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01.10.2014

Grußwort zur Ausstellungseröffnung: "Auf beiden Seiten der Barrikade" über die Kriegsberichterstattung im Warschauer Aufstand

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

am 2. Oktober vor 70 Jahren wurde das alte Warschau endgültig zerstört. Der Aufstand der polnischen Heimatarmee wurde niedergeschlagen und anders als in Paris, gab es keine sichtbare Weigerung von Wehrmacht oder SS, den Befehl aus Berlin gnadenlos auszuführen: Warschau wurde, wie ausdrücklich befohlen, nahezu dem Erdboden gleichgemacht, wie eben gesehen.

Nicht nur sind dabei unwiederbringliche Schätze polnischer Kultur und europäischer Geistesgeschichte in Bibliotheken und Archiven, in Kirchen und an Gebäuden zerstört worden.
Die barbarischen Täter deportierten die gesamte Zivilbevölkerung, die sich noch in der Stadt aufgehalten hatte, ob sie nun an der Seite der Aufständischen mitgekämpft hatte oder nicht, oder exekutierten viele gleich vor Ort. Das Massaker von (Wolla) Wola, bei dem -zigtausende Warschauer  umgebracht wurden, ist nur das bekannteste schreckliche Beispiel für diese Handlungen.

Die Rote Armee stand währenddessen auf der gegenüberliegenden Seite der Weichsel und wartete, setzte aber nicht über ein weiteres Trauma der polnischen Geschichte.

180.000 Opfer auf polnischer Seite forderte die Niederschlagung des von der Exilregierung Polens aus London gesteuerten Aufstandes. Die Unterstützung auch durch die westlichen Alliierten reichte nicht aus, um ihm zum Erfolg zu verhelfen.

Bereits 1943 war nach dem Aufstand im Warschauer Ghetto die jüdische Bevölkerung der Stadt von den deutschen Besatzern und ihren Hilfstruppen deportiert und umgebracht worden. Die Unterstützung durch nichtjüdische Einwohner und Teile des polnischen Untergrundes hatte dies nicht verhindern können. Am Kriegsende vegetierten nur noch etwa 1.000 Warschauer in den Ruinen der einstmaligen Millionenstadt.
Es hat nach 1945 lange gedauert, bis in der Bundesrepublik Deutschland öffentlich über diese Taten gesprochen wurde.

Am 23. Juli dieses Jahres hat der deutsche Außenmister Frank Walter Steinmeier auf der Konferenz der polnischen Botschafterinnen und Botschafter in Anlehnung an ein Gedicht Ihres großen Lyrikers Ryszard Kapuściński gesagt: Ich finde, der Blick auf die Geschichte, er sollte uns zugleich ermutigen und herausfordern (…) Die deutsch-polnische Geschichte war voller dunkler Straßen. Wir haben aus ihnen gelernt und gemeinsam ein wenig Licht in die Hohlwege gebracht.


Auch die Freie und Hansestadt Hamburg muss sich mit den schwierigen Aspekten der deutsch-polnischen Beziehungen befassen. Eine Vielzahl von Aufständischen des Sommers 1944 ist ins KZ Neuengamme und seine Außenlager deportiert worden.

Im August und September haben wir in einem etwas weiter gefassten Zusammenhang ein Zeichen gesetzt mit der Ausstellung Ich hätte nicht geglaubt, noch einmal hierher zu kommen, in der es um das Besuchsprogramm für die ehemaligen Zwangsarbeitenden in Hamburg ging.

Konzepte wie die Handreichung, die zu dieser Ausstellung für den schulischen und außer-schulischen Bildungsbereich erschienen ist, oder der Film Erinnerung schenken, der am 2. September im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum Warschauer Aufstand erstaufgeführt wurde, sind zunehmend wichtig, weil es authentische Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in der Zukunft nicht mehr geben wird. Aber auch ohne sie muss es Wege geben, um aktives Gedenken, bürgerschaftliches Handeln und demokratisches Verständnis zu untermauern.

Der Initiative einer Vielzahl von Hamburger Institutionen war es 2004 zu verdanken, dass aus Anlass des 60. Jahrestages des Warschauer Aufstandes ein großes Programm präsentiert werden konnte. Alljährlich zum 1. September findet ein interkonfessioneller Gedenkgottesdienst zum Kriegsausbruch hier in St. Nikolai statt.

Und Hamburg hat unter seinen Bürgerinnen und Bürgern eine große Zahl von Bewohnern mit polnischen Wurzeln. Das gemeinsam von dem Generalkonsulat Ihres Landes und der Landeszentrale für politische Bildung herausgegebene Buch Polnisches Leben in Hamburg hat dies schon vor Jahren eindrücklich gewürdigt.

