Interview mit der Frankfurter Rundschau
Herr Scholz, wie werden Sie beim Volksentscheid in Hamburg am 18. Juli abstimmen?
Ich werde für die Vorlage der Bürgerschaft stimmen, weil die Schulreform aufgrund der Intervention der SPD inzwischen so gut geworden ist, dass Sie meine Zustimmung und die Zustimmung von vielen Hamburgern verdient.
Ist die Reform besser als ihr Ruf?
Mittlerweile schon, weil der schwarz-grüne Senat viele unserer Forderungen aufgenommen hat. Künftig wird es in Hamburg nur noch zwei weiterführende Schulen geben - das Gymnasium und die Stadtteilschule. Die SPD hat durchgesetzt, dass jede Stadtteilschule eine Oberstufe erhält und damit das Abitur anbietet. Wir haben den absurden Vorschlag des Senats kassiert, das Elternwahlrecht abzuschaffen. Und wir haben einen individuell einklagbaren Rechtsanspruch für die Eltern durchgesetzt, dass in der Primarschule keine Klasse mehr als 23 Schüler und in Stadtteilen mit schwierigem Bildungsklientel sogar nicht mehr als 19 Schülern hat. Das sind gute Argumente, der Schulreform zuzustimmen.
Wenn das alles so schön ist, weshalb ist halb Hamburg im Augenblick auf den Barrikaden?
Der Senat hat schwere Fehler gemacht. Herr von Beust hat diese Reform von oben herab betrieben, das hat viele Hamburger aufgeregt. Zusätzlichen Ärger hat die schon erwähnte aberwitzige Idee ausgelöst, das Elternwahlrecht abzuschaffen. Und ganz sicher hat die jüngste Entscheidung von CDU und Grünen, die Kita-Gebühren anzuheben, viele Eltern erbost.
Welches Ergebnis erwarten Sie am Sonntag?
Eine Prognose ist schwer. Wichtig finde ich, dass es überhaupt eine Entscheidung gibt. Es wäre schlimm, wenn keine der Vorlagen das nötige Quorum von 20 Prozent der Wahlberechtigten erreichte. Dann stünde Hamburg vor einer demokratischen Legitimationskrise. Wir brauchen eine eindeutige Entscheidung.
Glauben Sie, dass der Erste Bürgermeister im Falle eines Scheiterns zurücktritt?
In vielen Medienberichten ist die Rede davon, dass der Bürgermeister amtsmüde sei. Ich habe darüber aber keine eigenen Erkenntnisse.
Stünde der SPD-Landeschef Olaf Scholz für den Fall von Neuwahlen als Spitzenkandidat bereit?
Die Sozialdemokraten stehen auf jeden Fall nicht als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung, sollte die jetzige schwarz-grüne Regierung in Hamburg auseinanderbrechen. Neuwahlen sind in einem solchen Fall die einzige richtige Lösung. Die Hamburgerinnen und Hamburger haben nach neun Jahren von der CDU-Regierung die Nase voll. Unsere bisherigen Planungen sehen vor, den SPD-Kandidaten im Sommer nächsten Jahres zu nominieren. Sollte es schneller nötig werden, sind wir vorbereitet.
Ist die Hamburger SPD schon wieder regierungsfähig? Bis vor kurzem sind die Genossen an Elbe und Alster nur durch Streit und Missgunst aufgefallen ist?
Seit Ende vergangenen Jahres ist es gelungen, dass die Hamburger SPD geschlossen agiert. Ich bin gerade mit 97 Prozent in meinem Amt als Landesvorsitzender bestätigt worden. Das ist nicht nur eine Anerkennung für mich, sondern für eine Gemeinschaftsleistung. Und unsere Arbeit wird von den Bürgern zunehmend honoriert. Unsere Umfragewerte steigen, und wir liegen in allen Erhebungen klar vor der CDU des Ersten Bürgermeisters.
Wenn man mal auf die Bundes-SPD guckt, fragt man sich schon, weshalb ihre Umfragewerte - anders als in Hamburg - weiterhin so schlecht sind.
Natürlich können wir Sozialdemokraten mit den jetzigen Umfragewerten im Bund nicht zufrieden sein, weil die SPD den Anspruch haben muss, ein Ergebnis deutlich über 30 Prozent zu erzielen. Aber wir liegen substanziell besser als zu Zeiten der Bundestagswahl.
Na, viel schlechter ging es auch kaum noch.
Geschenkt. Aber die wenigsten hätten der SPD zugetraut, innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit diesen Neuaufbau so überzeugend einzuleiten. Sicherlich hat uns dabei geholfen, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung das Land nicht regiert. Doch das Vertrauen zurückzugewinnen, das wir verloren haben, wird ein längerer Prozess.
Wie hilfreich oder gefährlich ist dafür die Ministerpräsidentenwahl in Düsseldorf am Mittwoch?
SPD und Grüne können Hannelore Kraft eigenständig zur Ministerpräsidentin wählen. Es wird sich zeigen, wie viele Wahlgänge dafür nötig sind. Ich bin froh, dass Nordrhein-Westfalen dann wieder sozialdemokratisch regiert wird, das ist ein ganz wichtiges Zeichen für Deutschland. Dadurch wird die Zustimmung zu sozialdemokratischer Politik in NRW und im ganzen Land sicherlich steigen.
Wie lange geben Sie einer Minderheitenregierung in NRW?
Wer eine Regierung beginnt, muss schon die ganze Legislaturperiode im Blick haben. Natürlich haben Regierungen ihr Schicksal nicht allein in der Hand, genauso wie man die Wahlergebnisse nicht in der Hand hat. Aber ich finde, dass Hannelore Kraft ziemlich klug vorgegangen ist, und bin deshalb hoffnungsvoll, dass ihre Regierung sehr lange halten wird.
Interview: Steffen Hebestreit
Hier finden Sie das Interview auf der Internetseite der Frankfurter Rundschau.