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03.12.2015

Interview mit der Zeitung "Die Zeit"

 

"Die Zeit": Herr Scholz, haben Sie sich übernommen?

Olaf Scholz: Nein. Wir wollten Olympische Spiele nach Hamburg holen. Wir haben immer gesagt: Das geht nur mit Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger. Die haben wir knapp nicht bekommen. Das gilt jetzt.

"Die Zeit": Wie ist die Stimmung im Rathaus?

Olaf Scholz: Na ja, wenn man sich so ein großes Ziel gesteckt hat, ist jetzt nicht der beste Tag. Aber man sollte nicht mit den Entscheidungen der Bürger hadern.

"Die Zeit": Ist der Mythos des Bürgermeisters Scholz, dem in Hamburg alles gelingt, jetzt beschädigt?

Olaf Scholz: Von diesem Mythos habe ich noch nie gehört. Vieles ist bisher gelungen.

"Die Zeit": Haben Sie die Liebe der Hamburger zur "Schlafenden Schönen" unterschätzt, die Helmut Schmidt vor Jahrzehnten beschrieben hat?

Olaf Scholz: Nein.

 

"Die Zeit": Hamburg, das Tor zur Provinz?

Olaf Scholz: Das wäre unangemessene Häme gegenüber Deutschland und Europa, deren Tor zur Welt Hamburg ja ist. Ich bin dafür, die Entscheidungen der Bürger zu akzeptieren und nicht zu interpretieren. Als hätten sich diejenigen, die dafür oder dagegen gestimmt haben, nicht ihre eigenen Gedanken gemacht. Von Interpretationen nach dem Motto "Eigentlich wäre es anders ausgegangen, aber ..." halte ich jedenfalls nichts.

"Die Zeit": Über das "Aber" diskutieren gerade aber viele.

Olaf Scholz: Die Zeitumstände waren sicherlich nicht günstig. Ich meine beispielsweise den Terror in Paris oder die Debatte über Korruption im Weltfußball. Das zeigt aber nur, wie nötig das Referendum war. Über die lange Zeit bis zur Entscheidung des IOC wären ja in jedem Falle schwierige Situationen auf uns zugekommen. 

 

"Die Zeit": Vielleicht haben Sie nicht genug erklärt, warum man trotz aller schwierigen Situationen Olympia in Hamburg machen kann.

Olaf Scholz: Viele in der Stadt, nicht nur ich, haben alle Gelegenheiten genutzt, das zu erklären. Gerade was die Anschläge von Paris betrifft, gilt für mich, dass man sich von Terroristen nichts verbieten lässt auch keine Sportveranstaltungen. 

 

"Die Zeit": DOSB-Präsident Alfons Hörmann sagt, irgendeine Krise ist immer.

Olaf Scholz: So sehe ich das auch.

"Die Zeit": Ist es, so gesehen, nicht zu einfach, die Niederlage auf äußere Umstände zu schieben?

Olaf Scholz: Wie gesagt, das wäre sogar falsch. Die hohe Beteiligung am Referendum, fast wie bei Bürgerschaftswahlen, spricht dafür, dass wir vieles richtig gemacht haben. Man sollte die Entscheidung jetzt nicht durch Bewerten entwerten.

"Die Zeit": Wird es künftig in Hamburg noch visionäre Großprojekte geben? Oder wird von jetzt an einfach ordentlich verwaltet?

Olaf Scholz: Wir trauen uns weiter Großes zu. Die Spiele waren ja kein Ersatz für eine ansonsten fehlende Stadtentwicklung. Es ist weiterhin vieles im Gange: der Sprung über die Elbe hinweg nach Süden, die Entwicklung "Stromaufwärts an Elbe und Bille", der Ausbau des U- und S-Bahn-Netzes, die Digitalisierung der Stadt. Oder nehmen Sie das Überseequartier, für das vor einigen Tagen neue Architekturentwürfe vorgestellt wurden. Dort werden 860 Millionen Euro investiert.

"Die Zeit": Das sind eher technische Planungen die große, mitreißende Idee fehlt jetzt?

Olaf Scholz: Das sehe ich anders. Das sind große Herausforderungen, für die Milliarden Euro bewegt werden.

"Die Zeit": Können Sie die Olympia-Gegner eigentlich verstehen?

