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14.11.2014

Grußwort zum Jahresessen des Waren-Vereins der Hamburger Börse

 

Sehr geehrter Herr Haas-Rickertsen, 

sehr geehrte Damen und Herren, 

 

ich freue mich, dass ich dieses Jahr Ihrer Einladung folgen konnte und zu Ihnen sprechen darf. Wenn der traditionsreiche Waren-Verein der Hamburger Börse den Ersten Bürgermeister einlädt, muss sich seine Rede selbstverständlich mit dem Welthandel und dem Standort Hamburg als Drehscheibe des Warenverkehrs in der nördlichen Hemisphäre beschäftigen. 

 

Denn der Verein ist ja nicht nur für sein Handelsschiedsgericht bekannt, das seit über hundert Jahren besteht und hohes internationales Ansehen genießt. Ein Ansehen, das vermutlich schwer zu erwerben war und immer von Neuem den Elchtest nein, den kalifornischen Mandeltest bestehen muss. Gerade im Agrarbereich kommt es ja leicht zu schwer wiegenden Interessenkonflikten, wenn Marktpreise und zuvor geschlossene Verträge auseinanderklaffen, weil die Ernte ganz anders ausgefallen ist als vorausgeahnt. Dann ist gerade Ihr Schiedsgericht gefragt, zum Beispiel vor Jahren bei den kalifornischen Mandeln, und in vielen anderen Fällen. Und von deren Ausgang hängt oft das bessere oder schlechtere Leben von Händlern und Landarbeitern ab.  

 

Manchen ist auch Ihr früherer Name erinnerlich: Verein zur Förderung des hamburgischen Handels mit Kolonialwaaren (sic), getrockneten Früchten und Drogen. Der musste aus naheliegenden Gründen schon vor Jahrzehnten geändert werden. Geblieben sind aber die Aufgaben des heutigen Waren-Vereins der Hamburger Börse als Bundesverband des Außen- und Großhandels mit Konserven, Tiefkühlprodukten, Trockenfrüchten, Honig und etlichen verwandten Erzeugnissen.

 

Vieles von dem, was durch Hamburgs Hafen geht, regt unmittelbar den Appetit an. Aber weit darüber hinaus ist Hamburg ist ein globales Zentrum des Außenhandels. Seit Jahrhunderten sind Hamburger Kaufleute auf allen Kontinenten erfolgreich tätig und haben dadurch die Grundlagen für den heutigen Wohlstand gelegt nicht nur unserer Stadt, sondern für den Norden insgesamt. Das hatte und hat weitreichende Folgen, weit über unsere Landesgrenzen hinaus. 

 

Anders ausgedrückt, ich zitiere: Das Streben nach Handelsverkehr eint die Nationen, besänftigt Kriege, stärkt den Frieden und verwandelt das private Eigentum von Individuen in allgemeinen Wohlstand.  

 

Ich bin von dieser Aussage auch deswegen so angetan, weil sie schon etwas älter ist: Tatsächlich war es der mittelalterliche Theologe Hugo von Sankt Viktor, der bereits im frühen 12. Jahrhundert seine Erkenntnis formulierte, die viele blutige Auseinandersetzungen hätte verhindern können, wenn sie denn Mehrheitsmeinung geworden wäre. 

 

Der Waren-Verein der Hamburger Börse steht in dieser Tradition des Welthandels. In vielen Sektoren kommt Hamburg und der Metropolregion auch dank der Mitglieder des Waren-Vereins bis heute eine zentrale Rolle auf dem Weltmarkt zu. Dies gilt gleichermaßen für Import, Export und Transithandel wie auch für die in den vergangenen drei Jahrzehnten immer bedeutender gewordenen internationalen Streckengeschäfte. 

 

Der Import von Agrarprodukten und Lebensmitteln zur Belieferung der deutschen und europäischen Industrie ist bis heute ein Kerngeschäft am hiesigen Standort geblieben. Die Wirtschaftsgüter werden eben nicht einfach nur durch den Hafen durchbewegt, sondern hier häufig über Monate, teils auch über Jahre gelagert, gepflegt, bearbeitet und verarbeitet. Haselnüsse aus der Türkei, Pistazien aus dem Iran oder Mandarinen aus China sind wichtige Importgüter, die nicht nur bei den hier ansässigen Handelsunternehmen direkt Wertschöpfung generieren, sondern Basis für das Geschäft zahlreicher anderer Branchen sind. 

 

Eine wesentliche Stärke des hiesigen Standorts ist die Vernetzung mit unterschiedlichsten Branchen, die für erfolgreiche internationale Geschäfte unverzichtbar sind. Dies erfasst vor allem die Transport-, Logistik- und Finanzwirtschaft bis hin zu global vernetzten Anwaltskanzleien und auf Besonderheiten des Außenhandels hin spezialisierte IT-Dienstleister. 

