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22.11.2012

IBA-Lounge

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

ich begrüße Sie sehr herzlich hier in der Hamburgischen Landesvertretung zur 8. IBA-Lounge. Der Titel Wege zur neuen Stadt Ein erstes Resümee der Internationalen Bauausstellung Hamburg verspricht Rückblick und Ausblick zugleich, und beides wird heute umfassend erfolgen. 

 

Daneben stellt sich aber auch die Frage, wozu nach der neuen Stadt gesucht wird. Könnten wir Hamburger nicht einfach zufrieden sein mit dem, was wir haben? Als einer der bedeutendsten Handelsplätze der Welt mit einem breit gefächerten Branchenmix, als Hightech-Standort und Zentrum der Metropolregion, Motor der Energiewende, wachsende Millionenstadt und sprichwörtliches Tor zur Welt? 

 

Sie ahnen es: Ich schließe mich gern der Freude über das Erreichte an, aber ich finde ebenso, dass Hamburg keineswegs in irgendeiner Weise fertig, also zu Ende gedacht, gebaut und fortgeschrieben ist. Dafür ist die Entwicklung viel zu dynamisch. 

 

Das aktuelle Hamburg-Logo zeigt ein offenes Stadttor, und es steht für die sprichwörtliche Weltoffenheit unserer Stadt. Ein entscheidender Schritt dafür wurde zu Silvester 1860 unternommen, als die Torsperre in Hamburg aufgehoben und die noch verbliebenen Stadttore abgebrochen wurden. 

 

Hamburg war schon vorher eine Ankunftsstadt. Aber erst die formale Öffnung ermöglichte das Zusammenwachsen mit der Umgebung und das Wachstum Hamburgs zur heutigen Größe. In den 150 Jahren seither hatten die Stadtplaner viel zu tun, und sie haben es noch immer. 

 

Hamburgs Bevölkerungszahl hat sich in diesem Zeitraum verzehnfacht auf aktuell 1,8 Millionen Einwohner. In wenigen Jahren werden es nach aller Voraussicht 1,9 Millionen sein, vielleicht sogar mehr. Mehr als fünf Millionen leben in der Metropolregion. Für uns ist das eine glückliche Lage, um die uns viele anderen Städte und Kommunen in Deutschland beneiden. 

 

Gleichzeitig kann sich Hamburg selbst aber nicht ausdehnen jedenfalls nicht in die Breite, denn da gibt es unverrückbare Stadtgrenzen. Wir müssen uns also etwas überlegen, wie wir schon jetzt das Hamburg von morgen organisieren.

 

Wir müssen uns fragen: Welche Infrastruktur brauchen wir, welche Autobahnen sind nötig, wie sollen sich Busse, U  und S Bahnen entwickeln, damit weiter alles reibungslos läuft? Was braucht der Hafen, um auch künftig weltweit mitspielen zu können und viele tausend Arbeitsplätze zu sichern? Woher kommen Strom und Wärme? Und wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum für alle? 

 

Wir brauchen Mut und Fantasie zur großen, zur sich weiterentwickelnden Stadt! Worauf es dabei entscheidend ankommt, ist der richtige Blickwinkel: Einer ist zum Beispiel die Perspektive berufstätiger Eltern. 

 

Beispielhaft zeigt sich das in Wilhelmsburg: Die im April startende Internationale Gartenschau und vor allem die IBA zeigen Wege auf für eine Entwicklung des lange vergessenen Stadtteils: die IBA mit 70 innovativen Projekten zur Stadtentwicklung von morgen, die IGS mit einem beispiellosen Ideenreichtum von Gärtnern, Züchtern und Landschaftsarchitekten, der sich in mehr als 1.000 Bildungs- und Kulturveranstaltungen präsentiert. 

 

Wer mit dem Auto oder dem Zug von Süden schon einmal nach Hamburg gekommen ist, kennt Wilhelmsburg, ohne sich dessen vielleicht bewusst zu sein. Hamburgs wohl buntester Stadtteil steht am Beginn eines vielversprechenden Wandels mit positiven Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt, auf Bildungsangebote und den Einzelhandel. 

