Sehr geehrter Herr Bundesminister Dobrindt,
sehr geehrter Herr Minister Meyer,
sehr geehrter Herr Dr. Grube,
sehr geehrte Bundestagsabgeordnete,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
herzlich willkommen zum Parlamentarischen Abend hier in unserem Berliner Heimathafen: in der Hamburger Landesvertretung.
Ich begrüße Sie zur gemeinsamen Veranstaltung der fünf Küstenländer Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Auf etwa 3.700 km Küstenlinie kommen unsere Küstenländer zusammen-genommen wenn wir alle Mündungen, Halligen und Förden dazurechnen, ist es noch deutlich mehr. Doch lassen wir die romantische Wasserseite und die Strände, die unsere schönen Bundesländer zu Urlaubsregionen machen, heute Abend ein wenig beiseite und schauen auf die Häfen und ihre Anbindung. Denn die fünf Küstenländer sind die Seehafen-Länder unseres Landes.
Die Seehäfen verbinden Deutschlands Wirtschaftsmacht mit Europa und der Welt. Hier kommen die Rohstoffe für die Industrienation an und der Kaffee für den täglichen Bedarf der Bürgerinnen und Bürger. Und hier wird die Exportnation zu dem, was sie ist: In den Häfen des Nordens wickelt Deutschland einen wesentlichen Teil seines Außenhandels ab. Über die Seehäfen werden Anlagen und Maschinen Made in Germany exportiert, und die Autoterminals von Bremerhaven bis Lübeck verteilen die Lieferungen der Werke aus Bayern ebenso wie die aus Baden-Württemberg.
Die Seehäfen sind die Antriebskolben im Wachstumsmotor. Was auch heißt: Wenn in Norddeutschland in Logistik und Infrastruktur investiert wird, profitiert die gesamte deutsche Wirtschaft davon.
Dieser Multiplikationseffekt zeigt sich exemplarisch an der Verbindung zu Bayern: Der Freistaat wickelt 80 Prozent des überseeischen Im- und Exports über die deutschen Seehäfen ab, 15 Prozent über die europäischen Westhäfen und 5 Prozent über die Mittelmeerhäfen. Allein über den Hamburger Hafen wird die Hälfte des bayerischen Überseehandels umgeschlagen.
Jedes einzelne anlandende Schiff fordert die Infrastruktur der Küstenländer, und der Trend geht eindeutig hin zu den großen Frachtern. Um leistungsfähig zu sein und zu bleiben, brauchen die deutschen Seehäfen darum ein dem Güteraufkommen angemessenes und leichtgängiges Transportnetzwerk.
Die Strecken, die am Hafen beginnen, müssen nicht nur das unmittelbare Hinterland versorgen, sie sind insbesondere auch Startpunkte für die internationalen Verbindungen. Deshalb müssen wir, wenn wir über die Wirtschaftskraft und Multiplikationseffekte der Häfen reden, über die Hafenhinterland-Verbindungen sprechen: die Verbindungen in den Süden Deutschlands, in die skandinavischen Länder sowie die Korridore nach Osten und Westen.
Mit Blick auf die vergangenen fünfzig Jahre können wir feststellen: Der Erfolg der deutschen Seehäfen ist ein Erfolg für die deutsche Wirtschaft, weil die Küstenländer gemeinsam mit dem Bund dafür sorgen, dass sie hervorragend erreichbar sind.
In dieser Verantwortung für Deutschland fragen wir heute nach den strategischen Verkehrsprojekten und den Anforderungen für die Zukunft: Welche Schieneninfrastruktur braucht Deutschlands Norden?
Beim Beantworten dieser Frage stehen wir in der guten Tradition der Küstenländer, miteinander die Bedarfe für Infrastruktur und Logistik zu identifizieren und ein gemeinsames Verständnis für die Planung zu entwickeln.
Wir wissen, die großen deutschen Seehäfen werden weiter kontinuierlich wachsen. Trotz gewisser Einbrüche in der Wirtschaftskrise um 2008 zeigt sich schon jetzt die deutlich steigende Tendenz. Der Güterumschlag hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.
