten sich ausgebreitet. Ingenieurskunst und Beharrlichkeit haben es hinbekommen. Weitere 140 Jahre später ist klar, dass ein weiterer großer Umbau nötig ist, dass sogar der Altonaer Fernbahnhof nach Norden verlegt wird, um unserer zusammenwachsenden Stadt diesen neuen Entfaltungsraum zu geben, und 3.500 Wohnungen zu bauen in einem beispielhaft zukunftsfähigen Quartier.
Sie sehen, meine Damen und Herren,
wenn es um Altona geht, stellt sich die Frage überhaupt nicht, ob man seine Grußadresse historisch oder auf die Gegenwart oder Zukunft bezogen beginnt. Hier hängt unweigerlich alles drei immer zusammen, weil immer alles in Bewegung ist. Weil die Wachstumsdynamik Hamburgs, und gleichzeitig der Eigensinn seiner Bürgerinnen und Bürger kaum irgendwo so gut zu besichtigen ist wie in Altona.
Ohne Zweifel sind 350 Jahre Stadtgeschichte, und noch einmal 130 Jahre obendrauf seit der ersten Erwähnung des Gasthofs Lohe an der Pepermölenbek im Jahre 1535, ein großer Reiz, an viele historische Begebenheiten anzuknüpfen. Das werden heute Berufenere tun, wie Prof. Franklin Kopitzsch, der gemeinsam mit seinen Mitstreitern schon seit dem Frühjahr in einer Ringvorlesung im Altonaer Museum viele Aspekte der Altonaer Geschichte behandelt hat.
Dennoch erlaube ich mir, auf vier Themen aus der Geschichte Altonas und Hamburgs kurze Spotlights zu setzen:
Erstens: Noch zur Zeit der Schauenburger Grafen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts beantragte der Hamburger Rat beim Reichskammergericht damals noch in Speyer den Abriss des kleinen Fleckens Altona an seiner westlichen Stadtgrenze; sah der sogenannte Freibrief von Kaiser Barbarossa von 1189 doch vor, dass zwei Meilen rund um Hamburg keine andere Siedlung entstehen durfte. Zu unser aller Glück wies das Gericht die Klage ab und verpflichtete im Gegenzug Hamburg, auf dem Hamburger Berg seinerseits Gebäude abzureißen.
Zweitens: Noch vor Verleihung des Stadtrechts bot der König in den 1650er Jahren den Hamburgern Altona und die gesamte Herrschaft Pinneberg mehrfach zum Kauf für 300.000 Taler an. Der Rat, also der damalige Senat, wollte dieses Schnäppchen gern annehmen, aber die Bürgerschaft stellte sich quer und eine solche Chance sollte nach 1664 nicht wiederkommen. Wer weiß, wozu es gut war: Ohne das damalige Veto hätte Matthäus Friedrich Chemnitz, an den jetzt ein Grabstein auf dem ehemaligen Friedhof Norderreihe an der Wohlers Allee in Altona erinnert, niemals den Text Schleswig-Holstein, meerumschlungen geschrieben. Und der genannte Straßenzug wäre bei Länderspielen Dänemark gegen Deutschland nicht mit dem (Dännebrou) Danebrog beflaggt. Beides wäre doch schade.
Drittens: Altona hat starke Persönlichkeiten mit großer Ausstrahlung nach Kopenhagen und nach Hamburg hervorgebracht, aber auch nach ganz Deutschland und Europa. Darunter
- den Grafen Reventlow, der nach dem Schwedenbrand 1713 den Wiederaufbau Altonas in Angriff nahm,
- den Arzt Friedrich Struensee 50 Jahre später, inzwischen Hauptfigur eines Kinofilms;
- den Baumeister der Palmaille und der weißen Herrenhäuser, Christian Frederik Hansen,
- oder den Oberpräsidenten Graf Blücher-Altona, der die Stadt durch die Wirren der napoleonischen Zeit gesteuert hat.
Lassen Sie mich aber vor allem Max Brauer nennen, unseren Hamburger Bürgermeister aus den Wiederaufbaujahren, der von 1924 bis 1933 als Oberbürgermeister hier im preußischen Altona mit den Senatoren Gustav Oelsner, August Kirch und Hans Ebert, aber auch mit der Leiterin des Wohlfahrtsamtes und Reichstagsabgeordneten Louise Schroeder das Neue Altona der Weimarer Republik geprägt hat.
