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04.12.2010

Sparsamkeit muss künftig eine große Rolle spielen

ZEIT ONLINE: Herr Scholz, die SPD liegt in den Umfragen in Hamburg bei über 40 Prozent, fast doppelt so viel wie vor einem Jahr. Müssen Sie sich manchmal kneifen angesichts solcher Werte? 

 

Olaf Scholz: Die Zahlen sind beeindruckend. Und ich will auch gar nicht verhehlen, dass das Ausmaß der Zustimmung, das gegenwärtig für die SPD, aber auch für mich erkennbar ist, sehr bewegend ist. 



 

ZEIT ONLINE: Mit den Grünen zusammen kommen Sie derzeit auf 62 Prozent. Was ist Ihr Wahlziel: eine Zweidrittelmehrheit? 



Scholz: Das Ziel ist ein ganz starkes Votum für die SPD, damit in Hamburg wieder pragmatische, verlässliche und seriöse Politik gemacht werden kann. 



ZEIT ONLINE: Haben Sie eine Erklärung für den Aufschwung? Nicht lange her, da war die Hamburger SPD als zerstritten, unpopulär und vor allem durch ihre Skandale bekannt. 



Scholz: Der schwarz-grüne Senat hat eine ganz schlechte Leistungsbilanz. Die CDU hatte zehn Jahre die Verantwortung und ist am Ende, viele Bürger spüren das. Und wir haben vieles richtig gemacht. 



ZEIT ONLINE: Auf Bundesebene dümpelt ihre Partei ja immer noch bei 20 + x, nicht wie Sie bei 40 + x. Was kann die SPD aus Hamburg lernen?



Scholz: Man muss ein politisches Programm und einen politischen Stil entwickeln, der den Bürgerinnen und Bürgern das gute Gefühl verschafft, dass die Staatsangelegenheiten bei der SPD gut aufgehoben sind. Und wir wollen Verantwortung übernehmen. 



ZEIT ONLINE: Will das nicht jeder? 



Scholz: Wir kümmern uns nicht um uns, sondern um Hamburg. 



ZEIT ONLINE: Das war's schon? 



Scholz: Man muss sich auch untereinander so aufstellen, dass die Bürger das Gefühl haben, dass das mit der Regierungsfähigkeit hinterher klappt. Das haben wir bewiesen. 



ZEIT ONLINE: Normalerweise hat der Amtsinhaber doch oft einen gewissen Bonus. Auf die Frage, wen wollen Sie als neuen Bürgermeister, antworten aber 58 Prozent der Hamburger: Scholz. Nur 20 Prozent wollen Herrn Ahlhaus von der CDU weiterhin als Regierungschef.



Scholz: Es ist nicht meine Art, schlecht über den Bürgermeister zu reden. Aber es ist natürlich ein kaum wieder gut zu machender Fehler gewesen, dass er neue Senatoren berufen hat, die alle keinen guten Ruf haben und den schlechten Ruf gleich bestätigt haben. Und es war ein schlimmer Fehler einen Finanzsenator im Amt zu lassen, gegen den eine Staatsanwaltschaft ermittelt. Kurz: Die Leistungsbilanz ist schlecht. Die Bürger wollen einen anderen Senat. 



ZEIT ONLINE: Ist die CDU allein Schuld am schlechten Image der Regierung. Was ist mit der GAL, mit der sie nun koalieren möchte?



 

Scholz: Die CDU hat eine Regierungstätigkeit, die ja weit über die kurze Zeit der schwarz-grünen Koalition hinausgreift, zu verantworten. Es gibt ein großes Unbehagen darüber, dass ständig neue Projekte angekündigt werden, aber Dinge, die immer in Hamburg funktioniert haben, plötzlich nicht mehr funktionieren: Denken Sie an die Schlaglöcher vom letzten Winterchaos oder die Kürzungen im Kulturbereich.


ZEIT ONLINE: Wen hätten Sie denn lieber als Juniorpartner: die Grünen oder die CDU? Mit letzterer könnten sie immerhin den Ausbau des Hafens und Moorburg besser durchziehen.