Und er wird weiter zunehmen: Laut Seeverkehrsprognose werden die deutschen Seehäfen bis 2030 jährlich um 2,8 Prozent wachsen. Das entspricht für die nächsten 15 Jahre einem Gesamtwachstum von 74 Prozent.
Dabei wachsen die Umschläge in den Nordseehäfen stärker als an der Ostsee. Und in den deutschen Nordseehäfen ist das Wachstum stärker als in den Nachbarländern, den Seehäfen der Niederlande, Belgien oder Frankreichs.
Ein besonderer Schub ist beim Containerverkehr zu erwarten: Steigende Zahlen werden für Bremerhaven, Cuxhaven und Wilhelmshaven gemeldet, und auch der Hamburger Hafen konnte 2013 weitere Marktanteile im Containerverkehr gewinnen und seine Position an Platz 2 der Containerhäfen Europas festigen. Es wird erwartet, dass der Containerumschlag der deutschen Seehäfen insgesamt bis 2030 um durchschnittlich 4,3 Prozent pro Jahr wachsen wird.
Schon heute ist Deutschland im europäischen Vergleich der Verkehrsmeister: Wir stehen an erster Stelle im Güterverkehrstransport sowohl bezogen auf die Straße als auch auf die Schiene. Und wir haben das umfangreichste Schienennetz Europas. Dennoch zeigt sich schon jetzt die Überlastung beider Verkehrswege: Es gibt zunehmend mehr Engpässe, die maximale Auslastung ist überall in Sicht. Und vielerorts läuft der Verkehr auf Kosten der Substanz.
Diese Strecken sind nicht dafür ausgelegt, noch mehr Gütertransporte zu bewältigen. Wenn die deutsche Wirtschaft weiterhin ihren Spitzenplatz einnehmen will, wenn die Seehäfen weiterhin Importe und Exporte auf Spitzenniveau realisieren sollen, muss in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Die zentrale Aufgabe der Wirtschaftspolitik für die nächsten 15 Jahre ist die Verkehrspolitik.
Es gilt die gute Erreichbarkeit zu erhalten, die Wachstumseffekte der Häfen zu nutzen und die Herausforderungen des Wachstums ökonomisch und ökologisch sinnvoll zu gestalten. Das zu erwartende Verkehrswachstum kann nicht allein über die Straße abgewickelt werden. Es ist ein zentrales Anliegen der Politik der Küstenländer, den Anteil der Schiene im Modal Split zu vergrößern und der Schiene beim Ausbau der transeuropäischen Verkehrsnetze Priorität einzuräumen.
Drehscheibe, Weichenstellungen, mehrgleisig fahren die politische Sprache ist voll von Bahnmetaphern. Aber zukunftsfähige Verkehrspolitik darf nicht bei bildlichen Beschreibungen stehenbleiben, sondern muss ganz konkret werden: Wir brauchen mehr Schienen, Rangiergleise und Entlastungsrouten.
Die Küstenländer haben die Engpässe klar identifiziert:
- die Strecken, die Investitionen zum Erhalt benötigen,
- die Gleise, die entlastet
- und die Korridore, die ausgebaut werden müssen.
Die Metropolregion Hamburg ist einer der wichtigen Eisenbahnknotenpunkte Europas und einer der großen Eisenbahnhäfen der Welt. Für die Verkehrsagenda Schiene und die Nord-Süd-Strecke ist deshalb die Auflösung des Engpasses in Maschen prioritär: Dem Rangierbahnhof fehlt ein Umfahrgleis und ein Wartegleis. Beides ist für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet und planfestgestellt worden.
Eine sehr positive Kosten-Nutzen-Relation hat der sogenannte Ostkorridor. Er verläuft von Uelzen (im nordöstlichen Niedersachsen), über die Hansestadt Stendal (Sachsen-Anhalt), nach Regensburg (Oberpfalz) und bis nach Österreich. Die Hauptachse nach Osten verbindet die wirtschaftlichen Interessen mehrerer Bundesländer und hat im Norden, auf der Strecke Uelzen-Stendal, einen neuralgischen Punkt, der beseitigt werden muss. Der zweispurige Ausbau der Entlastungsstrecke ist unverzichtbar.
