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07.05.2014

Grußwort zum "kleinen" Übersee-Tag

 

 

Sehr geehrter Herr Behrendt,
sehr geehrter Herr Prof. Winterkorn,
sehr geehrte Ehrenbürger, Herr und Frau Professor Greve,
sehr geehrter Herr Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
Exzellenzen und sehr geehrte Vertreter des Konsularischen Korps,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich danke Ihnen für die Einladung zum diesjährigen, so genannten kleinen Übersee-Tag in Hamburgs traditionsreichem Übersee-Club.

Anfang Mai ist für Hamburg immer eine ganz besondere Zeit: Mit dem Übersee-Tag und für das ganz große Publikum dem 825. Hafengeburtstag an diesem Wochenende rücken der Hafen, die Schifffahrt und (fast) alles, was Mobilität und das Verkehren auf dem Wasser ermöglicht, in den Blick.

Womit wir beim Thema wären.

Sie werden ihn vielleicht kennen es gibt den Ausspruch von Kaiser Wilhelm II., der im Brustton der Überzeugung sagte: Ich glaube an das Pferd! Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung.

Wie wir wissen, hat sich die Welt dann doch etwas anders entwickelt.

Und wenn wir Kaiser Wilhelm II. gefolgt wären, würde eine der leistungsfähigsten Industrien Deutschlands, die Automobilindustrie nicht zum Wohlstand unseres Landes beitragen. Und sie bringt immer wieder aufs Neue großartige Ingenieursleistungen zustande.

Auch das unterscheidet uns vom Deutschen Kaiser: Denken in Entweder Oder Kategorien ist meist nicht sinnvoll. Es geht um das Integrieren kluger Konzepte. Tatsächlich halte ich es für einen großen Fehler, gerade in Verkehrsfragen bewusst oder unbewusst die Einen gegen die Anderen auszuspielen.

Im Alltag und der ganz persönlichen Lebenswirklichkeit jedes und jeder Einzelnen spiegelt sich die oft behauptete Konkurrenz der Verkehrsmittel nicht wider.

Der US-amerikanische Stadtplaner und Fachautor Jeff Speck, der in seinem 2012 erschienenen Buch die walkable city propagiert, schreibt zu Beginn darin: Es mag jetzt ein wenig seltsam erscheinen, aber ich liebe Autos! Als Teenager hatte ich sowohl die Zeitschrift Car & Driver abonniert als auch Road & Track. Was ich im Schulbus am besten konnte, war, Modell und Baujahr jedes Autos zu benennen, das vorbeifuhr. Und mein Lebtag lang habe ich das komfortabelste Auto besessen, das ich mir gerade noch leisten konnte.

Wie Jeff Speck geht es den Meisten: Wer Autofahrer ist, nutzt in der Regel auch manchmal das Rad, fährt Bus oder Bahn oder geht zum Einkaufen zu Fuß. Manche zumindest in Hamburg können auch mal das Boot benutzen.

Die Verkehrsmittel ergänzen einander und müssen auch gemeinsam gedacht werden. Wer sich als Politiker für gute Autostraßen einsetzt, darf sichere Fahrradwege und komfortable Bahnverbindungen und auch funktionierende Wasserstraßen nicht aus dem Blick verlieren.

Ohnehin dürfen wir uns nicht einfach in die Hände von Fachleuten oder Spezialisten begeben, die stets optimale Bedingungen für das eine von Ihnen propagierte Verkehrsmittel fordern. Wie absurd das wäre, schildert der schon zitierte Jeff Speck, der uns anschaulich vorrechnet, was dabei herauskommt, wenn man ihnen allen gleichzeitig Recht gibt.

Zitat: Eben darum sind sachverständige Spezialisten die Feinde der Stadt, die ja per definitionem ein Gemischtwarenladen ist. Lassen Sie uns eine Minute lang überlegen, was einer typischen amerikanischen Hauptstraße widerführe, wenn wir sie so umgestalteten, dass alle sachverständigen Spezialisten glücklich wären.

Erstens bräuchten wir mindestens vier Fahrspuren sowie eine zentrale Abbiegespur, um die Verkehrsingenieure glücklich zu machen. Diese müssten 3,35 Meter breit sein nein, Moment, sagen wir 3,65 Meter, weil der Chef der Feuerwehr vielleicht ohne zu bremsen einen Bus überholen will. Sodann bräuchten wir, um die Geschäftsleute zufrieden zu stellen, beiderseitiges Schrägparken (nochmal gut zwölf Meter), und zweieinhalb Meter breite abgetrennte Fahrradstreifen vor beiden Bordsteinen für die Na-Sie-wissen-schon. Ferner müssten wir zwei, jeweils drei Meter breite Baummulchgräben hinzufügen, um den städtischen Förster zufrieden zu stellen, und zwei Bürgersteige von mindestens sechs Metern Breite für die Fußgängeranwälte.

Haben Sie mitgerechnet? Da räkelt sich nun eine mehr als 53 Meter breite Hauptstraße. Das ist zweimal die normale Breite und als städtischer Raum ungefähr so wirkungsvoll wie eine Jumbo-Startbahn und auch genauso zielführend zum Shoppen.

