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08.07.2011

Im Bundesrat zum Atomausstieg

 

Meine Damen und Herren!

 

Vor ungefähr zehn Jahren hat Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Es ist beschlossen worden, dass es Anfang der 2020er Jahre zum endgültigen Verzicht auf die Nutzung der Atomenergie kommen soll. Was wir heute tun, ist die Erneuerung dieses Beschlusses.

 

Ich erwähne das deshalb, weil einige in der politischen Debatte sagen, das sei jetzt ein sehr kurzer Anlauf, und fragen, wie man den Ausstieg in so kurzer Zeit bewältigen könne. Tatsächlich hatten Unternehmen und viele, die im Bereich der politischen Planung damit zu tun haben, fast zehn Jahre Zeit, sich auf Anfang der 2020er Jahre einzustellen.

 

Wenn wir jetzt feststellen müssen, dass das eine ehrgeizige Aufgabe bleibt, hat das damit zu tun, dass sehr viele darauf spekuliert haben, man könne die Atomenergie länger nutzen. Sie haben ihre ganze politische Kraft darauf gerichtet, Mehrheiten herzustellen, die eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke ermöglichen. Im letzten Jahr haben sie das auch geschafft.

 

Wenn jetzt zu dem zurückgekehrt wird, was vor längerer Zeit schon einmal beschlossen war, bleibt es dabei, dass Deutschland einen fast 20 Jahre währenden Zeitraum in den Blick genommen hatte, als es das erste Mal den Beschluss fasste, aus der Atomenergie auszusteigen. Das ist in der Tat lange genug, um alle notwendigen Investitionen zu bewirken.

 

Weil einige zu lange darauf gesetzt haben, dass es doch noch anders komme, müssen wir uns jetzt mehr anstrengen, als wenn man von vornherein alles Notwendige unternommen hätte. Deshalb ist es richtig, dass heute nicht nur der endgültige Ausstieg im Jahre 2022 beschlossen wird, sondern gleichzeitig eine ganze Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht werden, die dazu beitragen, dass Deutschland, das auf eine hohe und bezahlbare Energieversorgung angewiesen ist, diese im Jahre 2022 in ausreichendem Maße zur Verfügung hat.

 

Ich will nicht alles wiederholen, was heute und bei der letzten Debatte im Bundesrat schon gesagt wurde, aber doch erwähnen, dass für die Zukunft unserer Energieversorgung die erneuerbaren Energien, insbesondere die Windkraft einschließlich offshore , eine zentrale Rolle spielen.

 

Wir müssen alles tun, damit das gelingt. Deshalb bin ich mit den Kollegen einer Meinung, die es gutheißen, dass die Förderung der Offshore-Windkraftnutzung verbessert worden ist. Dadurch ist es realistisch geworden, dass die Unternehmen in Windkraftparks vor der Küste Deutschlands investieren.

 

Genauso wichtig ist es, gleichzeitig die Übertragungsnetze zu bauen, damit der Strom dorthin kommt, wo er neben all dem, was an Onshore-Windkraft und anderer Energieerzeugung stattfindet weiterhin gebraucht wird: im Westen und Süden Deutschlands.

 

Unter den ergänzenden Maßnahmen, die wir beschließen, gibt es eine Reihe von Gesetzen, von denen sich Hamburg versprochen hatte, dass es noch besser geht. Aber unabhängig von den Zielsetzungen, die die einzelnen Länder haben und die alle hier im politischen Raum verfolgen, steht doch fest: Nicht alles, was wir heute beschließen, hat im Wirklichkeitstest Bestand.

 

