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09.07.2011

"Ich wünsche Schäuble Erfolg" - ein Interview mit der Welt

 

Die WELT: Herr Scholz, Sie sind etwas mehr als 100 Tagen Bürgermeister. Ihr Senat gilt bereits als uninspiriert. Welche Note geben Sie sich selbst?

 

Olaf Scholz: Die Bürger geben dem Senat gute Noten. Bei der letzten Umfrage zeigten sich 69 Prozent der Hamburger mit der Arbeit des Senats zufrieden oder überwiegend zufrieden; bei der Sonntagsfrage erreichten wir beinahe das sehr gute Wahlergebnis von 48 Prozent. Auf gut Hamburgisch: Das haben wir ordentlich gemacht.

 

Also eine drei?

 

Sie verstehen das Hamburgische nicht.

 

Es heißt, Ihrem Senat fehle die Leidenschaft: Für was wollen Sie kämpfen? Was liegt Ihnen besonders am Herzen?

 

Ich möchte, dass Hamburg die kinderfreundlichste Stadt wird. Wir schaffen flächendeckend Kindergartenplätze und eine kostenlose Betreuung für fünf Stunden pro Tag. In Grundschulen wird keine Klasse mehr als 23 Schüler haben, in schwierigem Lernumfeld sogar nur 19 Schüler. Und: Jeder Jugendliche soll eine Berufsausbildung haben.

 

Was ist mit der Haushaltskonsolidierung?

 

Der Haushalt ist die zentrale Herausforderung. Ich habe vor der Wahl gesagt, dass wir das Ausgabenwachstum begrenzen. Damit haben wir begonnen.

 

Warum so zögerlich? Die Schuldenbremse soll erst 2020 wirken.

 

2020 ist das Jahr, das das Grundgesetz vorschreibt. Das Ziel, dann keine neuen Schulden mehr zu machen, ist ehrgeizig, aber realistisch. Wenn man die Einnahmesteigerungen aus der Vergangenheit zugrunde legt das sind zwei Prozent pro Jahr , dann können die Ausgaben nur um weniger als ein Prozent wachsen. Das heißt, wir geben strukturell weniger aus als vorher.

 

Das heißt konkret?

 

Wir werden die Zahl der Mitarbeiter in der Verwaltung jedes Jahr um 250 reduzieren. Auch das habe ich schon vor der Wahl gesagt. Wahrscheinlich werden es mehr sein. Wir müssen mit den Steuergeldern  auskommen, die die Bürger uns zur Verfügung stellen.

 

Warum sind die Länder bisher nicht damit ausgekommen? Hamburg hat dieses Jahr eine gute Milliarde Steuermehreinahmen.

 

Hamburg gibt trotzdem bisher eine Milliarde Euro mehr aus als es einnimmt. Und die Vorgängerregierung hatte in wenigen Jahren 3.000 Stellen zusätzlich geschaffen. Dieses strukturelle Defizit reduzieren wir Jahr für Jahr bis 2020. Dann werden laufende Ausgaben und Investitionen nicht mehr mit Krediten finanziert. Das ist bemerkenswert!

 

Bringt die Schuldenbremse etwas?

 

Ohne Verpflichtung im Grundgesetz ist das Schuldenmachen nicht zu stoppen. Die FDP wird das erste politische Opfer dieser Schuldenbremse sein. Denn die maßlosen Steuersenkungsversprechen der FDP sind irreal in Zeiten, in denen Haushalte in Ordnung gebracht werden müssen.

 

Ihr Kollege Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz sagt, Steuern müssten grundsätzlich erhöht werden. Wer soll mehr zahlen?

 

Die Haushalte in Bund und Ländern bekommen wir nur in den Griff, wenn wir die Ausgaben begrenzen. Eine Verbesserung der Steuereinnahmen ermöglicht lediglich mehr Steuergerechtigkeit. Wenn der Spitzensteuersatz steigen soll, muss es an anderer Stelle Entlastungen geben.

 

40 Prozent der Bundesbürger zahlen gar keine Einkommensteuer. Wen wollen Sie da noch entlasten und vor allem: wo?

 

Alle wissen: Wer wenig verdient, kann am besten entlastet werden, wenn Sozialversicherungsbeiträge sinken. Darauf liegt unser Augenmerk. Große Sprünge sind aber auch da nicht möglich. Es geht darum, an der einen oder anderen Stelle zielgenau umzusteuern.