Scholz: Wir haben uns klar entschieden. Wenn die SPD nicht allein regiert, wovon man realistischerweise ausgehen muss, werden wir mit den Grünen eine Koalition versuchen, weil dort die Schnittmengen für eine vernünftige Politik am größten sind. 



ZEIT ONLINE: Wie sieht vernünftige SPD-Politik aus? Die Grünen klagten bereits, mehr als Wirtschaft und Hafen falle Ihnen nicht ein.



Scholz: Da ist ja auch das politische Defizit sehr groß, und deshalb sagen wir, Wirtschaft wird eine große Rolle spielen. Wir setzen darauf, dass Hamburg eine starke Stadt ist und gleichzeitig solidarisch. 



ZEIT ONLINE: Mit welchen Schwerpunkten ziehen Sie sonst noch in den Wahlkampf, den sie nun in Windeseile stemmen müssen?



Scholz: Wir müssen den Haushalt konsolidieren. Es gilt der Grundsatz: Wer nicht immer sparsam ist, muss irgendwann Sparpolitik machen. Genau das ist jetzt passiert. Man muss mit größter Beharrlichkeit dafür sorgen, dass wir mit unserem Geld auskommen.



ZEIT ONLINE: Also Sie kündigen hiermit einen straffen Sparkurs an?



Scholz: Ganz klar. Konsolidierung ist unvermeidbar. Außerdem verbietet uns demnächst die Verfassung, neue Schulden zu machen. Sparsamkeit muss künftig eine große Rolle spielen. 



ZEIT ONLINE: Was ist mit der Schulreform? Ursprünglich haben Sie die Reformpläne von Schwarz-Grün mitgetragen, schließlich ist die SPD traditionell für mehr Gemeinschaftsschulelemente. Nach den Protesten der Bürger haben Sie nun angekündigt, die nächsten zehn Jahre gar nichts zu machen. Ist das mutige Politik? 



Scholz: Das Schulsystem wird in Hamburg künftig wie folgt aussehen: Eine vierjährige Grundschule, dort gibt es keine Klasse mit mehr als 23 Schülern. Es gilt das Elternwahlrecht weiter. Eltern und Schüler entscheiden, auf welche Schule die Kinder nach der Grundschule wechseln. Und wir haben nur noch zwei weiterführende Schulen: das Gymnasium und die Stadtteilschule. Beide Schulen kann man mit dem Abitur abschließen. In den angesprochenen zehn Jahren wollen wir uns darauf konzentrieren, Stück für Stück die Qualität des Angebots zu verbessern.



ZEIT ONLINE: Also hat sich die SPD vom Konzept des gemeinsamen Lernens verabschiedet? 



Scholz: Eine neue Schulstrukturdebatte macht keinen Sinn. Ich habe voriges Jahr für einen zehnjährigen Schulfrieden geworben. Und der gilt jetzt. Wir müssen an zwei anderen Stellen ansetzen: Vor der Schule muss es ausreichend Betreuungsangebote geben, mit einem kostenfreien Grundangebot von fünf Stunden pro Tag. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Qualität des Schulangebots sich verbessert, damit nicht weiterhin über tausend junge Leute ohne Abschluss abgehen. 



ZEIT ONLINE: Die ZEIT hatte mal eine Serie über Powerpaare in der Politik. Erleben wir in Hamburg demnächst auch eines? Ihre Frau ist parlamentarische Geschäftsführerin der SPD ... 



Scholz: Wir haben uns geweigert, in der Serie vorzukommen. Wir sind beide eigenständig in der Politik unterwegs.


ZEIT ONLINE: Anders gefragt: Spricht etwas dagegen, die eigene Ehefrau zur Senatorin zu machen?
 



Scholz: Sie haben ja vernommen, dass ich keine Aussagen dazu mache, wen ich in einen Senat berufen werde. Die merkwürdige deutsche Marotte, Schattenkabinette aufzustellen, mache ich nicht mit. Und sie können sicher sein, dass ich, wenn ich einen Regierungsauftrag habe, nur gute Leute berufen werde und mich an den Ordre Public halte. 

 

Sie finden das Interview auch auf der Homepage von ZEIT ONLINE.