Dieser endlos verdienstvolle und kluge Mann musste sich im März 1933 unter Lebensgefahr vor den Nazis mit dem Pass eines Freundes nach Österreich, Frankreich und in die USA in Sicherheit bringen. Und übrigens, um allen ehemaligen Gerüchten und alten Anfeindungen nochmals entgegenzutreten: Die Stadtkasse hat er damals nicht mitgenommen.
Der Wiederaufbau war eine große Leistung. Dabei mussten Infrastruktur und Wohnraum nach dem Motto schnell und kostengünstig aus dem Boden gestampft werden, mit Ergebnissen, die nicht alle schon in das 21. Jahrhundert wiesen.
Dies gilt ausdrücklich nicht für das von Ernst May, dem Chefplaner der Neuen Heimat, 1955 konzipierte Neu-Altona, die grüne Mitte zwischen dem Friedhof Norderreihe und dem Fischmarkt. Hier hat man, statt die enge Vorkriegsbebauung wieder zu errichten, etwas Neues und Gutes geschaffen: mit so genannten Punkt-Häusern und Zeilenbauten in Backstein am Rande eines Grünzuges für die Altonaer, der mit Hallen- und Freibad, Abenteuerspielplatz und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche später ergänzt worden ist.
Punkthäuser nennt man Wohngebäude mit innerem Erschließungskern und außen liegenden Wohnungen, was man ja in gewisser Weise auf das ganze Neu-Altona übertragen kann, nur dass der grüne Erschließungskern seitdem auch neue und bessere Stadtluft spendet.
In den 1970er Jahren und das ist mein vierter Blick zurück hat Altona von manchem heute eher Kopfschütteln erzeugendem Plan Abstand genommen.
- Die City West mit Hochstraßen, Bürotürmen im Osterkirchenviertel und flächendeckender Kahlschlagsanierung kam nicht. Stattdessen ist seitdem eine behutsame, aber kraftvolle Stadterneuerung erst in Ottensen und dann auch in Altona-Altstadt gelungen. Nicht von ungefähr haben sich hier begehrte Wohn-, Einkaufs- und Freizeitlagen ausgebreitet.
- Die Häuser an der Rainville- und der Klopstockterrasse stehen noch, die damalige Neue Heimat biss ihrerzeit in der Bezirksversammlung und dann auch beim Senat auf Granit.
- Der Erhalt der Parks an der Elbe und der Herrenhäuser am Hohen Elbufer sowie der grünen Feldmarken im Nordwesten machen den Wandel in der Stadtentwicklungspolitik deutlich. Und das alles mit kräftiger Einmischung der Bürger und der Kommunal-politiker, die auch laut und energisch sein kann. In jüngster Zeit hat das beherzte Engagement der Altonaer für den Erhalt ihres Museums im Jahr 2010 gezeigt, dass die Energie noch da ist.
Viele Beispiele zeigen: Altona als westlicher Bezirk Hamburgs gestaltet die Gegenwart und Zukunft unseres Gemeinwesens kräftig mit zum Vorteil der Gesamtstadt.
Das betrifft
- die Perlenkette am Hafenrand von Neumühlen über den zweiten Kreuzfahrtterminal bis zur Szene rund um die Große Elbstraße;
- die vorhin erwähnte Neue Mitte Altona mit der Verlegung des Fernbahnhofs nach Norden;
- überhaupt den Wohnungsbau mit den beiden großen Altonaer Wohnungsbaugenossen-schaften und der SAGA also der 1922 von Max Brauer gegründeten Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona sowie den vielen privaten Investoren;
- und ganz aktuell die Ansiedlung des ersten Ikea-Möbelhauses mitten in der Stadt bei einer mehrheitlichen Zustimmung der Altonaer in einem Bürgerbegehren.
Nicht zu schweigen, sondern mindestens zu flüstern vom Lärmschutz-Deckel auf der A 7 in Bahrenfeld.
Sådan, meine Damen und Herren,
wie wir sehen, braucht Altona keinen starken preußischen Staat mehr im Rücken, auf den sich Max Brauer 1924 noch verlassen wollte. Aber ganz in seinem Sinne nach wie vor eine herrliche Verfassung so hat er die von Weimar genannt mit dem Grundgesetz und der Hamburger Verfassung samt ihrer direkten Bürgerbeteiligung; und nicht zu vergessen einen Hamburger Senat, der den Bezirken im Allgemeinen und Altona im Speziellen Raum lässt für die Entfaltung besonderen Engagements in den Quartieren.
Ich gratuliere noch einmal herzlich zum Stadtjubiläum und zähle weiterhin auf ein starkes, lebendiges, selbstbewusstes und vor allem lebenswertes Altona. Vielen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.