 

Schon früh lebten viele Zuwanderer hier, die nahe ihrer Arbeitsstätten wohnten. Aktuell ist der Anteil der Bewohner mit Migrationshintergrund fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt Hamburgs. Mehr Vielfalt geht nicht, hat es das Hamburger Abendblatt auf den Punkt gebracht, und die Internationalität des Viertels und die erschwinglichen Mieten werden zunehmend geschätzt, beispielsweise von jungen Leuten, die den Süden der Stadt gerade für sich entdecken. 

 

Hier bündeln sich die stadtplanerischen Herausforderungen und Chancen in besonderer Weise: In Nord-Süd-Richtung durchschneiden die A 1 und die Wilhelmsburger Reichsstraße den Stadtteil, und seit gut 100 Jahren bestimmen der Hafen und große Industrieanlagen das Bild des Quartiers. 

 

Die Vergangenheit hat diesem Stadtteil viel abverlangt: Im Zweiten Weltkrieg wurde Wilhelmsburg massiv bombardiert, und die verheerende Sturmflut 1962 kostete mehr als 200 Bewohner das Leben. 

 

Aber mittlerweile ist zu spüren: IBA und IGS sorgen für ein neues Selbstbewusstsein Wilhelmsburgs. 

 

Wilhelmsburg und die Elbinseln präsentieren sich international, werden für Hunderttausende Besucherinnen und Besucher sichtbar eine einmalige Chance, Wilhelmsburg als einen Lebensraum zu begreifen, als Stadt in der Metropole. Als einen Raum, in dem man gern lebt. In dem man arbeitet, in dem wohnt, in dem man einkauft, seine Freizeit verbringt, Sport treibt, Freundschaften und Hobbys pflegt. 

 

Und der Schwung, der von der IBA und auch der IGS ausgeht, ist kein Strohfeuer. Hier wird die Zukunft gemacht, und mancherorts ist sie auch schon zu sehen. 

 

Das 35 km2 große Projektgebiet der IBA auf den Hamburger Elbinseln Wilhelmsburg und Veddel sowie im Harburger Binnenhafen soll zu einem Vorbild für nachhaltige, zukunftsorientierte Innenentwicklung werden. Dort leben 55.000 Menschen aus mehr als 100 Nationen. 

 

Nur wenige S-Bahn-Minuten vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt wächst und blüht ein metropolitanes Patchwork, durchschnitten von Verkehrsschneisen. Kaum irgendwo sonst finden sich so harte Stadtkanten und Brüche wie auf Europas größter Flussinsel, der zweitgrößten bewohnten Flussinsel der Welt nach Manhattan.

 

Die Flussinseln sind seit jeher ein Transitraum. Aber auch kaum ein Ort bietet so viel Grün und

Wasser, Stadt und Landschaft nebeneinander. 

 

Die IBA in Hamburg schafft mit dem Leitthema Metrozonen neue Räume für die

Stadt ganz neue Qualitäten in den inneren Stadträumen. Es entstehen attraktive

Angebote für Wohnen und Arbeiten in der inneren Stadt, die auch den Nachfragedruck in ganz Hamburg verringern helfen. 

 

Metrozonen sind Quartiere der kurzen Wege und mit hoher Energie-Effizienz ein Stück Stadt von morgen. Sie haben das Potenzial für neue Quartiere und sie zeigen vorbildlich das Potenzial für das Wachstum der Stadt. 

 

Einige besonders wichtige Schwerpunkte möchte ich nennen: 

 

  • Die Verlegung der Reichsstraße mit ordentlichem Lärmschutz macht aus zwei von drei Trennlinien nur noch eine und schafft neuen Raum, auch Platz für neuen Wohnraum. Insgesamt können hier in den kommenden bis zu 3.700 Wohnungen neu entstehen. 1.100 neue Wohneinheiten sind bis 2013 schon realisiert, außerdem die energetische Modernisierung von 449 Wohneinheiten und mehr als 90.000 m² Büro- und Dienstleistungsflächen.
  • Umweltfreundlicher Verkehr wiederum unterstützt die Energiewende sie muss an vielen Orten gleichzeitig stattfinden. Das Klimaschutzkonzept Erneuerbares Wilhelmsburg setzt dafür Maßstäbe. Die Klimaneutralität aller IBA-Bauprojekte war ein erster Schritt. Das langfristige Ziel heißt klimaneutrale Elbinseln. Angesichts der Herausforderungen der Energiewende stellen wir mit der IBA die richtigen Fragen und zeigen zukunftsweisende Projekte.
  • In der Bildungsoffensive Elbinseln arbeiten bis zu 100 verschiedene Einrichtungen der Elbinseln daran, die Bildungs-, Beratungs- und Erziehungsangebote in Wilhelmsburg und auf der Veddel durch entwickelte Kooperationen zu verbessern für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen. Attraktive Bildungsangebote sind der Dreh- und Angelpunkt für die Zukunftsfähigkeit und die Attraktivität des Stadtteils. Nicht zu vergessen auch Schulprojekte wie die Kooperation von städtischer Schule und Waldorfschule in Wilhelmsburg.
  • Dass die Attraktivität des ehemals vernachlässigten Stadtteils wächst, merken wir an der zunehmenden Nachfrage durch Immobilieninvestoren. Gerade sie brauchen Planungssicherheit, und die geben wir ihnen mit dem Bekenntnis zu Wilhelmsburg auch nach IBA und IGS. 
  • Neben den Investitionen im Wohnungsbau entsteht bis 2013 erstmals auch ein größerer Dienstleistungsstandort, die Mitte Wilhelmsburg, dazu kommen weitere IBA-Projekte, die auf die Kreativwirtschaft und das örtliche Gewerbe abzielen wie etwa die Veringhöfe und der Welt-Gewerbehof. 
  • Und nicht zuletzt dürfen wir uns auf die Weiterentwicklung des Inselparks als Volkspark des 21. Jahrhunderts freuen. Hier entsteht ein Freizeitgelände, das Wilhelmsburg als Ganzes aufwertet. 

 

Meine Damen und Herren, 

unsere zunehmend flexible, mobile und was die Lebensqualität angeht immer anspruchsvollere Gesellschaft verlangt nach Antworten auf die Frage, wie Stadt aussehen kann und soll. Und es ist ein gutes Zeichen, dass inzwischen kaum ein Thema so lebhaft diskutiert wird wie Stadtentwicklung. Das ist gut so. 

 

Planungen funktionieren heute nicht mehr so wie in den 50er- und 60er-Jahren ganz ohne Bürgerinnen und Bürger, und es wäre auch schade um die vielen Anregungen und verschiedenen Blickwinkel, die für eine Entwicklung im Interesse aller nötig sind. 

 

Die Beteiligung der Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger an dem Diskussionsprozess der jeweils individualisierten Beteiligungsverfahren ist bislang beispiellos. Dazu zählen die halbjährlichen Projektdialoge zu zehn Projekten, allein 66 Sitzungen des IBA/igs-Beteiligungsgremiums, 20 Architektur- und städtebauliche Wettbewerbe, sechs IBA-Foren, sechs öffentliche Bürgerdialoge, außerdem künstlerische Beteiligungsformate, IBA Labore, Projektaufrufe, Stadtteilwerkstätten und Vieles mehr. All das verankert die Ergebnisse im Stadtteil und im Bewusstsein der Bevölkerung. 

 

Die IBA Hamburg ist eine Art gläsernes Fortschrittslaboratorium. Sie erforscht seit 2006, welche städtebaulichen Möglichkeiten in den Grenz- und Übergangsorten der Metropole stecken und zeigt, wie die inneren Stadtränder zu lebenswerten Quartieren werden können in sozialer und ökologischer Balance. 

 

Die IBA Hamburg liefert zukunftsfähige Antworten für die Stadtentwicklung genauso wie für den Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach Beteiligung. Sie steht für unseren Weg zur neuen Stadt.

 

Ich wünsche der heutigen Diskussion einen spannenden Verlauf und uns allen einen anregenden Abend. 

 

Vielen Dank. 

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.