Sehr geehrte Frau Breuel,
sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen im Gästehaus des Senats. Schöne Aussicht heißt die Straße, an der dieses Haus liegt, seit 1965 empfängt hier der Senat Persönlichkeiten, die sich um die Stadt Hamburg und die Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht haben.
Eine der ersten war die junge Königin Elisabeth II, die auf ihrem Deutschlandbesuch mit Prinz Philipp in der Freien und Hansestadt Hamburg Halt machte. Gastgeber der Queen war übrigens damals der Erste Bürgermeister Paul Nevermann, dessen letzte Wahlperiode in der Hamburgischen Bürgerschaft gleichzeitig die erste Wahlperiode war, in der Sie, liebe Frau Breuel, in unser Parlament einrückten.
Das Gästehaus ist deshalb ein sehr passender Ort, um Birgit Breuel zu ehren, eine Hamburgerin, die sich seit sagen wir mal über 50 Jahren für gute Politik, soziale Marktwirtschaft und gesellschaftliche Anliegen engagiert.
1970 wurden Sie für die CDU in die Hamburger Bürgerschaft gewählt, politisiert wohl auch durch das Thema Bildungspolitik. Aber Ihre Hauptthemen waren immer schon Finanzen, Wirtschaft und Produktivität. Mit Ihrer Expertise konnten Sie sich in der CDU rasch durchsetzen. Schon zu Beginn der darauffolgenden Wahlperiode gehörten Sie zur Spitze der CDU, waren Mitglied im Fraktionsvorstand und im Geschäftsführenden Landesvorstand der Hamburger Christdemokraten.
Ab 1974 sprachen Sie in wirtschaftspolitischen Themen für die CDU-Bürgerschaftsfraktion.
Heute wissen wir alle von Ihrem großen politischen Talent, aber als 1978 der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht Sie als Ministerin für Wirtschaft und Verkehr ins Kabinett holte, waren Sie eine Überraschungskandidatin.
Und sehr erfolgreich: Schon wenige Jahre später, 1986, machten Sie den Schritt zur niedersächsischen Finanzministerin.
Interessant auch, dass Sie die erste Frau auf einem Ministerposten waren, die den Amtstitel Ministerin trug. Denn Sie waren es, die gleich nach dem Amtseintritt in Niedersachsen durchsetzte, dass es diesen offiziellen Amtstitels gibt.
Ich wurde Ministerin, weil ich eine Frau bin, und bin Ministerin geblieben, obwohl ich eine Frau bin, sagten Sie im Rückblick. Sie waren oft die Erste. Eine Frau, die andere überzeugt, die den Mut hat, nicht hinterm Berg zu halten, was sie kann.
Virginia Woolfs berühmtes Eigenes Zimmer kann durchaus das Amtszimmer einer Ministerin sein oder das Büro einer Geschäftsleiterin, in dem große Wirtschaftsthemen bewegt und Geschichte geschrieben wird. An Ihrem ersten Arbeitstag bei der Treuhand, mussten Sie, wie Sie einmal berichteten, übrigens ganz ohne Zimmer auskommen, ohne Büro, ohne Mitarbeiter, aber mit sechs Säcken Post im Keller.
Aus Pflichtgefühl und Überzeugung sagten Sie später auch Ja, als plötzlich eine Nachfolgerin für Ihren damaligen Chef, den von RAF-Terroristen ermordeten Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder gebraucht wurde. 1991 wurden Sie Präsidentin der Treuhandanstalt.
Die französische Zeitung Le Monde hat Sie mal als die mächtigste Frau Deutschlands bezeichnet. Und das hieß natürlich auch, Kritik von allen Seiten, viele Erwartungen, wenig öffentliche Anerkennung.
Die historische Aufgabe war riesig: Die Gestaltung des Übergangs von der Plan- zur Marktwirtschaft. Sie haben um jede einzelne Firma gerungen und mussten immer sehr schnelle und sehr weitreichende Entscheidungen treffen. Es war eine schwere Zeit mit enormen Veränderungen, manches sieht man aus dem Rückblick anders. Sicher ist: Ohne die Arbeit der Treuhand wäre die Übernahme der DDR-Betriebe ein chaotischer Prozess geworden, der Millionen Bürgerinnen und Bürger unmittelbar nach der Wiedervereinigung arbeitslos gemacht hätte.
Man kann vermuten, dass die Headhunter damals hinter Ihrem Namen vermerkt hatten: unbeirrbar, schafft das Unmögliche. Aber viel wahrscheinlicher ist, dass das gar nicht nötig war, weil Sie als Treuhänderin sowieso eine nachhaltig bekannte Persönlichkeit geworden sind.
1994 berief die Bundesregierung Sie, Frau Breuel, zur Generalkommissarin der EXPO 2000. Die GmbH zur Durchführung der ersten Weltausstellung in Deutschland war wenige Monate zuvor in Bonn gegründet worden. Und Sie gehörten auch zu denen, die die Idee zur Bewerbung Hannovers entwickelt hatten. Als 1997 die Geschäftsführung der EXPO 2000 Hannover neu geordnet wurde, übernahmen Sie zusätzlich auch die Aufgabe der Geschäftsführerin.
Chancen ergreifen und Pflichten erfüllen, das liegt in Ihrem Leben nah beieinander. Immer waren es große Schritte, immer wieder waren Sie eine Pionierin in Ihrem Aufgabengebiet und immer erwiesen Sie sich als standfest, mutig und zuverlässig ausgestattet mit kühlem hanseatischem Humor, ergänzen dann gerne die Nicht-Hanseaten.
Liebe Frau Breuel,
Sie haben in Deutschland sehr deutlich gezeigt, dass Frauen in die erste Reihe gehören. Und in der Regel sind es die jeweils Ersten unter uns, die für Nachfolgende Spielräume, Gestaltungsräume, Machträume öffnen. Ihre Ämter und Aufgaben haben Sie immer aus innerer Überzeugung wahrgenommen, sagten Sie einmal in einem Ihrer seltenen Interviews.
Wer die Wahrheit verrät, verrät sich selbst. Es ist hier nicht die Rede vom Lügen, sondern vom Handeln gegen Überzeugung schrieb der Dichter Novalis Ende des 18. Jahrhunderts.
Ihre Überzeugung war es denn auch, die Sie dazu bewegte, nach dem Abschluss der EXPO kein weiteres großes Amt anzustreben. "Von der Beachtung hatte ich genug", haben Sie dazu gesagt, Sie wollten sich auf die Familie und Ihren Garten konzentrieren. Aber obwohl Sie sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen haben, so doch nicht vollständig aus der Verantwortung für gesellschaftliche Fragen.
Nach schweren Jahren durch den Tod Ihres Sohnes gründeten Sie 2001 die Philip-Breuel-Stiftung. Ihr Sohn Philip Breuel war bildender Künstler, dessen Idee, mit Kindern aus sozialen Brennpunkten zu arbeiten, die Philip-Breuel-Stiftung aufgenommen hat. Ergänzt wird dieser Ansatz durch die intensive Förderung begabter Kinder in den KooleKids Gruppen.
Auf der Homepage der Stiftung findet sich das Zitat: Und dann kommt plötzlich Phantasie aus meinem Kopf. So geht es vielen Kindern in Hamburg: In enger Zusammenarbeit mit Vor- und Grundschulen und unterstützt von zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern fördert die Philip-Breuel-Stiftung zurzeit rund 800 Kinder in KinderKunstKlubs und mit den KoolenKids.
Weniger sichtbar bedeutet also nicht weniger wirksam.
Liebe Frau Breuel,
schon am 7. September sind Sie 80 Jahre alt geworden. Ich freue mich sehr, dass Sie heute hier bei uns sind.
Ein wenig zu spät, aber mit ganzem Herzen wünsche ich Ihnen alles Gute zum Geburtstag.
Vielen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.