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09.02.2015

Interview mit der "Immobilien Zeitung"

 

"Immobilien Zeitung": Herr Scholz, Sie haben beim Thema Wohnungsbau eine gute Bilanz seit 2011: 36.000 Baugenehmigungen und in den letzten zwei Jahren über 6.000 Fertigstellungen. Doch Entwickler und Bauträger merken an, dass die Zusammenarbeit mit den einzelnen Bezirken sehr unterschiedlich ist. In einigen Bezirken, wie Hamburg-Mitte, gibt es z. B. runde Tische zu größeren Projekten. Warum nicht überall?

Olaf Scholz: Ja, in Hamburg hat der Wohnungsbau unglaublich Fahrt aufgenommen, und alle Bezirke haben die Zielzahlen, die wir mit ihnen vereinbart haben, übererfüllt. Das spricht dafür, dass es ein pragmatisches Herangehen an die verschiedenen Investitionsvorhaben der Immobilienwirtschaft gibt. Wir haben mit dem Bündnis für das Wohnen eine Struktur, in der alle Themen auch die strittigen besprochen werden können. Und wir haben mit der Senatskommission für Stadtentwicklung, deren Vorsitzender ich bin, auch ein Instrument, in dem der Austausch mit den Verwaltungschefs sowohl der Fachbehörden wie auch der Bezirke stattfindet. Gleichzeitig ist das auch ein Ort für den Austausch von Best-Practice-Erfahrungen. Deshalb ist Optimismus berechtigt: Alles, was schon gut ist, kann auch noch besser laufen.

"Immobilien Zeitung": Die Opposition kritisiert, dass 6.000 Wohnungen jährlich nicht einmal reichen, um auch nur die Zuziehenden unterzubringen.

 

Olaf Scholz: Das sagen diejenigen, die jahrzehntelang den Wohnungsbau vernachlässigt haben. Fakt ist: Die steigenden Genehmigungszahlen zeigen, dass der Zug, den wir aufs Gleis gesetzt haben, Fahrt aufgenommen hat und an Tempo noch gewinnt. Es spricht vieles dafür, dass wir es bald schaffen werden, die Lücke, die wir 2011 identifiziert hatten, zu schließen.

"Immobilien Zeitung": Aber die Zuzugskurve steigt stärker, als die Wachstumskurve beim Wohnungsbau.

 

Olaf Scholz: Es werden ja nicht nur Ein-Zimmer-Wohnungen gebaut. Ich bin sehr froh darüber, dass wir wenn wir die heutigen Genehmigungszahlen hochrechnen , auch in den nächsten Jahren weit oberhalb des von uns formulierten und von vielen anfangs für zu ehrgeizig gehaltenen Ziels von 6.000 Fertigstellungen liegen werden. Meine Perspektive ist, dass Hamburg in den 20er Jahren 1 Mio. Wohnungen braucht. Das wären knapp 100.000 mehr als heute.

"Immobilien Zeitung": Wie wird die Wohnungswirtschaft, wenn die Zinsen steigen, auf die verschärften staatlichen Eingriffe reagieren? Bricht dann die Wachstumskurve beim Wohnungsbau ab?


Olaf Scholz: Nein. Im Moment ist die Nachfrage nach Wohnungen in Hamburg ungebrochen hoch. Sie haben die Zuzugskurve gerade angesprochen. Das wird auch weiterhin viele bewegen, in Hamburg Wohnungen zu bauen, zu kaufen und zu vermieten. Ich erwarte, dass sich das Zinsniveau noch einige Zeit hält. Wir haben ein umfassendes Programm für den geförderten Wohnraum, für das wir in diesem Jahr 171 Millionen Euro bereitstellen werden. Und deshalb glaube ich, dass wir genügend Instrumente haben, um auf eine eventuell veränderte Lage zu reagieren. Schnell und wirkungsvoll.

"Immobilien Zeitung": In vielen Bundesländern wird gleichzeitig die Grundsteuer erhöht und die Mietpreisbremse eingeführt. Die Mietpreisbremse werden Sie auch einführen. Wie sieht es mit einer Erhöhung der Grundsteuer aus? Da gibt es mit 4,5% doch noch Potenzial.


Olaf Scholz: Ich habe die Grundsteuer nicht angehoben, seit ich Bürgermeister der Stadt Hamburg bin und wir haben auch nicht vor, dass zu tun.

"Immobilien Zeitung": Sie haben nicht vor, das zu tun. Zwei Wochen vor der Wahl eine verständliche, aber nicht ganz verbindliche Aussage.


Olaf Scholz: Wir erhöhen definitiv nicht. Ich habe das auch bisher bewusst nicht gemacht. Wir haben das größte Wohnungsbauprogramm Deutschlands auf den Weg gebracht.  Wir wollen, dass richtig investiert wird da wäre es nicht klug, die Grundsteuer zu erhöhen. Wir haben in den nächsten Jahren noch viel vor in der Stadt.

"Immobilien Zeitung": In Hamburg gibt es das Bündnis für das Wohnen, das Bündnis für die Quartiere, zahlreiche Business Improvement Districts was unterscheidet Hamburg von anderen Metropolen, die nicht zu einer solchen Kooperation zwischen Politik, Verwaltung und Immobilienwirtschaft kommen?


Olaf Scholz: Hamburg hat einen über Jahrhunderte entwickelten Pragmatismus, und es ist gelungen, diese klassische kaufmännische Tradition auch für die Governance mitzuentwickeln. Das gilt auch für Fragen der Immobilienwirtschaft.
 
"Immobilien Zeitung": Es muss ja der Wille da sein, sich zusammenzufinden. Daran scheitert es offensichtlich in anderen Metropolen.


Olaf Scholz: Wir Hamburger sind zurückhaltende Leute. Ich will über andere Metropolen nichts sagen. Es ist jedenfalls der politische Wille des von mir geführten Senats gewesen, auf die beschriebene Weise dem Wohnungsbau wieder Schwung zu geben. Auch der Wohnungsbau ist eine Leadership-Frage. Wichtig zu wissen ist aber auch, dass unsere Initiative auf eine Immobilienwirtschaft gestoßen ist, die aufgeschlossen war. Und die Kombination aus beidem ist die Voraussetzung dafür, dass es gelingt.

"Immobilien Zeitung": Ist das auch die Ursache dafür, dass fast alle großen Immo-Verbände in Deutschland von Hamburgern geführt werden Gedaschko, Ibel, Kießling, Mattner?


Olaf Scholz: Darüber kann man spekulieren aber da wird der Zufall dann doch zu schnell zum Prinzip gemacht…

"Immobilien Zeitung": Ihr Senat hat im letzten Jahr Konzepte zur Stadtentwicklung vorgelegt, die etwa mit der Baunutzungsverordnung nur schwer in Einklang zu bringen sind.

 

Olaf Scholz: Dass man Stadtteile, wie Ottensen aufgrund der geltenden BauNVO nicht mehr bauen darf, ist keine gute Entwicklung. Die Charta von Leipzig hat sich noch nicht im Recht niedergeschlagen. Wenn man keine Kita in Wohngebieten bauen kann, wo denn sonst? Das gilt auch für Sportplätze. Auch gewerbliche und Wohnnutzungen müssen nebeneinander bestehen dürfen. Arbeiten und Wohnen zusammen zu bringen, ist entscheidend für die Stadt von morgen, die wir auch mit unserer Entwicklungsplanung für den Hamburger Osten umsetzen. Deshalb werden wir mit dem Bund und den Ländern diskutieren, wie man die bundesrechtlichen Regelungen verändern kann und eine Bundesratsinitiative mit entsprechenden Länderöffnungsklauseln für Großstädte auf den Weg bringen. Das haben wir zum Thema Sportlärm im vergangenen Jahr bereits gemacht.

"Immobilien Zeitung": Dass im südlichen Überseequartier 80.000 m2 BGF für Einzelhandel entstehen sollen, hat Befürchtungen über Umsatzrückgänge in der City und den Stadtteilen ausgelöst.


Olaf Scholz: Hamburg verstanden als die Metropolregion ist eine Stadt mit fünf Millionen Einwohnern. Für diese Größe haben wir eine ziemlich kleine City. Es geht hier nicht um einen fertig gebackenen Kuchen, der in Hamburg neu aufgeteilt wird, sondern um einen Hefeteig. Wir haben Unibail-Rodamco überzeugen können, Wohnungen und Büros im Überseequartier zu bauen, obwohl das nicht das eigentliche Business des Unternehmens ist. Der Einzelhandel in der Hafencity und auch der Investor brauchen eine bestimmte kritische Masse an Einzelhandelsfläche. Fast 900 Mio. Euro wettet der Investor. Hoffen wir für ihn und uns, dass die Wette aufgeht.

"Immobilien Zeitung": Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Scholz!

 

Das Interview führte Friedhelm Feldhaus.