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02.12.2010

Interview mit dem Weserkurier

Weserkurier: In Umfragen liegen sie mit 40 Prozent weit vor der CDU. Kann man als Tabellenführer nicht nur verlieren?  

 

Olaf Scholz: Die Umfragewerte für die SPD sind sehr gut. Trotzdem gilt es jetzt, so bodenständig zu bleiben, wie wir später Regierungspolitik machen wollen. Denn das ist es, was die Bürger an dem jetzigen Senat vor allem vermissen: es fehlt an Pragmatismus und es hat keine seriöse und verlässliche Politik gegeben. Auch sind lauter Pläne geschmiedet worden, während die Dinge, die zum Alltag ordentlichen Regierens gehören, nicht funktioniert haben. Wenn eine Regierung sich etwas vornimmt, muss das auch gehen. Und dafür stehen wir.  

 

Auf die Person gemünzt, was genau unterscheidet einen möglichen Bürgermeister Olaf Scholz von einem Bürgermeister Christoph Ahlhaus?  

 

Über politische Wettbewerber rede ich ungern schlecht und will mich deshalb zurückhalten. Ich jedenfalls will den gerade angesprochenen Pragmatismus auch als Person verkörpern.

 

Kommen wir zu den Inhalten. Was würde ein SPD-Senat besser machen?  

 

Zunächst einmal müssen wir dafür Sorge tragen, dass der Haushalt in Ordnung kommt. Da ist in den letzten Jahren viel, zu viel Geld ausgegeben worden. Das wirkt bis heute bitter nach. Denn nun ist Sparpolitik angesagt. Gerade wenn man den Blick auf die aktuelle Konjunkturentwicklung richtet und auch sieht, wie die Steuereinnahmen wieder besser werden, wird klar: Dass sind keine Probleme, die aus der Weltwirtschaft kommen, sondern das sind Probleme, die etwas mit einer schlechten Senatspolitik zu tun haben. Und deshalb werden wir innerhalb von ein, zwei Legislaturperioden sehr viel Kraft darauf verwenden müssen, einen ausgeglichen Haushalt herzustellen. Die Verfassung gebietet das ja auch.  

 

Wie soll das konkret aussehen?  

 

Ich habe dafür ein klares Prinzip. Ich möchte, dass wir, ähnlich wie das zum Beispiel dem amerikanischen Präsidenten Bill Clinton einst mit dem amerikanischen Kongress zusammen gelang, vereinbaren, dass alle Mehrausgaben immer auch im konkreten Haushalt gedeckt werden müssen. Und dass Einsparungen, die dafür notwendig sind, im gleichen Gesetz vorgesehen werden, in dem man auch eine Mehrausgabe beschließt.  

 

Welche anderen Themen stehen auf ihrem Programm?  

 

Das zweite große Thema ist die Frage des Wohnungsbaus. Hier ist alles vernachlässigt worden. Wir müssen jedes Jahr 6000 neue Wohnungen bauen, damit es nicht zur Knappheit kommt. In Hamburg ist dieser Zielwert in fast zehn Jahren CDU-Regierung nie erreicht, sondern immer deutlich unterschritten worden. Und das merkt man jetzt. Viele suchen vergeblich eine bezahlbare Wohnung. Das muss sich ändern.  

 

Wird unter einem Bürgermeister Olaf Scholz die Erhöhung der Kita-Gebühren zurückgenommen?

 

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass junge Leute bessere Chancen bekommen. Das fängt an mit der Kita. Es ist falsch, dass wir mit die höchsten Kita-Gebühren in Deutschland haben. Deswegen müssen die Gebühren-Erhöhungen zurückgenommen werden und wir müssen schrittweise dazu kommen, dass der Grundanspruch von täglich fünf Stunden Betreuung kostenfrei wird.

 

Wie wollen sie das finanzieren?

 

Die Mittel müssen im Haushalt Stück für Stück gesucht werden. Klar ist, dass es da keinen verborgen Schatz gibt, den man jetzt finden kann, wenn man lange genug durchs Rathaus geht. Stattdessen müssen wir überall schauen, wo Möglichkeiten sind, das auch zu schaffen. Klar ist auch, dass wir sparsam mit dem Geld umgehen müssen. Diese Sparsamkeit darf uns aber nicht davon abhalten, das Notwendige zu tun. Ich finde, es kann nicht sein, dass es kaum einen Politiker in Deutschland gibt, der nicht sagt, wir brauchen den Ausbau der Kinderbetreuung, wir brauchen kostenfreie Angebote, das ist wichtig für die jungen Familien und für die Entwicklung vieler Kinder, die zu Hause manchmal nicht genügend Unterstützung bekommen. Und dann geschieht das Gegenteil des Gesagten und die Gebühren werden erhöht.

 

Wie stehen sie zur geplanten Elbvertiefung?  

 

Die Elbvertiefung muss kommen. Die ist sehr nachlässig behandelt worden. Aber die Elbvertiefung ist wichtig - nicht nur für Hamburg. Sie dient der gesamten Metropolregion mit vier Millionen Einwohnern. Sehr viel von der wirtschaftlichen Entwicklung Niedersachsens zum Beispiel hängt auch am Hamburger Hafen.  

