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24.02.2012

Rede zur Eröffnung des Matthiae-Mahls

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident Barroso,

sehr geehrter Herr Fitschen,

sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen
   Bürgerschaft,

sehr geehrter Herr Doyen, geehrte Mitglieder
  des Konsularischen und Diplomatischen Korps,

sehr verehrte Ehrenbürger Neumeier, Seeler und
  Greve,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

zum Convivium eines Ehrbaren Rates, dem traditionsreichsten noch begangenen Gastmahl der Welt, begrüße ich heute als Ehrengäste den Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn José Manuel Barroso, und den designierten Co-Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Herrn Jürgen Fitschen.


Das Matthiae-Mahl ist seit dem Jahr 1356 historisch belegt. Schon in der Zeit hatten die Ratsherren verstanden, dass ihre Stadt nur als Teil eines größeren Ganzen zukunftsfähig sein konnte, auch wenn ihnen der Gedanke an ein friedlich vereintes Europa wohl noch nicht einmal im Traum erschienen ist.

Aber wenn alljährlich am Matthias-Tag, wie in den Quellen zu lesen ist, auf des Rates Tische vor den fremden Ministern ein Messer aufgedeckt wurde, dann signalisierte das, glaube ich, den fremden Ministern zweierlei:

 

den demonstrativ friedfertigen Gebrauch eines gefährlichen Utensils;

und natürlich auch, dass man gut gefüllte Kassen hatte und nicht Schmalhans Küchenmeister war.

Es ist uns eine große Ehre, Sie, Herrn Präsidenten, und Sie, Herrn Fitschen, in der Freien und Hansestadt Hamburg willkommen zu heißen und zu zeigen, dass wir zumindest in dem  erstgenannten Punkt die Tradition gewahrt haben.

 

Meine Damen und Herren,

 

 

im Namen des Senats begrüße ich Sie alle sehr herzlich. Doch möchte ich aus den vielen heutigen Gästen was nicht üblich ist einen besonders herausheben und ich denke, Sie werden es mir nachsehen: Seinen Geburtstag feiert heute unser sehr verehrter Ehrenbürger, Herr John Neumeier.


Seasons The Colours of Time haben Sie, Herr Neumeier, begeisterten Zuschauern zwischen Tokio und Hamburg nahegebracht. Der 24. Februar, seit mehr als 650 Jahren Tag des Matthiae-Mahls, soll im Mittelalter auch den Frühlingsbeginn markiert haben oder doch die Sehnsucht, dass er nun bald kommen, dass er Strom und Bäche vom Eis befreien möge. Den Strom vor allem, die Elbe, die Hamburgs Verbindung zur Welt war, zum so lebenswichtigen Handel und Wandel.

Nicht von ungefähr feierte die Stadt mit dem Matthiae-Mahl auch die geglückte Verteilung der Aufgaben unter den Ratsmitgliedern, die jedes Jahr im Februar anstand. Was ja ebenfalls einen Aufbruch demonstrierte. 

Dort, meine Damen und Herren, will ich die historischen Parallelen enden lassen. Wir können uns glücklich schätzen, in einer fortgeschrittenen Zeit zu leben, auch wenn gut gefüllte öffentliche Kassen zurzeit ein schöner Traum sind.

Hamburg ist viel mehr und in ganz anderer Weise als früheren Generationen vorstellbar Teil des Europäischen Einigungsprojektes. Die Metapher vom Hamburger Hafen als Tor zur Welt ist nicht neu. Aber dass wir in viel größerem Rahmen denken und kooperieren können als vor dem Zusammenwachsen Europas, vor dem Verschwinden all der eisernen Vorhänge, Zäune, Zollgrenzen und Handelsschranken das ist ein unschätzbarer Fortschritt für uns.


Und der wirtschaftliche Aufbruch konnte nur gelingen durch den europäischen Aufbruch zur Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit, Reise- und überhaupt: Freiheit.

Hamburg ist eine große Stadt in Europa. Das ist nicht allein eine Frage der wachsenden Einwohnerzahl, so sehr uns diese Entwicklung freut und wir weiterhin daran arbeiten. Eine große Stadt in Europa zu sein, bedeutet zu allererst eine Verpflichtung.


Die Mehrheit der Menschen lebt längst in Städten. Und der Prozess der Verstädterung ist keineswegs abgeschlossen. Es entstehen und wachsen an vielen Stellen der Erde in großem Tempo große Städte, auch Mega-Cities. Und trotz oft nicht einfacher Lebensbedingungen verbinden die meisten der neuen Einwohner dieser Städte mit dem Schritt in die Stadt die Hoffnung auf ein besseres Leben.


Hamburg  ist, bescheiden und selbstbewusst, eine solche Ankunftsstadt. 200.000 zusätzliche Stadtbürger seit Anfang der 90er Jahre zeugen davon. Wir wollen den Hoffnungen und Erwartungen der Bewohner derer, die schon da sind, und derer, die neu ankommen auf ein gutes Leben gerecht werden. Damit sie die Möglichkeiten nutzen, um ein gutes Auskommen für sich und ihre Familien zu haben und an dem teilzuhaben, was brausendes Leben in einer großen europäischen Stadt ist.

 

Hamburg ist eine global vernetzte europäische Metropole, Teil eines Europa mit mehr als 500 Millionen Einwohnern und 220 Millionen Arbeitskräften. Und der Blick unserer Stadt wird immer und immer mehr auf Europa gerichtet sein. Er wird nicht an einer nationalen Grenze halt machen. Was in Barcelona und Budapest geschieht, oder in Athen, interessiert uns nicht weniger als aktuelle Ereignisse in Berlin oder Saarbrücken.

Unsere Region, unser Lebens-, Arbeits-, Wirkungsbereich ist neu definiert. Wir studieren immer noch in Hamburg, wechseln aber mit großer Selbstverständlichkeit nach Marseille, wenn das verlockender ist oder besser zu den eigenen Zielen passt. Wir treiben Handel mit Firmen in Breslau und bauen an der Tejobrücke in Lissabon mit. Das hat, wenn ich mich recht entsinne, eine Firma aus dem nahe Hamburg gelegenen Elmshorn getan.

Wir lassen Wissenschaftler in Mailand für uns nachdenken und vergeben Aufträge an Werbeagenturen in Limerick.

Wir wandern auf stillgelegten Kleinbahnstrecken in Istrien, die einmal österreichische, später italienische Flusstäler überquert haben und jetzt durch Slowenien und Kroatien führen, also durch Teile unseres zusammenwachsenden Europa. Auch wenn in diesem Fall nur noch Fußgänger und Radfahrer etwas davon haben. Anderswo entstehen neue Verkehrswege, die Europa erst recht braucht.         


Die gemeinsame Metropolregion rund um Hamburg hat bald fünf Millionen Einwohner. Eine dynamische Wirtschaftsregion entwickelt sich entlang der Vogelfluglinie, wie wir die Querung des Fehmarnbelts nennen. Die wir allerdings entsprechend ertüchtigen und ausbauen müssen. Der Blick auf die Metropolregionen um Hamburg und Berlin, auf Kopenhagen und Malmö offenbart  eine Region mit enorm großen Chancen für Wachstum und Beschäftigung.

Große Verkehrsprojekte gibt es, mit denen wir unsere Anbindung in Europa verbessern wollen die Fahrrinnenanpassung der Elbe etwa und den Ausbau der Transeuropäischen Verkehrsnetze. Beide Vorhaben künden auch von unserer Einbindung in Europa. Die  Europäische Kommission hat jüngst ihr Einvernehmen mit der Fahrrinnenanpassung erklärt und die auf dem Tisch liegenden Vorschläge messen den großen Seehäfen und deren Anbindung an das Hinterland eine hohe Bedeutung bei.

 

Eine erfolgreiche europäische Verkehrspolitik muss auch mit einer Hafenpolitik einhergehen, die die Anbindung und Kapazität der Seehäfen weiter entwickelt. Wir wollen die angekündigte Neuausrichtung der europäischen Hafenpolitik kritisch und konstruktiv begleiten.


Meine Damen und Herren,

 

 

wir sind im vereinigten Europa das war vor zwanzig Jahren noch ein Wunder und es sollte nie so sein, dass wir es gar nicht mehr besonders würdigen.


Es stimmt, unsere gemeinsame Währung bringt uns und andere zurzeit um manchen Schlaf. Unsere beiden Ehrengäste werden, aus ihrer jeweiligen Perspektive, vielleicht von Zahlenkolumnen berichten, die ihnen im Traum erscheinen, aber auch von ermutigenden Fortschritten im Kampf gegen die Destabilisierung der Euro-Zone und das Zurückbleiben von Mitgliedsländern. Wir brauchen sie alle und dürfen niemanden zurücklassen.

Und dies gilt besonders für Griechenland. Das Land musste bereits bis heute viele und sehr harte Einschnitte vornehmen. Und weitere werden folgen, damit Griechenland in Zukunft seine Schulden wieder selbst bedienen und seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen kann.

Beim Konkretisieren dieser Maßnahmen ist vor allem Griechenland selbst gefragt. Unsere Aufgabe aber ist es, dem Land Zeit und die Möglichkeit zu Reformen zu verschaffen. Es ist deshalb richtig, dass die Euro-Staaten Anfang der Woche weitere Hilfen in Höhe von 130 Milliarden Euro ermöglicht haben.

Es macht Hoffnung, dass in und trotz und wegen der aufgeregten Debatte ein neuer Konsens in Europa entsteht. Zum Beispiel was die sehr begrenzte Zukunftsfähigkeit des Schuldenmachens betrifft. Hamburg weiß, dass es, auf zum Glück weniger dramatischem Niveau, seine eigenen Hausaufgaben erledigen muss. Wir haben den Fuß auf der Schuldenbremse.

Die Schuldenkrise ändert nichts an meiner Überzeugung: Hamburgs Zukunft ist eng mit der Zukunft des Europäischen Einigungsprojektes verknüpft. Der Euro ist unsere Währung, so wie die D-Mark unsere Währung war. Er ist ein Meilenstein der Europäischen Integration und wir werden seine Entwicklung auch wieder als Erfolgsgeschichte erleben.


Meine Damen und Herren,

 

 

zu den Themen, die uns gemeinsam bewegen und die wir erörtern müssen, zählt  die Frage der Kooperation bei der Bewältigung der Klimafolgen.
 

Hamburg war Europas Umwelthauptstadt 2011 und Hamburg ist entschlossen, seinen Teil zur Energiewende beizutragen. Was den Strommix in Deutschland betrifft, müssen wir in den kommenden Jahren sehr dicke Bretter bohren, oder konkreter: sehr starke Leitungen legen, sehr viele Speicherkapazitäten schaffen, sehr intelligente Netze knüpfen, um den auf Deutschland begrenzten Atomausstieg auch wirklich zu realisieren und das heißt: ihn versorgungssicher, ökonomisch, sozial und klimaverträglich als Energiewende hinzubekommen.

 

Wir setzen vor allem auf die Windenergie. Da geht es um Hightech, es geht unmittelbar um die Kompetenz, moderne Technik in Deutschland im europäischen Rahmen zu entwickeln und anzuwenden.

Meine Damen und Herren,

 

Computus ist ein Begriff, der bereits im Mittelalter verwendet wurde. Es ging um das Rechnen mit Zeit, namentlich um das astronomisch korrekte Errechnen des Osterfestes. Ich habe vorhin auf den Frühlingsanfang angespielt und darauf, welche Hoffnungen sich im Mittelalter ebenso wie heute mit ihm verbunden haben. Lassen Sie uns unsere Hoffnungen in dieser Zeit des umfassenden Computus auf eine gute Zukunft im gemeinsamen Europa richten.


Vielen Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.