Sehr geehrter Herr Wiederspiel,
sehr geehrter Mr. Matthew Warchus,
sehr geehrter Mr. Stephen Beresford,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
auch in diesem Herbst freue ich mich wieder über die Ehre, das Filmfest Hamburg zu eröffnen. Ich heiße Sie alle herzlich willkommen. Rund 40.000 Zuschauerinnen und Zuschauer werden zum 22. Filmfest bei uns erwartet allesamt neugierige Kinofans, auch die Branche ist selbstverständlich präsent.
Der Film, die Filmwirtschaft, alle Celluloid Heroes und auch die heutigen, digital ins Bild gesetzten Helden, spielen jetzt wichtige Rollen und werden es in Zukunft tun auf den Leinwänden der Welt, und im Kulturleben dieser Stadt. Weil das so bleiben muss, wird der Senat den Film auch in den kommenden Jahren unterstützen, auch finanziell unterstützen und wir reden hier nicht über Zwei-Jahres-Rhythmen. Er wird ihn genauso umfänglich unterstützen, wie wir dies in den bisher letzten Jahren getan haben.
Soweit der Trailer, meine Damen und Herren. Jetzt die Rückblende: Von einem multimedialen Ereignis habe ich voriges Jahr gesprochen, mit Anspielung auf das gleichzeitig laufende Reeperbahnfestival. Der Begriff war eher naheliegend als originell ausgewählt, aber ich kann ihn jetzt mit zusätzlichem Inhalt füllen. Denn natürlich habe ich den Regisseur und den Drehbuchautor von Pride gesehen, bei YouTube.
Matthew Walchus nennt die Episode, die dem Eröffnungsfilm dieses Festivals zugrunde liegt, a simple but beautiful illustration of compassion and tolerance. Das kann er laut sagen, denn dieser britische Film erzählt von einem außergewöhnlichen real life event und beruht auf historischen Fakten eine märchenhaft anmutende Geschichte nach einer wahren Begebenheit um eine schwul-lesbische Initiative, die den Arbeitskampf britischer Bergarbeiter unterstützen will. Ich freue mich, dass die Film-Macher heute hier sind und wäre gespannt zu wissen, was sie hiervon halten: dass es sich laut britischen Quellen um einen drama film, laut deutschen um eine Komödie handelt.
Aber wir wissen ja aus zahllosen Beispielen, dass Engländer dergleichen zu kombinieren wissen; Schotten übrigens auch. Und was bedeuten überhaupt Genres? In diesem Fall wurde der Arbeitskampf britischer Bergarbeiter 1984 berühmt, weil sich ihr Einsatz gegen Zechenschließung, Privatisierung und darüber hinaus die Innenpolitik richtete, die damals mit dem Namen Margaret Thatcher verknüpft war. Zeitzeugen erinnern sich gut, auch daran, dass berühmte Filme wie Billy Elliot I Will Dance und Ganz oder gar nicht das Thema bereits aufgegriffen haben. Die Wahl, die Herrn Wiederspiel getroffen hat, will ich übrigens gern als eine Referenz deuten, als eine grüßende Geste von Festival zu Festival: hier an die Lesbisch-Schwulen Filmtage Hamburg, die im Oktober ihr 25jähriges Jubiläum feiern.
Was auffällt beim Blick ins diesjährige Programm: Wir finden die aktuelle weltpolitische Entwicklung etwa in Ländern wie Syrien und Irak, oder das komplexe Geschehen in Mittel- und Osteuropa, in Russland und der Ukraine mit der russischen Annexion der Krim und den weiteren Ereignissen, bei diesem Filmfest noch wenig abgebildet, sehen wir von einigen Filmen wie Timbuktu einmal ab, der die Tragödie dieser weltberühmten Stadt des Transsahara-Handels, jetzt im Würgegriff des islamischen Fundamentalismus, thematisiert.
Dass die Realität spannungsreicher ist als die Fiktion, das irritiert uns Europäer wohl alle in diesem Jahr, aber es ging eben alles zu schnell: Niemand und schon gar kein deutscher Politiker oder Filmemacher hätte die irrwitzige weltpolitische Zuspitzung rechtzeitig vorhersehen können.
Meine Damen und Herren,
dass das Filmfest Hamburg in diesem Jahr 2014 einen tragenden Teil seines Programms dem Film der ehemaligen DDR widmet und viele bekannte, und weniger bis gar nicht bekannte, Werke von DDR-Regisseuren retrospektiert, ist natürlich kein Zufall, sondern hängt mit dem Vierteljahrhundert zusammen, das seit 1989 vergangen ist, und es zeugt von einer Planung, die jetzt Filme auf die Leinwand bringt, von denen viele weit mehr als nur filmhistorisch von Belang sind.