 

Die SPD hat in den vergangenen Wochen mehrmals Neuwahlen gefordert, zuletzt am Sonntagmorgen, kurz bevor die Grünen das Ende der Koalition bekanntgegeben haben. Waren Sie überrascht, dass es zum Schluss dann doch so schnell ging?  

 

Wir waren uns sicher, dass der Finanzsenator wegen der gegen ihn laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zurücktreten muss - wenn es mit Recht und Anstand zugeht. Und deshalb war für uns auch klar, dass, bevor Mitte Dezember ein neuer Finanzsenator in der Bürgerschaft bestätigt wird, die Koalition zu Ende geht. Nun ist das tatsächlich ganz schnell dazu gekommen. Das ist aber auch gut.  

 

Warum haben Sie so lange gezögert, Ihre Spitzenkandidatur bekanntzugeben? In Hamburg hat doch ohnehin schon jeder damit gerechnet?  

 

Vor allem scheinen es viele richtig zu finden, dass ich kandidiere. Das ist eine sehr beeindruckende Erfahrung, wenn einen auf der Straße viele Bürger ansprechen und sagen, machen Sie das mal. Aber für mich war klar, eine Kandidatur muss zum richtigen Zeitpunkt angekündigt werden. Danach beginnt der Wahlkampf. Und nun hat er begonnen, also ist die Kandidatur da. Parteivorstand und Fraktion haben das einstimmig beschlossen.  

 

Kritiker könnten die Rückkehr eines früheren Bundesarbeitsministers nach Hamburg als Abstieg werten. Was entgegnen sie diesen Leuten?

 

Ich bin in Hamburg aufgewachsen. Mit Hamburg verbinde ich ganz viel, auch eine ganz bestimmte Mentalität, die aus der Fähigkeit, wirtschaftlich erfolgreich zu agieren und solidarisch zu sein, entstand. Dieses Lebensgefühl ist in Hamburg verloren gegangen. Ich will dafür sorgen, dass es wieder so wird, wie ich es seit meiner Jugend gekannt habe.  

 

Was wünschen Sie sich für ein Wahlergebnis?

 

Wir wollen ein sehr starkes Mandat für die SPD. Dann ist klar, dass wir die Politik, für die wir uns in unserem Wahlprogramm einsetzen, hinterher auch umsetzen können. Dazu braucht man eine große Unterstützung bei dem Plebiszit,  dass eine Wahl darstellt. Wenn die Umfragewerte in ein Wahlergebnis umgemünzt werden können, dann wäre das eine gute Sache - auch für die Politik in Hamburg.

 

Mit wem möchten Sie am liebsten koalieren?

 

Für uns ist klar, wenn wir einen Koalitionspartner benötigen, dann wollen wir mit der GAL, mit den Grünen, koalieren.  

 

Sie haben ein rot-rot-grünes Bündnis bereits ausgeschlossen. Bleiben sie dabei?  

 

Was ich sage, gilt immer. Das ist etwas, was in der Politik typischer werden sollte und für mich ganz wichtig ist. Und im Übrigen ist rot-rot-grün eine Schimäre, an die sich die CDU wie an einen Strohhalm klammert. Denn tatsächlich werden in allen Umfragen SPD und Grünen große Mehrheiten zugetraut. Die letzte war sogar so beeindruckend, dass man es fast nicht glauben mag, zusammen über 60 Prozent. Aber selbst wenn es nicht so weit geht, es dürfte in jedem Fall für Rot-Grün reichen. Was sollen wir uns mit anderen Sachen befassen.  

 

Dem Vorwurf von CDU-Fraktions- und Landeschef Frank Schira, Ihnen in dieser Aussage nicht zu trauen, widersprechen Sie also vehement?

 

Man weiß doch, warum das gesagt wird. Es klingt etwas verzweifelt.  

 

Wie sieht es mit einer großen Koalition aus?  

 

Die CDU weiß selbst, dass sie die Opposition braucht, um sich wieder neu zu positionieren. Wir wollen eine rot-grüne Koalition bilden.  

 

Wie gefährlich schätzen sie eine mögliche Partei des Schulreform-Gegners und Initiators der Bürgerinitiative Wir wollen lernen, Walter Scheuerl, ein?  

 

Ich glaube, die meisten Gedanken müsste sich darüber die CDU machen. Mein Thema ist das nicht. Es ist erlaubt, Parteien zu gründen. Ob wirklich jemand nach einer neuen Partei ruft, das werden wir sehen. Da bin ich mir nicht so sicher.  

 

Heiner Geißler hat in seinem Schlichterspruch für Stuttgart 21 mehr Volksentscheide in Deutschland gefordert. Wie stehen sie zu Volksentscheiden?  

 

Ich bin für Volksentscheide. Ich glaube, dass sie gut sind und auch dazu beitragen, dass die Politik besser wird.     


Das Interview führte Berit Waschatz.