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07.06.2009

Interview mit dem Berliner Kurier am Sonntag

Wirtschaftsminister zu Guttenberg wollte Opel pleitegehen lassen. Die SPD war dagegen. Jetzt zahlt der Steuerzahler. Ist das noch Marktwirtschaft?

Das Unternehmen hat vernünftige Produkte und eine gute Zukunftsperspektive. Und wir wollten nicht, dass die Insolvenz der Muttergesellschaft GM Opel mit in den Abgrund reißt.

War der Wirtschaftsminister falsch beraten?

Man darf mit einer Insolvenz nicht spielen. Sie hätte gewaltige Verwerfungen nach sich gezogen.

Was hätte denn eine Insolvenz den Steuerzahler gekostet?

Der Pensionssicherungsverein, den die deutsche Volkswirtschaft über eine Umlage finanziert, hätte mehrere Milliarden aufbringen müssen. Von den Arbeitslosengeldzahlungen für die Opelaner ganz zu schweigen. Das wäre wesentlich teurer geworden als die Bürgschaft.

Eben Opel, demnächst vielleicht Arcandor und tausend andere Unternehmen, die vom Staat gerettet werden wollen. Was ist der soziale Maßstab für solche Rettungsaktionen?

Zunächst noch einmal zu Opel, auch wenn es schwerfällt: Wir verbürgen einen Kredit, wir geben keinen Zuschuss. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Wir gehen davon aus, dass der Kredit zurückgezahlt wird. Dass ein Risiko da ist, ist offensichtlich. Deshalb fragt man ja den Staat und nicht andere.

Aber was ist der Maßstab?

Das Schicksal tausender Arbeitnehmer und ihrer Familien. Es geht ja nicht nur um diejenigen, die direkt bei Opel beschäftigt sind. Es geht auch um viele Zulieferer, es geht um diejenigen, die von den Zulieferern wieder abhängig sind, es geht um die Händler.

Trotzdem: Im Lande streiken zurzeit die Erzieherinnen für ein paar Euro mehr Lohn und hier werden Milliarden über Milliarden eingesetzt. Ist es noch sozial, 180 000 Euro oder sogar mehr für einen Arbeitsplatz zu investieren?

Nochmal: Wir verbürgen einen Kredit und geben keinen Zuschuss. Aber ich kann das Anliegen der Erzieherinnen gut nachvollziehen. Leider werden sie alle nicht so bezahlt, wie es angemessen wäre. Das muss sich ändern.

Wie denn?


Erstens: Wir brauchen eine Absicherung nach unten durch Mindestlöhne. Dies stoppt Lohndumping. Zweitens: Wir brauchen wieder mehr Tarifverträge, überall in Deutschland. Ordentliche, gute und auch vernünftig bezahlte Berufe setzen vernünftige Tarife voraus.

Ist die Gefahr sozialer Unruhen, vor der einige bereits warnten, gebannt?

Wir haben einen funktionierenden Sozialstaat, in dem Starke für Schwache, Gesunde für Kranke, Erwachsene für Kinder und Junge für Alte einstehen. Das ist gut so. Vor der Krise gab es viele, die meinten, der Sozialstaat sei ein Auslaufmodell. Im Moment halten sie still, aber schon bald werden sie wieder loslegen. Dabei sieht doch im Augenblick jeder: Ohne Sozialstaat wäre unsere Wirtschaft viel krisenanfälliger.

Wie lange dauert die Krise noch?


Niemand weiß es genau, aber ich glaube, dass wir bald aus dem Tal herauskommen werden.

Sie sprachen davon, dass in Deutschland im Jahr 2015 wieder Vollbeschäftigung herrsche. Bleiben Sie angesichts der Krise bei dieser Prognose?


Wir können das schaffen. Bald - im nächsten Jahrzehnt - wird es einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften geben, weil wir nicht genug Junge haben. Wir müssen die jungen Leute deshalb gut ausbilden. Wenn wir es schaffen, dass jeder mit Anfang 20 entweder eine Berufsausbildung oder Abitur hat, werden die Unternehmen ausreichend qualifizierte Arbeitnehmer finden. Dann können wir uns dem Ziel der Vollbeschäftigung wieder deutlich nähern. Das heißt aber auch: Es darf nicht so bleiben, dass jedes Jahr weiterhin 80 000 junge Menschen ohne Abschluss die Schule verlassen. Das ist der Boden für künftige Arbeitslosigkeit.