Dass diese Retrospektive von Andreas Dresen, dem Preisträger des Douglas-Sirk-Preises 2011, kuratiert wurde, hat mich sehr gefreut. Halt auf freier Strecke, der Film, der 2011 hier im Rahmen der Preisverleihung an ebendenselben Andreas Dresen gezeigt wurde, hat mich damals außerordentlich berührt.
Wir entdecken in Hamburg auch in diesem Jahr eine großartige Vielfalt des filmischen Angebots. Dabei reicht das Programmspektrum wie immer, seit es dieses Fest gibt, vom cineastisch anspruchsvollen Arthouse-Film bis hin zum innovativen Mainstreamkino. Ein schönes Begriffs-Doppel, das mir nie eingefallen wäre, aber ich habe es jetzt gern zitiert.
Norddeutsche Produzenten sind auch international erfolgreich. Mich freut, dass sie dieses Jahr in allen Sektionen des Filmfests zu finden sind. Auch in der Sektion Kaleidoskop Filme aus aller Welt. Dort kann das Filmfest Hamburg 2014 allen voran The Cut von Fatih Akın präsentieren. Dieses Jahr geht der Douglas-Sirk-Preis an ihn.
Fatih Akın ist Sohn unserer Stadt und als Filmemacher, Autor und Regisseur schon längst weltberühmt. Mit The Cut thematisiert er das schreckliche Schicksal des armenischen Volkes, das so prononciert wohl zuletzt Franz Werfel vor mehr als siebzig Jahren in seinem Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh behandelt hat. Völkermord, Flucht und Vertreibung: Die Aktualität dieser Thematik ist leider nur zu offensichtlich. Neu ist hingegen, wieder leider, dass ein europäischer Filmemacher nun offenbar auch damit rechnen muss, von extrem nationalen Kräften für seine Arbeit und Haltung bedroht zu werden eine Entwicklung anderenorts, die ich mit großer Sorge sehe und die wir nicht hinnehmen dürfen.
Meine Damen und Herren,
die Filmwirtschaft ist mit knapp 1.100 Unternehmen und rund 5.300 Erwerbstätigen ein wichtiger Zweig der hiesigen Medien- und Kreativwirtschaft und für die weitere Entwicklung dieses Sektors, vor allem angesichts fortschreitender Audiovisualisierung, von zunehmender Bedeutung.
Ein Grund dafür sind sicherlich die Veränderungen, die mit dem Begriff Digitalisierung nur unzureichend beschrieben sind. Die Kreativwirtschaft ist als eine der ersten Branchen damit konfrontiert worden, dass neue technologische Möglichkeiten etablierte Geschäftsmodelle unter Druck setzen. Sie ist aber längst nicht mehr allein.
Mittlerweile schauen viele auf die Kreativwirtschaft, um zu lernen, wie sich aus den völlig neuen Produktions-, Distributions- und Wettbewerbsbedingungen neue Wertschöpfung generieren lässt. Denn die Digitalisierung ist keineswegs bloß eine Bedrohung, sie ist eine große Chance, wenn wir es richtig angehen. Medien-Unternehmen stehen vor einer make or break Aufgabe und alle in Redaktionen und anderswo Medienschaffenden, seien sie freiberuflich oder abhängig beschäftigt, müssen im Interesse einer funktionierenden demokratischen Öffentlichkeit Teil der Lösung sein. Anpassungen, die erforderlich sind, schnell, aber durchdacht und effizient vorzunehmen die darin liegenden Chancen gilt es zu erkennen und zu nutzen.
Die Politik kann und wird dabei helfen... und wie gesagt, sie wird dabei in auch den Film wie bisher nach Kräften fördern. Auch in Hamburg. Sie will zusammen mit allen stake-holdern entsprechende Rahmenbedingungen, im besten Fall eine umfassende Media Governance für das digitale Zeitalter schaffen.
Meine Damen und Herren,
zum Schluss will ich noch einmal kurz auf Timbuktu zurückkommen, den Abschlussfilm von Abderrahmane Sissako. Der Film thematisiert Dschihadismus und Terrorismus, zeigt Bilder aus einer Stadt, die in einem unmenschlichen System gefangen ist. Timbuktu ist glücklicherweise nicht überall, aber andererseits den Wirklichkeiten in manchen Ländern inzwischen doch nahe. So klingt das 22. Filmfest also dieses Jahr aus, so bewegend und so wirklichkeitsnah, dass wir es auch als Chiffre verstehen können und sollten nämlich für uns als Ermahnung, überall dort für zivilgesellschaftliches Zusammenleben einzustehen, wo es in unserer Macht steht.
Ich wünsche Ihnen ein Filmfest mit vielen nachdenklichen und auch vielen schönen Momenten.
Ihnen, Herr Wiederspiel und Ihrem Team danke ich für die Arbeit der vergangenen Jahre. Dem Filmfest und Ihnen wünsche ich ein weiter wachsendes Publikumsinteresse, dem Publikum viele sehenswerte und anregende Filme.
Danke fürs Zuhören.
Es gilt das gesprochene Wort.