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20.06.2009

Interview mit BILD online

BILD: Herr Arbeitsminister, am Arbeitsmarkt wird es wahrscheinlich erst in den nächsten Monaten richtig schlimm: Hat die Politik dann ihr Pulver dann schon verschossen oder gibt es noch weitere Möglichkeiten gegenzusteuern?

Scholz: Mit dem massiven Ausbau der Kurzarbeit, und anderen Instrumenten helfen wir den Unternehmen, in der Krise durchzuhalten. Die Erfolge sind beachtlich. Die Arbeitslosigkeit ist deutlich geringer als alle Experten prognostiziert hatten. Manche europaweit agierenden Konzerne entlassen derzeit Leute an Standorten außerhalb von Deutschland. Hier halten sie ihre Beschäftigten, nutzen Kurzarbeit und Qualifizierung. Das zeigt. Was wir tun, wirkt sehr gut. Und wenn die Krise sich noch zieht, können wir noch einmal nachlegen.

BILD: Können die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nächstes Jahr stabil bleiben.

Scholz: Der Beitrag bleibt 2010 definitiv stabil bei 2,8 Prozent. Falls die Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit nicht reichen bekommt die BA ein Milliarden-Darlehen aus der Bundeskasse. Denn es wäre völlig falsch, mitten in der Krise die Beiträge anzuheben oder die aktive Arbeitsmarktförderung zurückzufahren.

BILD: Sie fordern im Ausbildungspakt von den Unternehmen auch 2009 mindestens 600.000 Ausbildungsplätze. Aus der Wirtschaft heißt es: In der Krise schaffen wir das nicht. Was nun?

Scholz: Die meisten Unternehmen sind trotz Krise in der Lage, genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Also meine Bitte an die Chefs: Tut trotz Krise was ihr könnt!

BILD: Die Zahl der Schulabgänger geht zurück. Reichen da nicht weniger Plätze?

Scholz: Nein. Wir brauchen trotzdem mindestens 600.000 Plätze. Schon heute gibt es fast 1,5 Millionen junge Leute zwischen 20 und 29 Jahren ohne Berufsabschluss. Die haben kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Es muss unser Ziel sein, dass jeder mit 20 entweder Abitur hat oder eine Berufsausbildung. Sonst produzieren wir Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel. Das wäre Irrsinn.

BILD: Viele Betriebe leiden aber unter der Krise und haben vielleicht keine Kapazität für Ausbildung?

Scholz: Wir tun viel, um die Betriebe in der Krise zu unterstützen. Darüber kann sich niemand beschweren. Aber: An der Ausbildung dürfen wir nicht sparen. Und der Staat und die Bundesagentur für Arbeit leisten den Betrieben vielfältige Unterstützung, damit sie auch in dieser schwierigen Zeit ausbilden. Wer jetzt nicht ausbildet, ist außerdem sehr kurzsichtig. Denn in wenigen Jahren fehlen uns Fachkräfte. Unternehmen, die nach der Krise freie Stellen nicht mit qualifizierten Leuten besetzen können, kriegen dann richtig Probleme. Dagegen hilft nur eines: Jetzt ausbilden.

BILD: Die Wirtschaft hält viele Jugendliche nicht für ausbildungsfähig. Ist das übertrieben?

Scholz: Es stimmt, dass viele junge Leute nicht alles mitbringen, was sich ein Ausbildungsbetrieb wünscht. Die Kritik an den Ergebnissen der Schulpolitik ist berechtigt. Dass 80.000 junge Leute jährlich die Schule ohne Abschluss verlassen, ist nicht naturgegeben, sondern Staatsversagen.

BILD: Nun sollen es die jungen Leute und die Betriebe ausbaden?


Scholz: Wir haben großartige Erfahrungen gemacht mit Unternehmen, die sogenannten ausbildungsunfähigen Leuten eine Chance gegeben haben, mit Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit. Fast Alle dieser jungen Leute haben hinterher ihre Ausbildung mit Erfolg bestanden. Das zeigt: Die Wirtschaft sollte niemanden fallenlassen, sondern allen eine Chance geben.

BILD: Und wenn Ihre Appelle nichts fruchten, sollten dann Firmen, die nicht ausbilden, eine Ausbildungsabgabe zahlen?


Scholz: Nein, das ist kein Thema. Aber wir müssen uns klare Ziele setzen. Wir Sozialdemokraten haben deshalb in unserem Wahlprogramm beschlossen, dass jeder, der Anfang 20 ist, entweder Abitur oder eine Berufsausbildung haben soll.