Bevormundung nützt niemandem. Die Smart city-Konzepte des 21. Jahrhunderts sind vielmehr integral ausgerichtet: als intelligente Verknüpfung der Verkehrsmittel und Verkehrswege, die sowohl den gewachsenen Komfortansprüchen als auch den differenzierten Bedürfnissen der Nutzer entsprechen.

Genau diesen Weg verfolgen wir in Hamburg: So haben wir in Hamburg einerseits in der laufenden Legislaturperiode die Mittel für Unterhalt und Investitionen in unsere Straßen kontinuierlich gesteigert und führen ein umfangreiches Sanierungsprogramm durch.

Übrigens: Wenn dann saniert wird, freuen sich auch nicht alle, denn es gibt natürlich Baustellen.

Wir bauen an der neuen Wilhelmsburger Reichsstraße und wir bauen die A 7 achtspurig aus, im Sinne einer guten Stadtplanung mit einem Lärmdeckel.

Gleichzeitig beschleunigen wir innerstädtisch den Busverkehr und die Verkehrsströme als Ganzes und schaffen mit den künftig acht S-Bahn- und weiter ausgebauten U-Bahn-Linien vermutlich eines der besten, weil dichtesten und komfortabelsten Nahverkehrsnetze der Welt.

Ein Netz, das vom sogenannten switchh-Angebot gekrönt wird. Wir haben es nämlich nicht nur mit wachsenden Bevölkerungs- und Nutzerzahlen zu tun, sondern auch mit sich ändernden Mobilitätsbedürfnissen der Hamburgerinnen und Hamburger.

In Zukunft wird also Intermodalität wichtig, die Verknüpfung von öffentlichem Personennahverkehr mit anderen Mobilitätsangeboten wie CarSharing- und Mietwagensystemen, Leihfahrrädern und Abstellmöglichkeiten für das eigene Fahrrad. Übrigens bei CarSharing geht es auch um Autos.

Das gibt es inzwischen in Hamburg, es wird von den Nutzern hervorragend angenommen und in Partnerschaft mit großen Autoherstellern und Mietwagenanbietern zügig ausgebaut.

Meine Damen und Herren,
dauerhaft leistungsfähige Verkehrswege stellen gerade in der sogenannten Informationsgesellschaft eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit dar. So macht die digitale Vernetzung der Welt es uns zum Beispiel leicht, wo früher ein Bestellbrief in die Ferne gern mal Wochen brauchte, heute in Sekundenschnelle online einzukaufen Bücher und DVDs schon länger, zunehmend aber auch Waren des täglichen Bedarfs, Kleidung, Schuhe, mancherorts sogar Lebensmittel.

Geliefert wird die Ware aber eben meist nicht digital, sondern ganz klassisch per Paket an die Haustür, und diesen Komfort schätzen immer mehr Kunden. Da wundert es nicht, dass alle Prognosen davon ausgehen, dass die Warenströme weiter kräftig zunehmen werden, und das heißt: höhere Anforderungen an die Logistik, mehr Verkehr.

Womit wir bei der Notwendigkeit sind, dass die Verkehrsinfrastruktur in ganz Deutschland etwas salopp gesagt gut in Schuss sein muss. Das ist sie aber nicht oder doch an vielen Stellen nicht mehr.

So haben die von Bund und Ländern eingesetzten Kommissionen zur Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung den Mehrbedarf auf allen staatlichen Ebenen (Bund Länder, Städte, Kreise, Gemeinden) auf 7,2 Milliarden Euro pro Jahr beziffert, wenn der bestehende Investitionsstau in den nächsten 15 Jahren abgebaut werden soll. Davon alleine 3,3 Milliarden im Jahr für die Bundesverkehrswege bei Schiene, Straße und Wasserstraße.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für einen guten, aber auch noch ausbaubaren Schritt in die richtige Richtung, dass auf Bundesebene in der Koalition aus CDU, CSU und SPD vereinbart worden ist, die Mittel im Verkehrshaushalt um fünf Milliarden Euro über die Legislaturperiode verteilt aufzustocken. Ich betone: Das ist ein Einstieg vor dem Hintergrund der ungeheuer aufgewachsenen Bedarfe. Und hinter diesen sich in abstrakten Zahlen manifestierenden Bedarfen stehen absehbar negative Folgen für Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Mobilität in Deutschland, wenn nicht konsequent gegengehalten wird.

Ich sage dies in dieser Deutlichkeit, weil für Hamburg eine Stadt, deren Hafen und Flughafen mitten in der Stadt liegen und die der Verkehrsknotenpunkt Nordeuropas ist die Frage ihrer Verkehrsinfrastruktur traditionell von ganz besonderer Bedeutung ist.

Hamburg mit dem zweitgrößten Containerhafen Europas ist eine der Drehscheiben im weltweiten Außenhandel für Europas wachsende Wirtschaftskraft. Jeder dritte Container, der auf Deutschlands Schienen unterwegs ist, läuft über das Netz unserer Hafenbahn.

