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14.05.2012

Hamburg profitiert von der Energiewende. Gastbeitrag für DIE WELT Hamburg. Ausgabe Montag, 14. Mai.

Hamburg profitiert von der Energiewende. Gastbeitrag für DIE WELT Hamburg. Ausgabe Montag, 14. Mai.

Eine der großen Herausforderungen für Windsurfer oder Segler ist die schnelle Wende ein Kurswechsel um 180 Grad, bei dem es darum geht, so wenig Geschwindigkeit wie möglich zu verlieren. Wer dieses Manöver nicht beherrscht, kann in harter Konkurrenz kein Rennen gewinnen. 

 

In der Energiepolitik sind wir gerade mitten drin im Wendemanöver. Wir haben den alten Kurs verlassen und den neuen fast erreicht. Wir haben das Zeitalter der Atomenergie abgeschlossen und nehmen Kurs auf eine neue Energiepolitik, Kurs auf Wind- und Solarenergie, auf moderne Technik und effiziente Energiespeicher. Wir haben die Hamburger Energiewende eingeleitet. Die Bürgerschaft hat sie in der vergangenen Woche beschlossen. Jetzt geht es darum, mit möglichst viel Geschwindigkeit aus dem Manöver heraus und auf den neuen Kurs zu kommen.

 

Wir haben uns entschieden, die Hamburger Energiewende zusammen mit den Energieversorgern zu vollziehen. Wir haben sie mit ins Boot geholt. Sie setzen ihr Wissen gemeinsam mit uns ein, um auf den richtigen Kurs zu kommen. Und unsere Vereinbarungen mit den Unternehmen sind viel mehr, als allein der Teilrückkauf der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme. Sie sind Basis dafür, dass Hamburg die Energiewende schafft. Sie sind Voraussetzung dafür, dass den Hamburger Kunden auch künftig Energie und Wärme in ausreichender Menge zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung steht. Und die Vereinbarungen zur Hamburger Energiewende sind Beiträge, um Hamburg als Zentrum für innovative Technik im Energieerzeugungsbereich weiter zu stärken. Viele Unternehmen aus diesem Bereich haben ihren Sitz in unserer Stadt. Siemens hat die Zentrale seiner Windenergiesparte nach Hamburg verlegt. Was nebenbei zeigt: Klimaschutz, Forschung, Energie- und Wirtschaftspolitik gehören bei uns zusammen. 

 

Die Siemens-Entscheidung hat das Image von Hamburg als Hauptstadt der Windenergie gefestigt. Sie war klug, sie war gut sowohl für das Unternehmen als auch für den Standort Hamburg, und sie war ein Beispiel für schnelles, entschlossenes Handeln. Andere große Unternehmen haben es ähnlich gemacht: Auf den Beschluss, aus der Atomenergie auszusteigen, haben sie - ohne Geschwindigkeit zu verlieren - den Kurs gewechselt, hin zu erneuerbaren Energien, hin zu moderner, umweltfreundlicher Energieerzeugung. Diese Unternehmen haben sich durch konsequentes und schnelles Entscheiden und Handeln einen Vorsprung in der weltweiten Konkurrenz verschafft. Und sie haben dazu beigetragen, dass Hamburg als Umwelthauptstadt 2011 - einen Vorsprung vor anderen Bundesländern gewonnen hat, was die Entwicklung moderner Technologien zur Energieerzeugung und nutzung angeht.

 

Diesen Vorsprung wollen wir nicht nur halten. Wir wollen ihn ausbauen. Und die Handelskammer hat recht, wenn sie appelliert, Hamburg müsse jetzt nach dem Beschluss durch die Bürgerschaft - möglichst schnell konkrete Projekte umsetzen, um unserer Vorreiterrolle gerecht zu werden. Wir wollen in Deutschland das Zentrum für ingenieurgetriebenen Umweltschutz und für klimaschonende Energieerzeugung sein. Dafür brauchen wir die Kompetenz der Energieunternehmen Vattenfall und EON, die sich der Stadt gegenüber verpflichtet haben, 1.6 Milliarden Euro in moderne Energieerzeugung und Energienutzung zu investieren in eine Anlage zur Umwandlung von regenerativem Strom in Wasserstoff und Methan zum Beispiel. Wir wollen, dass bisher ungenutzte Industrie-Abwärme in das Nah-Fernwärmenetz eingespeist wird. Und wir bauen ein neues Gas-und Dampfkraftwerk. Zu ihm werden Speicher gehören, die überschüssige Windenergie speichern. Und dieses Innovationskraftwerk löst ein weiteres Problem: Es macht die umstrittene Moorburg-Trasse überflüssig. 

 

In der kommenden Woche empfängt die Bundeskanzlerin die Ministerpräsidenten zum Energie-Gipfel. Die Energiewende fordert schließlich nicht nur Hamburg sie fordert alle Bundesländer. Etwa bei der Anbindung der Windparks in der Nordsee oder beim Ausbau der Stromtrassen, damit der Windstrom zum Beispiel von der schleswig-holsteinischen Westküste auch im Süden Deutschlands ankommt. Oder bei der Antwort auf die Frage, wie genug Energie auch dann vorhanden ist, wenn nachts keine Solarenergie produziert werden kann oder bei Flaute kein Strom aus Wind. 

 

Hamburg als große, pulsierende, kreative Stadt geht in der deutschen Energiepolitik vorweg und kann mit der angemessenen hanseatischen Zurückhaltung selbstbewusst beim Energiegipfel im Kanzleramt auftreten. Und wir wissen: Was für ein Wendemanöver auf einem großen Segler gilt, gilt auch für die Wende in der Energiepolitik: Einer allein kann den Kurswechsel nicht stellvertretend für alle anderen übernehmen. Jeder muss seinen Job machen, damit wir in Deutschland gemeinsam mit möglichst wenig Geschwindigkeitsverlust auf den neuen Kurs in Richtung erneuerbare Energien kommen. Mein Appell an die Bundesländer lautet: nicht zögern, sondern zupacken. Nicht die Schwierigkeiten zum Thema machen, sondern die Chancen für Klima und Klimatechnologie.

 

Hamburgs Vorsprung in der modernen Klima- und Energiepolitik wäre gefährdet, wenn die eingeleitete Energiewende gestoppt würde. Darüber werden die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt in einem Volksentscheid im kommenden Jahr entscheiden. Es wird dann zum Beispiel um die Frage gehen, ob Hamburg für über zwei Milliarden Euro Gasrohre, Stromkabel und Fernwärmeleitungen kauft und dafür den jetzt für weniger Geld - erreichten Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Unternehmen verliert. Ich bin optimistisch. Die Hamburgerinnen und Hamburger sind kluge Leute.