Schon jetzt haben wir auf vielen Bahnstrecken Engpässe, weil Nahverkehr und Güterverkehr dieselben Gleise nutzen müssen.
Um die Pendlerstrecken von den überregionalen Strecken stärker zu trennen, braucht die Region den Ausbau der S4. Der Bund, Schleswig-Holstein und Hamburg arbeiten gemeinsam an der Entlastung der Strecke nach Ahrensburg und Lübeck.
Der Ersatz der Regionalbahn in Richtung Bad Oldesloe durch die S4 wird Entlastung schaffen und dafür sorgen, dass die Steigerung des Verkehrsaufkommens aus dem Norden verkraftet werden kann. Denn die feste Fehmarnbelt-Querung wird ebenfalls mehr Güter und Personenverkehr bringen, der durch den Eisenbahnknoten Hamburg geleitet werden muss.
In diesem Zusammenhang begrüße ich die Kieler Positionierung von heute hinsichtlich der künftigen Bahntrasse durch Ostholstein von und nach Fehmarn statt über die Badeorte an der Lübecker Bucht nämlich über eine neue Trasse entlang der A1. Damit kämen wir einem guten Anschluss des geplanten dänisch-deutschen Tunnels an das Fernnetz der Bahn wieder ein gutes Stück näher.
Ebenfalls ein großes Anliegen ist uns der Aus- oder Neubau der Strecken zwischen der Metropolregion sowie Bremen und Hannover. Es gibt kluge Grundlagen für die weiteren Planungen dazu. Schon lange wird eine Y-Trasse geplant. An welchen Buchstaben die künftige Verbindung auch erinnern mag für die Küstenländer ist wichtig, dass hier eine Trasse zur Entlastung realisiert wird.
In diesem Sinne können wir die Frage Welche Schieneninfrastruktur braucht Deutschlands Norden? kurz und knapp beantworten: Deutschland braucht im Norden eine Schienen-Infrastruktur, die das kontinuierliche Wachstum des Güterverkehrs ökologisch sinnvoll auffangen kann. Gebraucht werden Investitionen zum Erhalt, zur Entlastung und zum Ausbau der Strecken.
Strecken, die den Süden und Osten versorgen, und das Verkehrsaufkommen aus dem Norden bewältigen. Gebraucht wird eine Infrastruktur, die der Tatsache Rechnung trägt, dass die deutsche Wirtschaft von der guten Erreichbarkeit der Seehäfen abhängig ist.
Ich begrüße deshalb die Positionierung im Berliner Koalitionsvertrag zu Mobilität und Investitionen in die Schieneninfrastruktur. Die Vorschläge des Verkehrsministeriums zur strikten Priorisierung der Bahnstrecken von und zu den Seehäfen und die neue Dringlichkeitsstufe Vordringlicher Bedarf Plus (VB+) schaffen Klarheit und räumen dem Seehafen-Hinterlandverkehr eine angemessene Position ein.
Und weil wir hier von der Küste kommen, sollten wir auch nicht vergessen: Das Schienennetz der Seehafen-Länder ist auch ein Reiseweg.
Wir wünschen uns, dass die Urlauber für die Strecken in die Norddeutschen Länder gerne den Zug nehmen und schnell an die Küste, die Inseln und die Strände kommen und Erholung schon auf der Fahrt finden.
Meine Damen und Herren,
wer die Eisenbahn im Spiegel des anderen, des digitalen Netzes betrachtet, findet eine überraschend detailgenaue Kultur der Berichte über die Eisenbahn. Lokomotiven und Waggons werden von den Fans der Schiene liebevoll erläutert und die Strecken ausführlich beschrieben. Es scheint fast, als gäbe es über keinen Gegenstand mehr Wikipedia-Einträge als über den Schienenverkehr. Die Internet-Community zeigt eine Leidenschaft für die Eisenbahn, die beeindruckt. Ein wenig von diesem Enthusiasmus braucht auch das reale Eisenbahnnetz: Ihn zu wecken, das ist die Idee des parlamentarischen Abends zum Schienenverkehr.
Ich wünsche uns allen noch einen anregenden Abend.
Es gilt das gesprochene Wort.