Meine Damen und  Herren,
wir gedenken der Opfer des Aufstandes des deutschen Überfalles auf Polen und des Zweiten Weltkrieges. Heute gründet das polnisch-deutsche Verhältnis auf guter Nachbarschaft, ja Freundschaft. Übrigens mit dem Bekenntnis zu einer gemeinsamen Verteidigung. Das gehört ja auch zur gemeinsamen Mitgliedschaft in der EU und der NATO. Das zehnjährige Jubiläum des Beitritts der Republik Polen und anderer ostmittel-europäischer Staaten zur Europäischen Union kann nicht genug gewürdigt werden. Bereits seit 1999 gehört Polen der NATO an. Beides ist ein sicherer politischer und völkerrechtlicher Rahmen für die Zukunft. Dass die erste Auslandsreise des Bundespräsidenten Joachim Gauck ihn nach Polen geführt hat, war ein wichtiges Zeichen.

Die Ausstellung, die wir heute eröffnen, wählt einen neuen Ansatz bei der Betrachtung des Aufstandes. Ich danke Ihnen, Herr Direktor, ausdrücklich dafür, dass Ihr Haus, das Museum des Warschauer Aufstandes, diesen Weg mit unseren Hamburger Institutionen beschritten hat. Medien im Krieg, Bilder vom Krieg, die glauben wir zu kennen. Dass Bilder und ihre Verwendung auch immer Teil von Politik sind, dass sie gewünschte Wahrnehmungen suggerieren und absichtsvoll Aussagen konstruieren können, das zeigt uns diese Ausstellung eindrucksvoll.

Ebenso zeigt sie uns aber das Grauen, die Schuld und die Verantwortung: Auf beiden Seiten der Barrikade wurden mit Bildern Geschichten erzählt und es wird damit Geschichte gemacht. Zu wissen, welche Wirkung Medien auch in dem Zusammenhang hatten und haben, zeigt zugleich ihre Macht als auch die Verantwortung ihrer Träger.

Einer der Photographen auf Seiten der SS war der 1893 auf der Uhlenhorst geborene August Ahrens. Er war ein Überzeugungstäter, hatte sich nach einer Photographenausbildung und durchaus erfolgreicher Tätigkeit freiwillig beim Schwarzen Corps, der SS-Zeitung, gemeldet und wurde Anfang 1944 dauerhaft zum Stab des Chefs der Bandenkampfverbände versetzt. Dieser war Erich von dem Bach-Zelewski, der Verantwortliche für die Niederschlagung des Aufstandes.

August Ahrens erhielt für seinen Dienst in Warschau das Eiserne Kreuz I. Klasse. Er ist der Urheber des berühmten Photos der Gräfin Tarnowska, der Vorsitzenden des Polnischen Roten Kreuzes, das auch in der Ausstellung zu sehen ist. Dieses Photo ist ein besonderes Beispiel für den Umgang mit Bilddokumenten in der Propaganda. Verschiedene Versionen zeigen verschiedene Ausschnitte und versuchen damit zumeist, die Haltung der Gräfin so zurecht zu rücken, dass sie als Unterlegene erscheint. Die Gräfin war aber von ganz anderem Kaliber und die eigentliche Positionierung auf dem Originalfoto ist sehr selbstbewusst und gradlinig.

Eine Reihe der polnischen Photographen, deren Lebensweg die Ausstellung verfolgt, sind im Aufstand als Kämpfer der Heimatarmee gefallen. Eine Frau Halina Bala-Rueger lebt bis heute hochbetagt in den USA.

Polen hat in diesem Aufstand unzählige Männer, Frauen und Kinder verloren, Künstler, Dichter, Literaten, Wissenschaftler und Politiker. Für viele Jahrzehnte hat Polen nach diesem Aufstand auch als indirekte Folge seiner Niederschlagung seine Freiheit verloren. Diesen Aspekten widmet sich derzeit auch eine Ausstellung in der Topographie des Terrors in Berlin, die Ende Juli vom Bundespräsidenten und von Ihrem Staatspräsidenten, Herr Botschafter, eröffnet worden ist.

Meine Damen und Herren,
ich möchte allen Personen und Institutionen sehr herzlich danken, die am Gedenken an den Warschauer Aufstand und seine Opfer beteiligt waren und sind. Nicht zuletzt dem Deutschen Historischen Institut Warschau, das unsere Hamburger Ausstellung aktiv unterstützt.

Die Unterstützung des Jugendworkshops am kommenden Montag durch das Amerikanische Generalkonsulat hier in Hamburg gibt uns die Zuversicht, dass diese deutsch-polnische Zusammenarbeit als Teil der Sicherung der demokratischen Bürgergesellschaften in Europa verstanden wird, und darüber hinaus.

Ich wünsche der Ausstellung einen großen Erfolg und viele weitere Stationen. Vielen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort.