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08.02.2015

Interview mit der "Bild am Sonntag"


"Bild am Sonntag": Herr Scholz, wie gefällt Ihnen Ihr neuer Spitzname Kahl der Große?

 

Olaf Scholz: Mein Haarwuchs hat etwas nachgelassen. Es ist schon okay, darauf hinzuweisen. Und natürlich freut es mich, dass viele es gut finden, wie ich meinen Job als Bürgermeister von Hamburg mache.

 

"Bild am Sonntag": Sie regieren als einziger Sozialdemokrat mit absoluter Mehrheit, liegen in den Umfragen bei 44 Prozent. Bundesweit ist die SPD bei 25 Prozent eingemauert. Woran liegt es?

 

Olaf Scholz: Ich halte mich nur an ein paar Prinzipien: Wir haben alle Wahlversprechen eingelöst. Wir kümmern uns intensiv darum, dass es der Stadt wirtschaftlich gut geht. Vertrauen entsteht nur sehr langsam und darf nie enttäuscht werden. Wenn wir die seriöse und pragmatische Arbeit in der Bundesregierung fortsetzen, kann Vertrauen wachsen und die SPD deutlich zulegen. Die SPD muss sich bei Bundestagswahlen zutrauen, stärkste Partei zu werden und die Führung des Landes zu übernehmen.

 

"Bild am Sonntag": Apropos Zutrauen: Nächsten Sonntag ist Landtagswahl in Hamburg. Laut Umfragen verlieren Sie die absolute Mehrheit. Glauben Sie selbst noch daran, alleine weiterregieren zu können?

 

Olaf Scholz: Wir haben jetzt Umfragewerte, wie wir sie vor der letzten Wahl hatten. Das tatsächliche Ergebnis von 48,4 Prozent hat damals auch niemand vorher gesagt. In der Hamburger Wirtschaft wünschen sich übrigens viele, dass ich ohne Koalitionspartner weitermachen kann.

 

"Bild am Sonntag": AfD und FDP liegen bei 6 und 5 Prozent. Rechnen Sie mit einem Einzug der beiden?

 

Olaf Scholz: Meine Prognose ist, dass diese Parteien nicht in die Hamburger Bürgerschaft kommen.

 

"Bild am Sonntag": Die FDP macht Wahlkampf mit der Aussicht auf eine sozial-liberale Koalition. Vorstellbar?

 

Olaf Scholz: Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich werbe für eine starke SPD. Falls es nicht reicht, frage ich die Grünen. Und ich halte ein, was ich vor Wahlen verspreche. Übrigens: Sozial-liberal bin ich selber.

 

"Bild am Sonntag": Sie verhandeln gerade mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen. Ihr Konzept sieht vor, dass der Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer draufgeschlagen werden soll. Warum entlasten Sie die Bürger nicht?

 

Olaf Scholz: Da zitiere ich die Bundeskanzlerin: Das Aufkommen des Soli wird auch nach 2019 gebraucht. Auch weil dann für alle 16 Bundesländer gilt, dass sie keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Der Ehrgeiz von Bund und Ländern ist es, bis zum Sommer eine Einigung über den Soli und die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zu erzielen.

 

"Bild am Sonntag": Wie oft mussten Sie als ehemaliger Arbeitsminister in den letzten vier Wochen den Mindestlohn verteidigen?

 

Olaf Scholz: Wir waren eines der wenigen Länder auf der Welt ohne Mindestlohn. Auch in den USA gibt es ihn. Der Mindestlohn wird auch bei uns funktionieren. Ich höre nur noch wenige, die daran Zweifel haben.

 

"Bild am Sonntag": Na ja, massive Kritik gibt es an bürokratischen Dokumentationspflichten für 450-Euro-Jobber und Geringverdiener. Muss Arbeitsministerin Nahles da nachbessern?


