arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

27.12.2010

Interview mit den Harburger Anzeigen und Nachrichten

HAN: Haben Sie nach dem Scheitern der schwarz/grünen Koalition auch ein bisschen Schadenfreude verspürt?


Olaf Scholz: Das ist eine Regung, die mir fast völlig fehlt. Wie die meisten Hamburgerinnen und Hamburger, war ich schon lange der Überzeugung, dass diese Koalition politisch nicht mehr weitermachen kann. Die meisten haben ja gedacht, dass nach dem Rücktritt des Bürgermeisters im Sommer bereits Neuwahlen folgen. Dass mit dem Rücktritt des Finanzsenators die Koalition dann endgültig nicht mehr weitermachen kann, als wäre nichts gewesen, war mir klar. Deshalb war der Schritt der GAL, die Koalition zu verlassen, nur folgerichtig.

 


Nachdem klar war, dass Neuwahlen anstehen, haben Sie sich als eines der ersten klar benannten Ziele für die Elbvertiefung ausgesprochen: Warum?

 

Wir müssen dafür sorgen, dass Hamburg wirtschaftlich stark und zugleich solidarisch ist. Das setzt aber voraus, dass genügend Arbeitsplätze in unserer Stadt entstehen, und auch erhalten bleiben. Der Hamburger Hafen spielt dabei eine sehr große Rolle und die Erreichbarkeit des Hafens über die Elbe ist für diese Stadt schon immer unverzichtbar gewesen und wird es auch in Zukunft bleiben.



Wenn die Schiffe im Hafen angekommen sind, geht der Weg vieler Waren ja über Lkw weiter auf die Straße. Wie steht die SPD zu den großen Straßenbaumaßnahmen - A26, Hafenquerspange und Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße - die im Hamburger Süden anstehen?


Diese Themen berühren viele: Es geht dabei nicht nur um den Wirtschaftsverkehr, sondern auch um die Menschen, die in der Nähe dieser Straßenbauvorhaben ihre Wohnungen haben und sich in erster Linie nach Ruhe sehnen. Trotzdem muss man sich entscheiden, sonst kann man eine Stadt nicht regieren. Ich bin zum Beispiel davon überzeugt, dass wir die A26 brauchen und dass sie für viele eine Entlastung bringt. Wir müssen aber auch den Wirtschaftsverkehr aus dem Hafen führen und deshalb wird man an dem Projekt Hafenquerspange nicht vorbeikommen. Die konkrete Trassenführung muss dabei natürlich noch einmal betrachtet werden. An der aktuell favorisierten Südtrasse wurde ja öffentlich viel Kritik geäußert und auch in meiner Partei gibt es viele, die skeptisch sind. All das wird im weiteren Verfahren zu
berücksichtigen sein. An der Notwendigkeit einer Hafenquerspange sollte aber niemand vorbeireden.



Und die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße?

Auf alle Fälle muss man die Lärmbelastung der Anwohner an der dann verlegten Straße neu betrachten. Die Menschen dort sollten ganz klar mit einer Entlastung beim Lärm überzeugt werden - und nicht mit einer zusätzlichen Belastung leben müssen.

 


Würden Sie als Hamburger Bürgermeister denn auch eine rasche Verlegung der Reichsstraße bis zum Beginn der IBA und IGS 2013 vorantreiben?


Vorzeitige Festlegungen machen an dieser Stelle keinen Sinn. Wichtig ist - wie gesagt - dass man sich zunächst einmal klar macht, dass eine Verlegung der Reichsstraße mit der Lösung der Lärmproblematik unbedingt verbunden sein muss.

 


Sie sind Rechtsanwalt und waren 2001 auch Hamburger Innensenator . . .


. . . von Ende Mai 2001 bis zur Wahl im September 2001.

 

 

Zum Thema innere Sicherheit: Höhere Strafen? Mehr Polizei? Was könnten Sie als Hamburger Bürgermeister dafür tun, dass die Straßen der Hansestadt sicherer werden?