Damit wir diese Position sichern und nach Möglichkeit noch verbessern, wird der Hafen in den nächsten Jahren unter anderem durch die geplante Fahrrinnenanpassung als internationaler Umschlagplatz weiter ausgebaut werden.

Häfen sind aber nur so gut wie ihre Hinterland-verbindungen und Anschlüsse an weltweite Ziele.
Das verlangt unter anderem die Entflechtung von Güter- und Personenverkehr sowie die Beseitigung von Engpässen.

Auch die Metropolregion als Arbeitgeber benötigt ein vernünftiges System für den Personenverkehr. Gut 320.000 Pendler nutzen täglich die Verkehrswege von und nach Hamburg ein Zuwachs von 35 % seit 1989.

Unter den Pendlern sind übrigens auch viele der mehreren tausend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Automobilindustrie in der Region. Dass alleine im Hamburger Werk eines großen deutschen Premium Automobilhersteller es ist nicht VW, sondern Mercedes mehr als 2500 Mitarbeiter (2600 Stand 2014) arbeiten, dazu viele Hunderte Mitarbeiter bei Zulieferern wie Johnson Controls oder ContiTec (ehemals Phoenix) in Hamburg und der Metropolregion, ist vielen in unserer Stadt gar nicht immer bekannt.

Meine Damen und Herren,
während sowohl Individual- als auch Geschäftsverkehre in und um Hamburg weiter zunehmen, dürfen wir zugleich die Balance zwischen den Belangen einer dynamisch wachsenden Wirtschaft mit dem Ziel umweltgerechter Mobilität und Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren.

Beispiel Luftqualität: Die meisten von der Europäischen Union vorgegebenen Grenzwerte für Luftschadstoffe hält Hamburg ein, mit der Ausnahme der Stickoxid-Emissionen. Dieses Problem zu lösen, ist nicht nur nötig, sondern auch möglich, und der Senat verfolgt dafür eine Vielzahl innovativer Ansätze, die mittel- und langfristig sowohl die Luftqualität als auch den vorbeugenden Gesundheitsschutz verbessern helfen.

Um das zu erreichen, bauen wir die Kapazitäten der schienengebundenen Verkehrsmittel und der Busse aus und schaffen ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse an.

Gleichzeitig unterstützen wir die Markteinführung und Marktdurchdringung emissionsarmer und emissionsfreier Antriebe, auch wenn ich nicht verhehlen will, dass um ein etwas schiefes Bild zu benutzen die deutsche Automobilindustrie bei der Markteinführung entsprechender Fahrzeuge ruhig etwas mehr Gas geben könnte.

Fest steht: Emissionsarme Elektroautos, Hybridfahrzeuge, Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb im Öffentlichen Personennahverkehr, im motorisierten Individual- und im Wirtschaftsverkehr werden bald noch mehr als bisher das alltägliche Straßenbild prägen. Wobei Emissionen übrigens nicht nur Abgase meint, sondern auch den Verkehrslärm: Die Stadt der Zukunft wird leiser, so viel steht fest.

Und, wenn ich noch ein Bezug nehmend darf auf den Kaiser Wilhelm: Im Hinblick auf künftige Antriebstechniken sollte Niemand sagen: Ich glaube an das Pferd.

Um die Emissionen des Schiffsverkehrs zu reduzieren, dürfen im Hamburger Hafen seit 2010 Schiffe ab einer Liegezeit von zwei Stunden nur noch Kraftstoffe mit geringem Schwefelgehalt verwenden. Dazu kommt die Landstrom-versorgung, im ersten Schritt für die schnell wachsende Zahl von bei uns anlandenden Kreuzfahrtschiffen, später für alle Schiffe mit externem Strombedarf.

Meine Damen und Herren,
nur ein attraktiver, leistungsfähiger Standort gilt auch als attraktiver Partner in der übrigen Welt.

Vor Jahrhunderten sorgte die Hanse dafür, dass das Handelsvolumen auf den klassischen Verkehrswegen in Europa merklich anstieg und neue Routen erschlossen wurden. Die damals begründeten Handelsrouten haben bis heute ihre Bedeutung nicht verloren auch wenn sich Vieles über die Jahre verändert hat.

Heute sind es politische Instanzen wie die Europäische Union, die sowohl die Demokratie und das friedliche Zusammenleben der europäischen Nachbarn sichern als auch die Basis für Handel und Gewerbe schaffen durch ein System der Rechtssicherheit und gemeinsamer Werte.

Inzwischen nehmen wir die gerade in Verkehrsfragen buchstäblich grenzenlose EU als selbstverständlich hin, dabei sah das bis vor wenigen Jahren noch ganz anders aus. Und wohin man kam, musste man Geld tauschen; Sie erinnern sich. Das komplexe Projekt eines Freihandelsabkommens mit den USA hat das Potenzial, eine ähnliche Kraft zu entfalten.

Wenn Politik und Wirtschaft weiter Hand in Hand arbeiten und die berechtigten Interessen der Hamburgerinnen und Hamburger, der Deutschen und der Europäer im Blick behalten, ist mir um die Zukunft nicht bange.

Vielen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort.