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27.02.2012

Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung


 

Der schlanke Staat wird von ganz alleine kommen

 

Frage: Herr Bürgermeister, der künftige Bundespräsident hätte ein Hamburger sein können: Klaus von Dohnanyi oder Henning Voscherau. Bedauern Sie, dass es anders gekommen ist?

 

Scholz: Das sind herausragende Männer, die das Amt auch hervorragend ausgefüllt hätten. Deshalb sind sie auch vielen über Parteigrenzen hinweg als mögliche Kandidaten eingefallen. Aber ich weiß von beiden, dass sie die bevorstehende Wahl von Joachim Gauck für eine große Sache halten.

 

Frage: Viele haben Philipp Rösler nicht zugetraut, gegenüber der Kanzlerin standhaft zu bleiben. Hätten Sie denn Sigmar Gabriel ein solches Verhandlungsgeschick zugetraut?

 

Scholz: Ich weiß, dass Sigmar Gabriel über ein großes Verhandlungsgeschick verfügt. Deshalb habe ich mit anderen dafür geworben, dass er Parteivorsitzender wird. Und wenn man nun sieht, dass wir uns in der SPD seither ganz gut zurechtgerüttelt haben, war das doch eine gute Idee. Im Übrigen glaube ich, dass wir mit der Personalisierung solcher Fragen nicht weiter kommen. Ich bin froh, dass die FDP und ihr Parteivorsitzender getan haben, was viele Bürger gewollt haben. 

 

Frage: Sie haben vor einiger Zeit gesagt, die Lage in den Haushalten der Länder und Kommunen werde mittelfristig dazu führen, dass auch in der CDU wieder über Steuererhöhungen und nicht über Entlastungen geredet werden wird. Nach dem Koalitionskrach über die Gauck-Nominierung sagen nun einige in der Union, auf die FDP werde keine Rücksicht mehr genommen: Kommt jetzt eine Steuererhöhungsdebatte?

 

Scholz: Es ist doch offensichtlich, dass die von fast allen Parteien getragene Entscheidung, in der Verfassung eine Schuldenbremse zu verankern, Konsequenzen hat. Wir haben uns in Hamburg genau ausgerechnet, wie viel Geld wir 2020 ausgeben dürfen, ohne neue Schulden zu machen. Das haben wir nicht auf der Grundlage der aktuellen Steuerschätzung getan, sondern rückblickend auf die letzten zwanzig Jahre. Dabei ist herausgekommen, dass wir eine durchschnittliche Einnahmensteigerung von etwa zwei Prozent haben werden. Wenn wir 2020 bei plus/minus null landen wollen, müssen wir die jährliche Ausgabensteigerung auf maximal ein Prozent begrenzen. Da bleibt nur ein ungeheuer kleiner Spielraum! Das heißt: Wir werden am Ende strukturell zehn Prozent des Haushalts einsparen.

 

Frage: Elbphilharmonie, Hapag-Lloyd-Einkauf, Abschaffung der Studiengebühren, kostenlose Kitas wo sparen Sie denn in Hamburg?

 

Scholz: Da werfen Sie einiges zusammen, was nicht zusammengehört. Die Schuldenbremse gelingt nicht mit einem martialischen Sparprogramm, sondern mit zehn Jahren konsequenter Konsolidierung. Das sind tausend einzelne Sparmaßnahmen. Dieser Pfad muss in ähnlicher Weise von allen Ländern beschritten werden. Sonst kommen sie nicht ans Ziel. Und das wird die Diskussion über Haushalts- und Steuerpolitik in Deutschland völlig verändern. Es hat noch niemand so richtig begriffen, welchen dramatischen Paradigmenwechsel wir durch die Schuldenbremse eingeleitet haben. Der von vielen beschworene schlanke Staat wird von ganz alleine kommen.

 

Frage: Wird es am Ende nicht heißen: Wir Länder schaffen das nicht, der Bund muss es richten?

 

Scholz: Sicherlich gibt es den einen oder anderen, der angesichts der großen Haushaltsenge darauf setzt, dass es nicht so kommt. Aber es kommt so. Je früher man sich darauf einstellt, desto besser. Dadurch wird sich vieles verändern. Es wird eine permanente Knausrigkeit in die Verwaltung bringen. Das erste Opfer ist die FDP. Man kann nicht ohne unglaubwürdig zu werden eine solche weitreichende Haushaltskonsolidierung vorantreiben und gleichzeitig mit wilden Steuersenkungsplänen durch die Gegend laufen. Auf der Strecke der Haushaltskonsolidierung wird es jedenfalls keine bemerkenswerten Steuersenkungen geben es gilt vielmehr umgekehrt: Wir müssen die öffentlichen Einnahmen moderat verbessern.

 

Frage: Können Sie da die Gründe nachvollziehen, die Hessen, Baden-Württemberg und Bayern dazu bringen, eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zu fordern?

 

Scholz: Wer viel in den Länderfinanzausgleich einzahlt, denkt natürlich darüber nach, ob das so sein muss. Aber: Wir stehen zum Solidargedanken, der sich mit dem Föderalismus verbindet. Das sage ich auch als jemand, der aus einem Land kommt, das schon viel in den Finanzausgleich eingezahlt hat. Übrigens: Die Hamburger Staatsschulden entsprechen preisbereinigt der Summe unserer Beiträge. Und der Länderfinanzausgleich ist ohnehin nur der letzte Schritt in einem System, das komplizierter ist, als es mancher darstellt. Denn er baut auf Verteilungsmechanismen auf, die vorher schon stattgefunden haben. Zum Beispiel die Aufteilung der Umsatzsteuer. Da erhebt ein Land wie Hamburg deutlich mehr, als es behalten kann. Wir behalten je nach Rechnung gerade mal ein Fünftel bis ein Drittel der bei uns erhobenen Steuern.

 

Frage: Wäre es aber nicht transparenter, gerechter und würde es nicht bessere Anreize setzen, wenn man ganz auf den Länderfinanzausgleich verzichtete?

 

Scholz: Wie schon gesagt: Der Länderfinanzausgleich spielt bei der Verteilung des Steueraufkommens nur eine untergeordnete Rolle. Wer daran grundlegend etwas ändern will, provoziert geradezu eine Debatte, die alle anderen Aspekte mit einbezieht. Keiner kann sich einer Diskussion über die Neuausrichtung des Finanzausgleichs entziehen. Aber die Diskussion sollte von dem gemeinsamen Geist getragen werden, dass die Bundesländer keine Inseln sind, sondern Teil eines Ganzen.

 

Frage: Würde das Ganze nicht besser funktionieren, wenn es zu einer Neugliederung der Länder käme? Manche Länder sind doch einfach nicht in der Lage, aus eigener Kraft ihre Aufgaben zu erfüllen. Das wird keine Umverteilung ändern.

 

Scholz: Es wird aber doch durch eine Neugliederung nicht billiger. Eine Region, die wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, werden wir fördern müssen, ganz gleich, ob es sich dabei um ein Land handelt oder nur um den Teil eines Landes.

 

Frage: Sie meinen, Rheinland-Pfalz ist ein Nehmerland, Saarland ist ein Nehmerland, Rheinland-Pfalz-Saar wäre ein großes Nehmerland?

 

Scholz: Das haben jetzt Sie gesagt.

 

Frage: Die Stadt Hamburg beteiligt sich mit 420 Millionen Euro an Hapag Lloyd. War für Hamburg Gefahr im Verzug?

 

Scholz: Schon meine christdemokratischen Vorgänger haben sich mit über 700 Millionen Euro an dem Unternehmen beteiligt. Wir mussten handeln, weil TUI seinen Anteil Anfang Januar den übrigen Gesellschaftern angedient hat. Wir handeln dabei nicht allein, sondern im Verbund mit den anderen Gesellschaftern, privaten Unternehmen wie dem Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, aber auch Versicherungen. Ohne diese privaten Shareholder hätten wir unser Engagement nicht ausgeweitet. Unser Ziel ist die Sicherung der ökonomischen Infrastruktur der Stadt und der Arbeitsplätze, die dazugehören. Die Branche ist leider anfällig für weltweites Monopoly. Wir haben deshalb genau zum richtigen Zeitpunkt gehandelt. Ohnehin wollen wir die Anteile nicht auf Dauer behalten. Dafür haben wir mehrere Optionen. Der Börsengang wäre eine.

 

Frage: Die Kosten für die Elbphilharmonie sind immer weiter gestiegen. Denken Sie über ein anderes Bauunternehmen als Hochtief nach?

 

Scholz: Die Elbphilharmonie ist ein großartiges Vorhaben. Wäre länger geplant und später mit dem Bau begonnen worden, wäre die Elbphilharmonie vielleicht schon fertig und hätte nicht so viel gekostet. Wir verhandeln im Interesse der Steuerbürger und gehen jeden Weg, der zu einem guten Ziel führt. Das kann mit Hochtief sein.

 

Frage: Was wird aus der Beteiligung Hamburgs an der HSH Nordbank?

 

Scholz: Wir haben die Zukunft der Bank gesichert: Die von der EU als Beihilfe bewerteten Kapitalmaßnahmen ihrer Hauptanteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein sind mit Auflagen genehmigt worden. Jetzt warten wir erst einmal ab, wie sich die Bank entwickelt. Es gibt keinen Zeitdruck mehr, die EU hat keine Auflage erteilt, dass Hamburg aussteigen muss.

 

Frage: In Umfragen sind Sie der beliebteste Politiker Hamburgs, und Hamburg ist sicherlich die schönste Stadt Deutschlands. Mal ehrlich: Nur Berlin ist noch viel spannender für Sie, oder?

 

Scholz: Hamburg ist eine schöne Stadt mit guten Perspektiven. Ich habe den Hamburgerinnen und Hamburgern versprochen, gute Arbeit zu machen und 2015 noch einmal als Bürgermeister anzutreten. So wird es sein.

 

 

Das Gespräch mit Olaf Scholz führten Jasper von Altenbockum, Frank Pergande und Majid Sattar.