 

Neudeutsch kann hier von einem einzigartigen Wissens- und Kompetenz-Cluster für Außenhandel gesprochen werden, das in Hamburg entstanden ist. Der Container-Umschlag ist eine essenzielle Facette, aber eben nur ein Baustein für einen Außenhandelsplatz mit globaler Bedeutung. Wobei ich hier nur kurz anmerken möchte: Ich habe den Aussetzungsbeschluss des Bundesverwaltungs-gerichts zur Fahrrinnenanpassung der Elbe, und die Stellungnahme des Generalanwalts zum Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, jeweils gelesen. Ich bin optimistisch.

 

Meine Damen und Herren, 

der Hamburger Hafen steht für eine einzigartige Erfolgsgeschichte und wirtschaftliche Prosperität mit Strahlkraft in den ganzen Norden. Mehr als 19.000 Unternehmen mit rund 212.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind in Norddeutschland im Groß- und Außenhandel tätig und setzen hier rund 239 Milliarden Euro pro Jahr um. Allein die Mitglieder des Warenvereins stehen mittlerweile für eine Gesamteinfuhr von mehreren Milliarden Euro. 

 

Ein Hafen wie in Hamburg, der ja nicht nur ein Hafen für Norddeutschland ist, sondern auch ein Hafen für Bayern, Baden-Württemberg oder Österreich, und die Länder Mittel- und Osteuropas, benötigt eine entsprechende Hinterlandanbindung. Das beginnt direkt am Hafen und setzt sich im Umland fort bis hin in Richtung der festen Fehmarnbeltquerung. Allein für die Modernisierung der Hafenbahn geben wir dreistellige Millionenbeträge aus. Ganz zentral sind aber die Maßnahmen zum weiteren Ausbau des Eisenbahnknotens Hamburg im Zuge des Bundesverkehrswegeplanes. 

Im Vergleich zu anderen Handelszentren in Europa besitzt der Außenwirtschaftsplatz Hamburg eine in dieser Vielfalt und Dichte einmalige Infrastruktur. Sämtliche Informationen, Transaktionen und Dienstleistungen werden angeboten, die zum Auf- und Ausbau sowie zur Abwicklung und Pflege eines erfolgreichen Auslandgeschäfts notwendig sind. 

 

So offerieren die in Hamburg ansässigen sechs bundesweit aktiven Ländervereine als regionale Außenwirtschaftsverbände ihren Mitgliedern ein breites Spektrum von Serviceleistungen und vermitteln zum Beispiel Experten, Kontakte oder fördern den Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen. Ich spreche hier vom Afrika-Verein, dem Australien-Neuseeland-Verein, dem Ibero-Amerika-Verein, dem Nah- und Mittelost-Verein, dem Ostasiatischen Verein und dem Ost- und Mitteleuropa-Verein. 

 

Mit dem German Institute of Global and Area Studies und seinen vier Regionalinstituten, den Instituten für Afrika-Kunde, Asienkunde, Iberoamerika-Kunde sowie dem Deutschen Orientinstitut und seit 2014 der EU-Lateinamerika-Stiftung verfügt Hamburg über weltweit einzigartige Einrichtungen. Ihre Aufgaben nehmen diese Institute sehr engagiert wahr und veröffentlichen regelmäßig für den Außenhandel wichtige Informationen über aktuelle ökonomische, soziale und politische Verhältnisse in den Ländern. 

 

Diese Außenwirtschaftskompetenz, meine Damen und Herren, verkörpert nicht zuletzt der Waren-Verein der Hamburger Börse e.V. Er ist auch hierzulande sichtbar und engagiert in zahlreichen Aktionen im Arbeitskreis Bio etwa und dem Aktionsforum Glasverpackung des Waren-Vereins, um nur zwei Beispiele zu nennen. 

Genauso betrachte ich das Schiedsgericht des Waren-Vereins Institution mit inzwischen 114-jähriger erfolgreicher Geschichte. 

 

Für seine bundesweit rund 150 Mitglieder ist der Waren-Verein vor allem ein wichtiger Akteur in Brüssel und Berlin und damit eine zentrale Stimme für die politischen Anliegen und Interessen des Außenhandels. Dabei treten Ihre Repräsentanten entschieden für die Freiheit des Handels in aller Welt ein und wenden sich engagiert gegen die Diskriminierung von Drittländern durch die EU. Und sie formulieren, wo es nötig erscheint, als wichtige Stimme aus der Wirtschaft deutliche Kritik an der EU-Politik. 

 

Meine Damen und Herren, 

unser grundsätzlicher Einsatz für Freihandel wird ergänzt durch unsere spezifisch Hamburgische Sichtweise und eine Politik, mit der wir uns weltweit für den Standort Hamburg und seine Unternehmen einsetzen. 

 

Dafür haben wir als Stadtstaat, als eines der 16 Länder, hervorragende Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten nutzen wir auch. 

 

So haben wir im vorigen Jahr mit dafür gesorgt, dass das Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit Zentralamerika ebenso eine Mehrheit im Bundesrat erhielt wie das Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru. Denn wir sind überzeugt davon, dass der weltweite Handel und entsprechende Abkommen, die ihn fördern, gut für alle Beteiligten sind. 

