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06.08.2016

Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Herr Scholz, hinter Deutschland liegen mit Würzburg, Ansbach und München mehrere Anschläge. Wie steht es um die Sicherheit in Deutschland?

 

Olaf Scholz: Wir haben eine sehr gute Polizei, auf die wir uns verlassen können. Das haben nicht zuletzt die genannten Vorfälle gezeigt. Wir müssen die Polizei aber auch in die Lage versetzen, ihre Arbeit ordentlich zu machen. Das heißt: ausreichend Personal und gute Ausrüstung. In Hamburg haben wir zum Beispiel bei meinem Amtsantritt dafür gesorgt, dass der Personalabbau beendet wird und stellen jetzt mehr neue Polizisten ein.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Die Täter von Ansbach und Würzburg waren Flüchtlinge. Ändert das etwas an der Debatte um die Flüchtlingspolitik?

 

Olaf Scholz: Mein Eindruck: Die Bürger gehen sehr klug und besonnen mit den Ereignissen um. Wichtig aber ist: Wir müssen wissen, wer bei uns im Land ist. Das war im vergangenen Jahr nicht immer der Fall. Und leider ist es noch heute so, dass nicht alle Asylanträge gestellt sind. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss weiter zügig personell aufgestockt werden. Jeder Flüchtling, der zu uns kommt, muss sofort erfasst werden. Aber auch das ist leider wahr: Alle Anstrengungen können nicht verhindern, dass jemand etwas Verwirrtes in seinem Kopf ausbrütet.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Die Kanzlerin hält an ihrer Aussage fest: Wir schaffen das. Bayerns Ministerpräsident Seehofer bewertet das anders. Wessen Einschätzung teilen Sie?

 

Olaf Scholz: Ich habe keine Lust, dass Kasperletheater der Unionsparteien zu kommentieren. Davon hatten wir alle schon genug. Klar ist: Die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge ist eine große Aufgabe, die wir nicht unterschätzen dürfen. Wir müssen die Dimension dieser gesamtgesellschaftlichen Herausforderung verstehen. Wenn das gelingt, dann sage ich: Wir können das schaffen.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Die SPD braucht einen Kanzlerkandidaten. Wer soll es machen?

 

Olaf Scholz: Anfang des nächsten Jahres wird sich die SPD-Spitze eine Meinung bilden. Im Mai soll auf einem Parteitag die Wahl stattfinden. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel wird dann einen entsprechenden Vorschlag machen. Klar ist: Ein Parteivorsitzender ist auch immer ein guter Kanzlerkandidat.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Auch ein Parteichef wie Gabriel, der mit niedrigen Umfragewerten und Ärger beim Tengelmann-Deal zu kämpfen hat?

 

Olaf Scholz: Auch dieser Parteichef, ja. Und im Übrigen: Es hat schon viele Ministererlaubnisse gegeben, die Entscheidungen des Bundeskartellamtes aufgehoben haben. Und immer sind Argumente der Arbeitsplatzsicherheit ausschlaggebend gewesen. Das Kartellrecht sieht derartige Entscheidungen aus Gründen des Gemeinwohls durchaus vor.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Halten Sie Gabriels Entscheidung für richtig?

 

Olaf Scholz: Ich halte die Entscheidung für richtig und hoffe sehr, dass durch die Verzögerung bis zur gerichtlichen Klärung nicht Tausende Arbeitnehmer ihre Jobs verlieren. Das werden auch diejenigen nicht wollen, die jetzt den Wirtschaftsminister kritisieren.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Zurück zur Kandidatenfrage: Gabriel halten Sie also für geeignet. Was ist mit einem Kandidaten Olaf Scholz?

 

Olaf Scholz: Dass so viele Namen im Raum stehen, ist doch eine gute Sache. Man traut also vielen Politikerinnen und Politikern der Sozialdemokratischen Partei ein solch wichtiges Amt zu. Im Übrigen habe ich bereits mit der Antwort auf Ihre erste Frage dazu alles gesagt.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Noch einmal: Wenn Sie gefragt werden, sagen Sie: Ich bleibe in Hamburg?

 

Olaf Scholz: Jetzt stellen Sie die Frage zum dritten Mal. Die ständigen Fragen, wer was werden will, sind doch langweilig. Es ist ja gut, dass man vielen Politikern Aufgaben zutraut, die sie derzeit nicht wahrnehmen. Es geht aber in der in der Politik um Sachthemen und nicht um Karriere. Übrigens: Bürgermeister in Hamburg zu sein ist eine große Sache.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Der Weg zurück ins Kanzleramt gelingt der SPD womöglich nur mit zwei Koalitionspartnern. Wer wäre Ihnen neben den Grünen lieber? FDP oder Linke?