Der demokratische Staat hat die Aufgabe, für Sicherheit zu sorgen und deshalb war es auch wichtig, dass ich damals entschiedene Schritte unternommen habe, um zum Beispiel die große Drogenszene am Hamburger Hauptbahnhof einzuschränken: unter anderem durch die Errichtung eines zusätzlichen Polizei-Standorts unmittelbar am Hauptbahnhof. Wenn wir die Sicherheit in Hamburg betrachten, dann ist die Bilanz des heutigen Senats nicht sonderlich gut. Wir lesen ständig von brennenden Autos und gerade die Gewalt junger Leute hat dramatisch zugenommen. Man muss zwar immer sagen, dass der Staat natürlich nichts für die Straftaten anderer kann. Aber er muss alles dafür tun, dass diese unterbunden beziehungsweise aufgeklärt werden. Das klappt nicht, wie es sollte. Das liegt auch daran, dass die Konzepte für den Umgang mit jungen Intensivtätern nicht konsequent umgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass man Anfang 2000 weiß, was man tun muss und zehn Jahre später wird eine Kommission eingesetzt, die monatelang darüber tagt, was mit einem jungen potenziellen Täter geschieht. Das muss sich ändern.



An welchem Punkt wollen Sie denn ansetzen, damit diese Konzepte umgesetzt werden?


Es geht manchmal einfach darum, gut zu regieren. Und das fehlte bisher. Ganz bestimmt war es auch ein Fehler - wie es auch in Harburg passiert ist - Polizeikommissariate zu schließen. Ebenso war es falsch, die Präsenz der Polizei vor Ort zu reduzieren und dafür die zentralen Stäbe größer zu machen. Das muss wieder ins richtige Verhältnis gebracht werden. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass genügend junge Polizistinnen und Polizisten ausgebildet werden. Ich bin dafür, dass jedes Jahr 250 Polizeianwärter eingestellt werden.

 


Sie haben an anderer Stelle bereits betont, dass sie im Wahlkampf nur Dinge zusagen, die auch tatsächlich umgesetzt werden können. Ist das eines dieser Versprechen?

Ja!

 

 

Der Sprung über die Elbe: Was haben die Menschen im Süden in diesem Punkt vom Ihnen zu erwarten?


Das Konzept ist richtig. Ich habe aber den Eindruck dass gerade die Menschen im Hamburger Süden den Begriff "Sprung über die Elbe" gar nicht mehr hören mögen, weil sie den Eindruck haben, dass es nur ein leeres Konzept ist und die Frage bleibt: Was passiert eigentlich? Deshalb muss man sich natürlich darum kümmern, wie die städtebauliche Entwicklung des Hamburger Südens weiter vorangebracht werden kann. Genau das ist ja mit dem Sprung verbunden.

 

 

Ihr Wahlkreis ist Altona und Sie sind in Rahlstedt/Großlohe groß geworden. Kennen Sie sich eigentlich in Harburg aus?


Ich kenne mich in Harburg gut aus. Unter anderem weil ich schon als Arbeitsrechtsanwalt viele Harburger Betriebe von innen gesehen habe und mich als Politiker sehr für Hamburgs Industrielandschaften interessiert habe. Die spielen ja in Harburg eine große Rolle. Außerdem bin ich vor einem Jahr im Hotel Lindtner in Heimfeld zum Landesvorsitzenden gewählt worden. Insofern verbinde ich sehr positive Dinge mit Harburg.

 


Anja Hajduk hat nach ihrer Nominierung gesagt: "Man darf der SPD die Stadt nicht allein überlassen." Werten Sie das als provokative Ansagen, die möglicherweise das Verhältnis zwischen SPD und Grünen belastet?


Nein! Politischer Wettbewerb ist dazu da, um ausgetragen zu werden. Ich werbe für ein sehr starkes SPD-Mandat. Wenn wir Ergebnisse erzielen können, wie sie uns aktuell vorhergesagt werden, dann ist das die Grundlage dafür, dass in Hamburg wieder pragmatisch, seriös und mit sehr großer Vernunft regiert wird. Das ist das, was die Hamburger in den letzten Jahren sehr vermisst haben.



Wie wollen Sie es schaffen, dass die hohen Umfragewerte auch bis zum 20. Februar anhalten?

 

Mein Ziel ist ein Wahlkampf, der den Bürgerinnen und Bürgern, die es wollen, ein direktes Gespräch mit mir ermöglicht.

 

 

Das Interview führte Florian Kleist. Sie finden das Interview auch auf der Homepage der Harburger Anzeigen und Nachrichten.