Deshalb will ich dem Bundesminister und der Bundesregierung ein Versprechen machen: Wir werden Ihnen niemals vorwerfen, dass Sie nachbessern. Wir wünschen uns Nachbesserungen. Bei einem solch großen industriellen Vorhaben ist das notwendig. Es sollte relativ zügig geprüft werden, welche gesetzlichen Maßnahmen, welche Dinge, die wir hier auf den Weg gebracht haben, eigentlich funktionieren und welche nicht. Auf alle Fälle ist klar: Nachbesserungen wird es geben müssen. Das sollte weiterhin im Konsens geschehen. Die Bundesregierung sollte sich nicht darauf versteifen: Das haben wir beschlossen; das muss unverändert so bleiben!, sondern die Größe besitzen, später Veränderungen des heute zu beschließenden Paketes zu ermöglichen. Bei den Verhandlungen, die in den letzten Tagen und Wochen stattgefunden haben, ist es um viele Dinge gegangen. Ich bekenne unverhohlen, dass ich mir heute Morgen gewünscht hätte, dass weitere Fortschritte möglich sind. Ich hätte sogar darauf gewettet, dass es zu dem einen oder anderen Fortschritt kommt. Zum Beispiel war ich fest davon überzeugt, dass die Ministerpräsidenten der Union es schaffen, bei der Förderung der Gebäudedämmung zur Erhöhung der Wärmeeffizienz mindestens den Betrag zu erreichen, den es während der großen Koalition unter Verantwortung des Bundesministers Gabriel schon gegeben hat: knapp über 2 Milliarden Euro. Ich habe angenommen, dass man das spätestens am Donnerstag vor der Bundesratssitzung locker erreicht. Dass Sie das nicht geschafft haben, ja nicht einmal eine Protokollerklärung dieses Inhaltes zustande gebracht haben, finde ich sehr betrüblich. Das ist bestimmt der erste Punkt, der in relativ kurzer Zeit nachgebessert werden muss.

 

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, bei dem ich mit den Ergebnissen nicht zufrieden bin. Bei allen Veränderungen im Hinblick auf die erneuerbaren Energien halte ich es für notwendig, dass wir die Kostenbelastung für die klassische deutsche Industrie nicht in unermessliche Höhen treiben. Wir wissen, dass Deutschland ein Industrieland ist. Deutschland istdas Industrieland in Europa. Wir haben große industrielle Betriebe, wir haben viele mittelständische Unternehmen, die in der Industrie tätig und auf dem Weltmarkt erfolgreich sind. Das ist etwas Besonderes, etwas, was unser Land kennzeichnet, das anderswo keineswegs in gleicher Weise existiert.

 

Angesichts dessen bin ich bedrückt, dass die Ausnahmen, die Entlastung zu Gunsten energieintensiver Betriebe, die wir heute beschließen sollen, nicht in allen Fällen wirklich helfen. Ich appelliere auch an dieser Stelle noch einmal an alle, bei den Veränderungen wenn sie heute nicht gelingen, dann in den nächsten Wochen und Monaten die Frage zu berücksichtigen: Können unsere Industrieunternehmen mit den zusätzlichen Belastungen, was ihre Energiekosten betrifft, umgehen?

 

Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung spätestens nach der Sommerpause mit diesen Unternehmen, die jeder von uns benennen kann, einmal ein Gespräch führt und konkret nachrechnet, ob deren Schwierigkeiten nicht möglicherweise zu Recht bestehen. Ich glaube das. Wir müssen sicherstellen, dass diese Unternehmen in Deutschland bleiben. Das werden sie das kann man locker sagen , weil sie viel Geld, manchmal sogar Milliarden, investiert haben. Ich möchte, dass sie auch in Zukunft in Deutschland investieren. Das ist für uns von größter Bedeutung. Wenn die Belastungen aber so groß sind, dass sie auf dem Weltmarkt nicht konkurrieren können, dann ist das ein Problem. Nicht wenige Unternehmen produzieren Waren zu Preisen, die auf Weltmarktbörsen gehandelt werden. Es sind zugleich oft Unternehmen, die keine Möglichkeiten der Steigerung der Energieeffizienz mehr haben, weil sie technologisch nach unserem heutigen Wissen ausgeschlossen sind. Ihnen höhere Belastungen aufzuerlegen bedeutet, die Investitionsbedingungen zu verschlechtern, und das wäre nicht richtig. Deshalb halte ich es für notwendig, dass wir an dieser Stelle noch zu einer Veränderung kommen.

 

Also: Gut, dass wir heute den Atomausstieg beschließen! Gut, dass wir bei dem bleiben, was schon seit vielen Jahren Konzept dieses Landes ist: Anfang der 20er Jahre dieses Jahrhunderts ist Schluss mit der Nutzung der Atomenergie. Seien wir mutig das gilt insbesondere für die Bundesregierung , und bekennen wir uns zur Fähigkeit zur Nachbesserung! Schönen Dank.