 

Wie Sie wissen, wird derzeit ein weiteres geplantes Abkommen der Europäischen Union intensiv diskutiert: TTIP. Diese Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten sorgt für so viel Aufmerksamkeit wie lange kein Vorhaben. 

 

Manche befürchten nicht viel weniger als den Untergang des Abendlandes, während andere dem Abkommen geradezu magische Fähigkeiten in Sachen Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzschaffung zuschreiben. Erstaunlich ist, mit welcher Leidenschaft und Selbstsicherheit beide Seiten ihre Positionen vertreten, obwohl die genauen Inhalte noch gar nicht feststehen. Dafür vertreten die meisten schon eine unerschütterliche Meinung zu dem Abkommen. Wüsste man es nicht besser, könnte man angesichts so mancher Stammtisch-Diskussionen meinen, dass Deutschland einer der größten Verlierer der Globalisierung sei. 

 

Wir haben uns als Senat im Bundesrat vor allem für eine möglichst große Transparenz bei den Verhandlungen eingesetzt. Nur wenn die Unternehmen und Verbände, die Zivilgesellschaft und auch die Kritiker in den Prozess eingebunden sind, wird TTIP am Ende ein Abkommen sein, das von einer Mehrheit getragen wird. Das ist vielleicht nicht der einfachste Weg, aber trotzdem der richtige. 

 

Echte und fundierte Kritik überzeugt, kann in den Verhandlungsprozess einfließen und zu einem besseren Abkommen führen. 

 

Klar ist, dass ein solches Abkommen nicht dazu führen darf, dass sich jeweils der niedrigste Standard durchsetzt, es also zu einem race-to-the-bottom kommt. Aber diese Sorge habe ich nicht. Die hohen europäischen Standards für Verbraucherinnen und Verbraucher werden ebenso gewahrt werden müssen wie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Wege zu diesen Standards. Daher könnte die wechselseitige Anerkennung ein guter Weg sein. 

 

Besonders intensiv wird darüber diskutiert, ob es ein sogenanntes Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren geben muss, bei dem Streitigkeiten über Investitionen vor Schiedsgerichten durchgeführt werden an Stelle der nationalen Gerichte. 

 

Die Bundesregierung und diese Meinung teilt auch der Bundesrat ist der Meinung, dass es sowohl in der EU als auch in den USA ein sehr hohes Niveau an Rechtsschutz vor den nationalen Gerichten gibt und daher eigentlich ein solches Schiedswesen nicht nötig ist. Gleichzeitig hat ein sehr lesenswertes Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers zum Kanadischen-Euroäischen Abkommen CETA ergeben, dass sich durch das Investitionsschutzkapitel keine anderen Anforderungen als nach dem nationalen Verfassungsrecht ergeben. 

 

Ich denke, dass wir zu diesem Thema noch einige Diskussionen führen werden und hoffe, dass Sie als Expertinnen und Experten sich in diese Debatten einbringen. 

 

Denn TTIP bietet die Chance, dass die am weitesten entwickelten Volkswirtschaften der Welt enger zusammenwachsen und weltweite Standards setzen, die dann auch Auswirkungen auf die multilateralen Abkommen haben. Im täglichen Verkehr mit Waren und Dienstleistungen gibt es nach wie vor starke Beschränkungen, von denen die wenigsten Zölle sind. 

 

Vielfach sind es unterschiedliche Regelungen und Anforderungen, die im Ergebnis diesseits wie jenseits des Atlantiks auf das Gleiche hinauslaufen. Um jedoch die jeweils unterschiedlichen Anforderungen erfüllen zu können, sind gerade für kleine und mittelständische Unternehmen große Anstrengungen nötig. Das wissen Sie als Mitglieder des Waren-Vereins aus ihrer Geschäftspraxis nur zu gut. 

 

Ein gut verhandeltes TTIP kann gerade den kleinen und mittleren Unternehmen aus Deutschland und Europa den Markteintritt in die USA deutlich erleichtern. Die USA haben nach wie vor das weltweit höchste Bruttoinlandsprodukt, einen Markt mit 300 Millionen Verbrauchern und eine weltweit einzigartige Stellung im Hochtechnologie-Sektor. Ein besserer Zugang zu diesem Markt kommt unseren Unternehmen zugute und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und wir wissen, dass gerade Deutschland auf internationale Märkte angewiesen ist. Das wissen die Hamburgerinnen und Hamburger ganz besonders. 

 

Meine Damen und Herren, 

Das Streben nach Handelsverkehr eint die Nationen und stärkt den Frieden im Sinne von Hugo von Sankt Viktor wünsche ich dem Waren-Verein der Hamburger Börse e.V. weiterhin eine erfolgreiche Arbeit, und uns allen wünsche noch einen angenehmen Abend mit anregenden Gesprächen. 

 

Vielen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort.