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20.12.2013

Interview mit der Hamburger Morgenpost

 

 

Hamburger Morgenpost: Herr Scholz, wie verbringen Sie Weihnachten?

 

Olaf Scholz: Ich fahre mit meiner Frau eine Woche auf eine südeuropäische Insel.

 

Hamburger Morgenpost: Und Politik ist dann tabu?

 

Olaf Scholz: Ich hoffe, viel Zeit  für Entspannung,  Bewegung und auch fürs Lesen zu haben.

 

Hamburger Morgenpost: Was lesen Sie denn?

 

Olaf Scholz: Ich nehme von Rüdiger  Safranski das Goethe-Buch mit. Und  von Wolfgang Herrndorf will ich Arbeit und Struktur lesen. Und ich habe mir einen E-Book-Reader  besorgt, damit ich nicht soviel schleppen muss.

 

Hamburger Morgenpost: Von Ruhe kann politisch  keine Rede sein. Die HSH-Nordbank hat  wieder mit Millionen Euro gespielt.

 

Olaf Scholz: Schlimm. Und das in einer Zeit, als die Bank von Hamburg und Schleswig-Holstein gestärkt werden musste.  Es erinnert mich daran, dass wir auch bei der HSH-Nordbank ein Problem haben, das uns frühere Senate hinterlassen haben. Wir werden erst Anfang der 20er Jahre wissen, was uns das Abenteuer mit der damaligen größenwahnsinnigen Expansionspolitik kosten  wird.

 

Hamburger Morgenpost: Etwas anderes: Haben Sie den Konflikt um die Lampedusa-Flüchtlinge unterschätzt?

 

Olaf Scholz: Nein. Und es ist nicht in Ordnung, dass ein Senat kritisiert wird, der die deutschlandweit modernste Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik betreibt. Wir bringen mehr als 10000 Flüchtlinge unter. Wir geben mittlerweile einen dreistelligen Millionenbetrag im Jahr für Flüchtlinge aus.

 

Hamburger Morgenpost: Das Thema aber ist emotional aufgeladen und hat sich auf beängstigende Weise verselbstständigt. Häuser von SPD-Politikern wurden attackiert, Droh-SMS verschickt.

 

Olaf Scholz: Das alles ist in Hamburg ziemlich absurd: In der ganzen Stadt schaffen wir neue Unterkünfte. Gerade haben wir bei den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, dass gut integrierte Schüler eine sichere Aufenthaltsperspektive haben. Und jeden Monat suchen viele Männer und Frauen in Hamburg Schutz. Alle stellen Anträge. Da können nicht einige kommen und sagen, für sie gelten andere Regeln als für diese vielen Flüchtlinge.   Vor dem Gesetz sind alle gleich.

 

Hamburger Morgenpost: Die Frage zielte darauf ab, wie Sie sich diese Aggressivität erklären.

 

Olaf Scholz: Einige verfolgen politische Absichten, die nichts mit dem Schicksal dieser Flüchtlinge zu tun haben.

 

Hamburger Morgenpost: Machen Ihnen SMS-Drohungen und Anschläge nicht Angst?

 

Olaf Scholz: Wenn man für Recht und Gesetz zuständig ist, einen Amtseid geschworen hat, der Verfassung verpflichtet ist, darf man sich nicht fürchten.

 

Hamburger Morgenpost: Wie sehr hat Sie das Ergebnis des Volksentscheids zu den Energienetzen geärgert?

 

Olaf Scholz: Na. Man kann nicht für Volksentscheide sein und dann meinen, dass sie immer so ausgehen wie man es sich wünscht. Es gilt der Volksentscheid und ich halte mich daran.

 

Hamburger Morgenpost: Eine weitere bittere Pille war die Gartenschau. Hamburg zahlt drauf.

 

Olaf Scholz: Die Gartenschau war gut für Wilhelmsburg und für Hamburg und ein großer Erfolg. Der Stadtteil profitiert davon. Dass sie mehr Geld gekostet hat als ursprünglich geplant, ist leider so. Auf alle Fälle hätte ich  mir mehr Besucher gewünscht.

 

Hamburger Morgenpost: Die auch gekommen wären, wenn es nicht so teuer gewesen wäre.

 

Olaf Scholz: Das glaube ich nicht.

 

Hamburger Morgenpost: Wir schon.

 

Olaf Scholz: Nun, einer muss es ja glauben.

 

Hamburger Morgenpost: War es für Sie als Bürgermeister ein gutes Jahr 2013?

 

Olaf Scholz: Ja.  Es gibt genug Kita- und Krippenplätze und ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsbetreuung. Die Jugendberufsagenturen sind eingeführt. Es wurden 10.000 Wohnungen genehmigt. Spätestens 2014 werden 6.000 Wohnungen jährlich fertig. Wir haben das mit der Neuordnung der Elbphilharmonie hinbekommen: Endlich wird zügig weitergebaut.

 

Hamburger Morgenpost: Wie geht es weiter?

 

Olaf Scholz: Wir müssen diese Endzeitstimmung der letzten Jahrzehnte überwinden. Manche glauben ja, die Stadt sei im Prinzip fertig so wie sie ist. Wir müssen dabei auch die Verkehrsinfrastruktur angehen. In diesem Jahrzehnt bauen wir die U4 bis zu den Elbbrücken und planen S4 und S21. Aber es muss auch in den 20er Jahren weitergehen.

 

Hamburger Morgenpost: Was heißt das konkret?

 

Olaf Scholz: Wir müssen Perspektiven für die Zukunft entwickeln. Wir sollten uns wieder trauen,  S- und U-Bahnen zu bauen. Wir müssen  in hochleistungsfähige Systeme investieren,  die die stetig steigenden Fahrgastzahlen bewältigen können.

 

Hamburger Morgenpost: Also kommt die Stadtbahn?

 

Olaf Scholz: Die Stadtbahn ist nicht die Straßenbahn aus seligen Zeiten, sondern eine oberirdisch verlaufende Schneise, die den Stadtraum zerschneidet  und die man nicht überwinden kann. Und sie hat eine viel zu geringe Kapazität für das, was in den nächsten Jahrzehnten in einer so großen Stadt gebraucht wird. Das über U- und S-Bahn so wenig diskutiert worden ist, hat, glaube ich, etwas mit der Verzagtheit dieser Endzeitstimmung zu tun.

 

Hamburger Morgenpost: Und Sie haben diese Endzeitstimmung beendet?

 

Olaf Scholz: Ich hoffe, dass wir der Zukunft optimistisch entgegen sehen.

 

Hamburger Morgenpost: Was hat Sie 2013 persönlich bewegt?

 

Olaf Scholz: Ich war sehr berührt vom evangelischen Kirchentag. Es war sehr beeindruckend, in der HafenCity  am Gottesdienst mitzuwirken.

 

Hamburger Morgenpost: Und dann ist man stolz und denkt: Ich bin Bürgermeister  dieser  Stadt ...

 

Olaf Scholz: Naja. Ich bin so, wie sie immer schreiben: Nicht jede Gefühlsregung ist meine. Deshalb ist stolz bestimmt das falsche Wort.

 

Das Interview führten Frank Niggemeier, Renate Pinzke und Erik Trümpler.