 

Olaf Scholz: Hören wir doch auf, mit irgendwelchen Zinnsoldaten zu spielen und in Konstellationen zu denken! Ein starkes Wählervotum für eine Partei ist der Auftrag des Wählers zur Regierungsbildung. Die SPD muss im kommenden Wahlkampf anstreben, stärkste Partei in Deutschland zu werden. Das ist machbar. Wenn die Bürgerinnen und Bürger sich einen Sozialdemokraten als Kanzler vorstellen können, kann die SPD gut und gerne zehn Prozentpunkte zulegen. Dann läge sie gleichauf mit den Unionsparteien oder sogar vor ihnen.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Womit wollen Sie punkten? Die Erfolge der SPD innerhalb der Großen Koalition werden nicht der SPD zugeschrieben.

 

Olaf Scholz: Die Bürger wissen: Ohne SPD in der Regierung wäre das Land weniger sozial. Es gebe keinen Mindestlohn, keinen besseren Schutz von Leiharbeitnehmern und so weiter. Wir haben viel bewirkt.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Alles Geschichte. Aber was ist mit Themen, mit denen Sie gegen Merkel in den Wahlkampf ziehen wollen?

 

Olaf Scholz: Das ist eine ganz falsche Sichtweise. Als älteste Partei Deutschlands muss sich die SPD nicht von der Union abgrenzen. Wir wissen, wofür wir stehen. Bei den Unionsparteien bin ich mir da nicht so sicher. Ein Thema: Die EU nach dem Brexit stärken. Das bedeutet unter anderem, sich für eine gute wirtschaftliche Perspektive der Menschen in Europa und besonders in Deutschland einzusetzen. Denn wer sich umschaut, stellt fest: Die Einkommen der Mittelschicht stagnieren in vielen Bereichen, bei den unteren Einkommensgruppen ist die Entwicklung gar vielfach rückläufig. Wir müssen den sozialen Zusammenhalt neu justieren. Sonst werden wir so etwas wie Herrn Trump in Europa, aber auch in Deutschland erleben.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Hierzulande ist der Aufstieg der AfD ungebremst. Steht deren Einzug in den Bundestag aus ihrer Sicht fest?

 

Olaf Scholz: Nichts ist gesetzt, bis zur Wahl ist es noch lange hin. Wir müssen einen Plan für die Zukunft unseres Landes entwickeln. Das vermissen viele Bürger auch bei der Union…

 

Neue Osnabrücker Zeitung: bei der SPD nicht?

 

Olaf Scholz: Nein, wir sind in Sachen Zukunftspläne besser Beschäftigung, Einkommen, Sicherheit, Stärkung der Demokratie. Wir müssen zeigen, dass man der SPD das Land anvertrauen kann. Und was die AfD angeht: Die haben auf den meisten Politikfeldern gar nichts anzubieten. Ich bin mir sicher, dass viele Bürger das auch so sehen.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Die SPD sucht auch einen Präsidentschaftsbewerber. Welche Qualifikationen muss er mitbringen?

 

Olaf Scholz: Er muss das Land zusammenhalten können. Das heißt auch: Alle im Bundestag vertretenen Parteien müssen sich zumindest vorstellen können, dass der Kandidat ein guter Präsident sein kann. Ungeachtet dessen, in welcher Art und Weise er zuvor möglicherweise politisch aktiv gewesen ist.

 

Neue Osnabrücker Zeitung: Das passt auf Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der auch in Umfragen Höchstwerte erzielt.

 

Olaf Scholz: Wen wundert’s! Sie werden unabhängig von der Parteizugehörigkeit wohl kaum jemanden finden, der die Fähigkeit von Frank-Walter Steinmeier anzweifelt, das Präsidentenamt gut auszufüllen. Aber ich mache hier und heute ausdrücklich keinen Vorschlag. Der Prozess der Kandidatensuche braucht Ruhe wie das Amt. Es darf jedenfalls nicht so laufen, dass sich die Bürger am Ende fragen, warum gerade diese Person jetzt Präsident geworden ist

 

Das Interview führte Dirk Fisser

 

http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/754845/scholz-die-spd-muss-im-wahlkampf-starkste-kraft-werden#gallery&0&0&754845