"Hamburg gilt in ganz Deutschland als Vorbild" "Bild"-Interview Teil 1
"Bild": Was sehen Sie als größte Herausforderung für 2017?
Olaf Scholz: Unter anderem die Integration der anerkannten Flüchtlinge. Bei den jungen Leuten geht das gut, wir sorgen dafür, dass sie eine Ausbildung und eine Perspektive bekommen. Bei den Älteren geht es darum, die berufliche Integration voranzubringen. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass diejenigen wieder gehen, die nicht anerkannt werden.
"Bild": Momentan warten 7000 Flüchtlinge auf einen Platz in einer Folgeunterkunft. Wie wollen Sie die wie geplant bis zur Jahresmitte schaffen?
Olaf Scholz: Wir kommen gut voran. Hamburg gilt in ganz Deutschland als Vorbild. In anderen Städten sind noch immer Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht das gibt es bei uns nicht.
"Bild": Andere Städte haben aber auch nicht angekündigt, bis Jahresende 5600 Express-Wohnungen zu bauen und mussten dann zurückrudern
Olaf Scholz: Wenn man etwas macht, was sonst kein anderer macht, dann stößt man auf manche Schwierigkeiten, die andere gar nicht kennenlernen werden. Trotzdem werden die Wohnungen gebaut.
"Bild": Wann denn?
Olaf Scholz: Einige werden gerade bezogen. Für fast alle anderen wird bis zum Jahresende die Genehmigung erteilt. Das werden dann Gebäude sein, die man später als normalen Wohnraum nutzen kann, wenn sie nicht mehr als Flüchtlingsunterkunft dienen. So müssen wir das Geld nur einmal ausgeben und nicht zweimal. Zu den vielen Wohnungen, die so ohnehin in der Stadt entstehen, kommen diese noch hinzu. Aber es wird noch dauern, bis alle Flüchtlinge in regulären Wohnungen irgendwo in der Stadt untergebracht sind. Wir haben im Übrigen die Hoffnung, dass wir zum Ende des nächsten Jahres angemessene Unterkünfte für alle haben.
"Bild": Ärgert Sie rückblickend die Expresswohnungs-Zusage?
Olaf Scholz: Nein. In Sachen schnelleres Genehmigen und Bauen haben wir jetzt viel Erfahrung gesammelt, das hilft uns auch bei anderen Bauvorhaben.
"Bild": Sind Sie sicher, dass der mit den Bürgerinitiativen gegen Großunterkünfte ausgehandelte Kompromiss hält?
Olaf Scholz: Ja, ich bin optimistisch, dass die Vereinbarungen, die wir getroffen haben, halten.
"Bild": Wo ist Ihr Erkenntnisgewinn nach der Flüchtlingskrise?
Olaf Scholz: In Deutschland haben die Verantwortlichen im vergangenen Jahr teilweise die Kontrolle über die Lage verloren. Das war nicht gut, das darf sich nicht wiederholen. Mittlerweile haben wir viele Gesetze geändert, die uns ermöglichen, mit einer solchen Herausforderung besser umzugehen. Europa hat diese Aufgabe noch nicht als gemeinsame angenommen. Das bleibt einer der großen Punkte auf der europäischen Tagesordnung.
Das Interview führten Nadja Aswad und Markus Arndt.