Olaf Scholz: Arbeitszeiterfassung ist nichts Neues. Und die Arbeitsministerin hat angekündigt, dass nach wenigen Monaten ausgewertet wird, ob alles ordentlich klappt. Das wird passieren.

 

"Bild am Sonntag": Streit gibt es in Hamburg und an vielen anderen Orten wegen der steigenden Zahl der Flüchtlinge. Sie wollen afrikanische Lampedusa-Flüchtlinge nach Italien oder ihre Heimatländer zurückschicken.

 

Olaf Scholz: Hamburg ist sehr solidarisch mit den Flüchtlingen, viele engagieren sich ehrenamtlich für sie. Wir haben im letzten Jahr Unterkünfte mit etwa 6000 neuen Plätzen errichtet. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn wir dabei die Regeln beachten. Dazu gehört: Wer Schutz sucht, muss sagen, wer er ist und warum er verfolgt wird.

 

"Bild am Sonntag": Hamburg hat noch ein besonderes Problem. Ein Viertel der jugendlichen Intensivtäter hier sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Was muss der Rechtsstaat tun?

 

Olaf Scholz: Jugendliche Flüchtlinge halten sich an wenigen Orten in Deutschland auf. In Hamburg, Frankfurt, Saarbrücken, München und Berlin zum Beispiel. Das ist auch für die Jugendlichen nicht gut. Deshalb müssen sich die Länder gleichermaßen um  die jugendlichen Flüchtlinge kümmern. Dazu soll es im Sommer ein Gesetz geben.

 

"Bild am Sonntag": Warum wollen Sie die Olympischen Sommerspiele 2024 nach Hamburg holen?

 

Olaf Scholz: Hamburg ist die älteste noch bestehende Stadtrepublik Europas. Wir wollen bürgernahe Spiele, die frei sind von jeder größenwahnsinnigen Vorstellung. Dafür gibt es eine große Zustimmung bei den Hamburgerinnen und Hamburgern.

 

"Bild am Sonntag": Nerven Sie die Wutbürger?

 

Olaf Scholz: Es gibt immer Leute, die nicht einverstanden sind mit dem, was man tut. Das gilt auch für manche Großprojekte. Wenn man das in der Politik nicht mit einer gewissen Gelassenheit ertragen kann, hat man ein großes Problem. Allerdings: Wir dürfen uns als politisch Verantwortliche von diesen oft wenigen, aber dafür umso lauteren Stimmen nicht von wichtigen Projekten abbringen lassen.

 

"Bild am Sonntag": Gewinnen Sie die Hamburgwahl, steigen Sie automatisch in den Kreis der möglichen SPD-Kanzlerkandidaten auf. Kann Scholz Kanzler?

 

Olaf Scholz: Ach, wissen Sie: Mein Traum ist, als Bürgermeister die Olympischen Spiele 2024 in Hamburg zu eröffnen.

 

"Bild am Sonntag": Können Sie den Hamburgern versprechen, dass Ihre Partei Sie nicht plötzlich nach Berlin ruft?

 

Olaf Scholz: Ich werde nicht nach Berlin gerufen. Mein Plan ist, jetzt zu gewinnen und mich dann 2020 wieder zu bewerben und dann zum dritten Mal zum Ersten Bürgermeister von Hamburg gewählt zu werden.

 

"Bild am Sonntag": Als SPD-Generalsekretär mussten Sie viel Spott und Kritik einstecken. Ist die jetzige Popularität eine Art späte Genugtuung für Sie?

 

Olaf Scholz: Natürlich berührt es mich, dass die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger so groß ist. Aber grundsätzlich bin ich jemand, der seine Aufgabe erfüllt. Ich habe mich nie gedrückt, egal, ob es viel Zustimmung für mich persönlich brachte oder nicht. Wenn es stürmt, gehören die Kapitäne auf die Brücke. Wer die Brücke verlässt,  handelt verantwortungslos.

Das Interview bei Bild.de.