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07.09.2012

Interview mit den Kieler Nachrichten: Gute Nachbarschaft statt Nordstaat

Interview mit dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz Hamburg auf dem Weg zur Zwei

Millionen Metropole

 

Hamburg. Seit März 2011 ist Olaf Scholz Erster Bürgermeister in Hamburg. Nach
dem grandiosen Wahlsieg bei der Bürgerschaftswahl (48,4 Prozent) regiert der
Sozialdemokrat als einziger Länderchef mit absoluter Mehrheit. "König Olaf" so sein
Spitzname, ist das ungekrönte Haupt von 1,8 Millionen Bewohnern der Elbmetropole.
Wir sprachen mit ihm über die Hansestadt die Kooperation mit Schleswig Holstein und
die Chancen eines Nordstaats.

 

 

Kieler Nachrichten: Hamburg ist ein Besuchermagnet. Was macht die Stadt so attraktiv?

Olaf Scholz: Hamburg ist eine sehr schöne Stadt, in der auch die Wirtschaft gut funktioniert. Und beides zusammen führt dazu, dass viele gern hier leben und Touristen so zahlreich kommen. Es gibt nicht nur einen der weltweit größten Häfen mitten in der Stadt zu sehen, sondern auch viel Grün und Wasser.

 

Kieler Nachrichten: Mit der Elbphilharmonie kommt eine weitere Attraktion hinzu. Zurzeit ist sie noch eine teure Lachnummer. Verzweifeln Sie an diesem Erbe, das Ole von Beust Ihnen hinterlassen hat?

Olaf Scholz: Wir krempeln die Ärmel hoch und werden das Gebäude irgendwann fertigstellen, allerdings ohne ständig neue Schecks ausfüllen zu müssen. Das Management hätte am Anfang besser sein können. Aber das ist die Vergangenheit. Jetzt geht es darum, die Zukunft zu gewinnen.

 

Kieler Nachrichten: Vor welchen großen Herausforderungen steht Hamburg außerdem?

Olaf Scholz: Hamburg ist eine wachsende Stadt. Wir haben in den letzten 20 Jahren fast 200.000 Einwohner hinzugewonnen. Es sieht so aus, als würde sich dieser Trend fortsetzen - dann hätten wir in zwei Jahrzehnten zwei Millionen Einwohner. Das bedeutet, dass wir alles dafür tun müssen, dass ausreichend bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist. Und natürlich müssen wir dazu beitragen, dass sich die Wirtschaft mit der bisherigen Dynamik weiterentwickelt und die Zahl der Arbeitsplätze steigt.

 

Kieler Nachrichten: Wird das Umland von dieser Entwicklung profitieren?

Olaf Scholz: Unbedingt, auch von dem breiten Branchenmix. Hamburg ist eine Stadt, in die jeden Tag 300.000 Pendler aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen zur Arbeit fahren. In der gesamten Metropolregion sind ebenso viele Menschen im Bereich der Logistik tätig, der Hafen spielt für den ganzen Norden eine große Rolle. Die Industrie ist nach wie vor bedeutend. Und es kommen immer neue Branchen hinzu, wie zuletzt die Luftfahrt- und Windindustrie. Oder die Games-Branche im IT-Bereich mit einigen Tausend Beschäftigten. Dieses Geschäftsfeld hat es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben. Aber: Hamburg lebt auch davon, dass es nicht nur eine Kernstadt mit 1,8 Millionen Einwohnern ist, sondern eine Metropolregion mit fünf Millionen. Das hilft uns in der Welt, weil das überall der Größenordnung vergleichbarer Metropolen entspricht. 

 

Kieler Nachrichten: Ein weiteres wichtiges Verkehrsprojekt kommt nur schleppend voran - die A 20. Befürworten Sie die Elbquerung?

Olaf Scholz: Wir haben eine Reihe von Verkehrsprojekten unter dem Stichwort Ahrensburger Liste in Norddeutschland vereinbart. Daran arbeiten wir gemeinsam. Wir wissen aber, dass diese Projekte nur realisierbar sind, wenn der Bund einen Beitrag zur Finanzierung leistet. Deshalb sind sie alle, auch die Elbquerung, immer wieder ein Thema, wenn sich die norddeutschen Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin und dem Bundesverkehrsminister treffen.

 

Kieler Nachrichten: Viele Köche verderben den Brei. Wünschen Sie sich nicht manchmal als "König Olaf" über einen Nordstaat zu herrschen.

Olaf Scholz: Nein. Im Übrigen ist Hamburg eine der langlebigsten und erfolgreichsten Stadtrepubliken, die immer auf ihre Selbstständigkeit bedacht war, aber Könige nie hervorgebracht hat.

 

Kieler Nachrichten: Ist eigentlich beim Gipfeltreffen mit Herrn Albig etwas Konkretes herausgekommen?

Olaf Scholz: Dass die gute Zusammenarbeit zwischen uns beiden und den Ländern fortgesetzt wird. Alle wissen, dass jede Form der Eifersucht völlig unangebracht ist und wir nur gemeinsam etwas erreichen können.

 

Kieler Nachrichten: Die S4 nach Bad Oldesloe zum Beispiel.

Olaf Scholz: Mittlerweile liegen die ersten Skizzen der Ingenieursplanung vor. Wir werden das Planfeststellungsverfahren sehr zügig auf den Weg bringen und mit dem Bau beginnen. Das ist keine Sache von wenigen Monaten, sondern ein Vorhaben, das mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Aber das Projekt ist dringend notwendig, um die noch stark von Autos geprägte Verkehrssituation im Norden zu entspannen.

 

Kieler Nachrichten: Viele Schleswig-Holsteiner haben trotzdem den Eindruck, der Scholz habe nur Hamburg im Sinn, seine Wertschätzung des nördlichsten Bundeslandes sei gering.

Olaf Scholz: Das trifft nicht zu. Es gibt eine intensive Zusammenarbeit beider Landesregierungen. Den jetzigen Ministerpräsidenten habe ich schon besucht, als er Oberbürgermeister in Kiel war.

 

Kieler Nachrichten: Viele denken noch an Ihren Vorvorgänger Ole von Beust, der nicht nur auf Sylt, sondern auch an der Westküste unterwegs war. Wird man Sie in Zukunft auch häufiger zwischen Ost- und Nordsee treffen?

Olaf Scholz: Ich war neulich in Ostholstein, das jetzt auch zur Metropolregion gehört, und weiß von vielen anderen schönen Stellen im Land. Deshalb wird man mich dort oft sehen - von Amts wegen sowieso, privat auch.

 

Kieler Nachrichten: Auch in Husum?

Olaf Scholz: Da bin ich schon gewesen und ich werde auch das eine oder andere Mal noch dorthin kommen.

 

Kieler Nachrichten: Dort ist man wegen der konkurrierenden Hamburger Windmesse ziemlich sauer.

Olaf Scholz: Über die Frage, wo Messen stattfinden, entscheiden diejenigen, die dort ausstellen und diejenigen, die dort hingehen. Die Messe ist kein Thema, über das politisch verfügt werden kann. Deshalb wird sich der Hamburger Senat darauf beschränken, die hiesige Messegesellschaft - wie die schleswig-holsteinische Landesregierung die dortige -darum zu bitten, miteinander zu reden und eine Lösung zu erarbeiten.

 

Kieler Nachrichten: Trotzdem: Die Westküste ist die Wiege der Windenergie. Deshalb verstehen die Husumer nicht, dass Sie - die Hamburg-Messe ist ein städtisches Unternehmen - nicht eingreifen.

Olaf Scholz: Das Bundesland Hamburg ist in dieser Frage nicht der eigentlich Handelnde. Die Politik sollte ihren Einfluss bei Unternehmensentscheidungen nicht überschätzen.

 

Kieler Nachrichten: Die Grünen sind in Sachen Nordstaat weiter als die Streithähne Husum und Hamburg. Sie planen eine Urabstimmung ihrer Mitglieder zum Thema - eine Option auch für die SPD? 

Olaf Scholz: Ich bin sehr skeptisch, ob es eine kluge Idee ist, die nächsten zwei Jahrzehnte darüber nachzudenken, wo welche Behörde hinkommt. Besser ist es, die Kooperation der Bundesländer zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen auszubauen.

 

Kieler Nachrichten: Das passt zur Position des SSW, der eher Partikularinteressen im nördlichsten Landesteil verfolgt.

Olaf Scholz: ...so sehe ich den SSW nicht.

 

Kieler Nachrichten: Sondern?

Olaf Scholz: Das ist eine Partei mit einer langen Tradition, die das ganze Bundesland Schleswig-Holstein politisch im Blick hat und deshalb auch Regierungsverantwortung übernommen hat.

 

Kieler Nachrichten: Sie sagen: Metropolregion ja, Nordstaat nein. Gibt es überhaupt keine Argumente für den Nordstaat - auch nicht die teuren Parlamente der Stadtstaaten Bremen und Hamburg?

Olaf Scholz: Hamburg ist größer als Luxemburg. Warum sollen wir nicht als Stadt zurechtkommen? Außerdem sind  Grenzen zwischen Hamburg und den benachbarten Bundesländern keine Barrieren. Es wird sich alles auf ganz natürliche Weise miteinander entwickeln. Die Vereinbarung über die Metropolregion ist ein deutliches Zeichen dafür, dass diese Grenzen keine Rolle spielen - übrigens auch nicht jenseits der Metropolregion.

 

Das Interview führte Volker Stahl.