 

Die FDP will jetzt auch Sozialabgaben senken. Das ist doch eine gute Idee?

 

Wenn die FDP darauf zielt, in die Rentenkasse zu greifen und die Beiträge zur Rentenversicherung schon im nächsten Jahr mehr zu senken als es das Gesetz ohnehin hergibt, dann wäre das unverantwortlich.

 

Ist der Spitzensteuersatz richtig bemessen? Es müssen viele Menschen den Spitzensteuersatz zahlen, weil er schon ab 53.000 Euro pro Jahr gilt.

 

Wenn der Spitzensteuersatz steigt, sollte auch die Einkommenssumme steigen, ab der er erhoben wird. Die Diskussion darüber ist in der SPD aber noch nicht abgeschlossen.

 

Wie uneins ist die SPD bei den Steuern? Das Steuerkonzept sollte im Frühjahr vorliegen und wird immer wieder verschoben.

 

Wir werfen nicht mit Zahlen und Konzepten umher, sondern rechnen seriös. Die Koalition kündigt pauschal Steuerentlastungen an, ohne irgendwelche Zahlen zu nennen. Das sind Luftbuchungen.

 

Ist das SPD-Konzept denn fertig?

 

Wir arbeiten noch daran.

 

Die Union hat schon Gespräche mit den Bundesländern über Steuersenkungen angekündigt. Wenn die Kanzlerin mit Ihnen reden will, was wünschen Sie sich von ihr?

 

Ich verweigere mich keinem Gespräch mit der Kanzlerin. Wenn sie uns zu Gesprächen einlädt, werden wir erscheinen. Aber Frau Merkel soll wissen: Kein Bundesland kann auf Geld verzichten. Es wird deshalb keine Steuersenkungen geben. Das sagen auch meine Amtskollegen, die der CDU angehören. Die Bundesregierung sollte die Bürger ernst nehmen. Wer Steuerentlastungen auf Pump verspricht, sorgt für Politikverdrossenheit.

 

Sie haben in Hamburg mit einem wirtschaftsfreundlichen Wahlkampf gewonnen. Wie passt das zu Steuererhöhungen?

 

Wir machen in Hamburg eine sehr aktive Wirtschaftspolitik. Und deshalb wissen wir auch, dass die meisten kleinen und mittelständischen Betriebe, die Einkommensteuer zahlen, keineswegs den höchsten Steuersatz zahlen. Auch konservative Regierungen in Europa sagen: Wer viel Geld verdient, kann etwas mehr Steuern zahlen vorausgesetzt, das alles findet in einem Umfeld statt, in dem der Haushalt konsolidiert wird.

 

Was bedeutet es, wenn der einfache Bundestagsabgeordnete Peer Steinbrück einer der beliebtesten Politiker im Land ist?

 

Das bedeutet, dass Peer Steinbrück gute Arbeit gemacht hat. Er war ja schon beliebt, als er Bundesfinanzminister war.

 

Sie sprechen in der Vergangenheitsform.

 

Er wird bis heute sehr geschätzt.

 

Steinbrück tourt durchs Land und hält viele Vorträge. Ist das, was ein einfacher Abgeordneter zufällig macht oder ist das ein Warmlaufen eines Kanzlerkandidaten?

 

Es ist jedenfalls gut.

 

Hat der SPD-Vorsitzende Gabriel recht, dass alle Ministerpräsidenten der SPD potenzielle Kanzlerkandidaten sind?

 

Dass die SPD viele mögliche Kanzlerkandidaten hat, ist doch eine gute Botschaft.

 

Wird die schwarz-gelbe Koalition bis 2013 durchhalten?

 

Ja, auch wenn ich das mit demselben Missvergnügen betrachte wie die meisten Bürger.

 

Wer wird sich im Steuerstreit durchsetzen: Minister Schäuble oder die FDP?

 

Mein Eindruck ist, dass Herr Schäuble die Aufgabe der Haushaltskonsolidierung ernst nimmt. Der Finanzminister ist erfahren, er agiert verantwortungsvoll. Er weiß: Ständig mehr Schulden zu machen, gefährdet die Demokratie. Daher wünsche ich Herrn Schäuble Erfolg.

 

Das Interview führten Philipp Neumann und Daniel Friedrich Sturm.



 

 

> das Interview auf der Website der 'Welt'