Olaf Scholz: Olympia ist etwas sehr Optimistisches. Ich verstehe schon, wenn Bürger angesichts der aktuellen Weltlage Sorgen haben. Der Respekt gebietet es, dass man es nicht schlechtredet, wenn die Sorgen größer waren als der Mut.

"Die Zeit": Wenn man den NOlympia-Anhängern glaubt, sorgen sich viele Gegner weniger um die weltweiten Fragen als um Probleme vor der Haustür Flüchtlinge, Bildung, Mieten.

Olaf Scholz: Wir lösen diese Probleme: mit gebührenfreien Kitas, Ganztagsangeboten an allen Schulen, Abitur auf jeder Regelschule, gebührenfreiem Studium und dem größten Wohnungsbauprogramm in Deutschland.

"Die Zeit": Warum haben Sie in Ihrer Kampagne die Sorgen eigentlich so wenig thematisiert?

Olaf Scholz: Ich finde nicht, dass das der Fall war.

"Die Zeit": In der Stadt herrschte die Atmosphäre: Wer für Hamburg ist, ist für Olympia. Alle Parteien bis auf die Linke waren dafür, die Wirtschaft, der Sport, die Kultur, viele Medien. Warum gab es keine ernsthafte Organisation der Gegenseite?

Olaf Scholz: Das kann ich nicht beurteilen. Diejenigen, die mit Ja oder Nein abgestimmt haben, sind keine Gegner, sondern in dieser Frage unterschiedlicher Meinung. Und ich möchte mich von Ihnen nicht zu Spekulationen verführen lassen über ein Ergebnis, das ich akzeptiere.

"Die Zeit": Wir wollen Sie doch nicht verführen, Herr Scholz! Aber wir hatten den Eindruck, manche haben sich zwischendurch gar nicht mehr getraut, gegen Olympia zu argumentieren.

Olaf Scholz: Das habe ich anders erlebt. Ich finde es aber umgekehrt für die Demokratie kein schlechtes Zeugnis, wenn in einer Frage wie Olympia so viele Meinungsführer dafür sind und dann trotzdem ein anderes Ergebnis möglich ist. Es ist doch nichts Problematisches, wenn Bürger ihren eigenen Kopf haben. Die eine Hälfte war dafür, die andere dagegen. Die andere Hälfte war etwas größer.

"Die Zeit": Das ist doch der Punkt: Sie rechnen in zwei Hälften. Der Graubereich kam zu kurz.

Olaf Scholz: Legen Sie mir doch nicht mit Fragen in den Mund, was ich nicht gesagt habe!

"Die Zeit": Tun wir doch gar nicht. Aber gut, an Tagen wie diesen bekommt man eben nicht auf alles eine Antwort. Sind Sie denn heute immer noch froh, das Referendum angestrengt zu haben?

Olaf Scholz: Ja. Früher oder später hätte es eh eine Entscheidung dazu gegeben, weil sich genügend Leute für einen Volksentscheid gefunden hätten. Und dann hätte es vermutlich schon deshalb eine Mehrheit gegen die Spiele gegeben weil es so ausgesehen hätte, als wollte der Senat den Bürgern etwas vorsetzen. Ich stehe der direkten Demokratie positiv gegenüber, das will ich gerade angesichts dieser Entscheidung sagen.

"Die Zeit": Das müssen Sie angesichts dieser Entscheidung ja auch sagen.

Olaf Scholz: Nein. Meine Haltung zu dieser Frage ist lange bekannt, und ich verabschiede mich auch jetzt nicht davon.

"Die Zeit": Obwohl Sie jetzt, nach dem missglückten Volksentscheid zu den Energienetzen 2013, schon zum zweiten Mal erfahren haben, dass die Bürger Ihnen nicht genug Vertrauen entgegenbringen?

Olaf Scholz: Das Nein ist für mich kein Ausdruck von Misstrauen, sondern plebiszitäre Demokratie.

"Die Zeit": Mit der These, Sie hätten einen Denkzettel bekommen, können Sie nichts anfangen?

Olaf Scholz: Nee. Kann ich nicht.

"Die Zeit": Hat die Bürgerschaft, die mit solchem Enthusiasmus für Olympia war, die Sorgen der Bürger aus dem Blick verloren?

Olaf Scholz: Nein. Hat sie nicht. 

 

"Die Zeit": Was passiert eigentlich mit den 1,2 Milliarden Euro, die Sie für Olympia eingeplant hatten?

Olaf Scholz: Wir konzentrieren uns weiter auf vernünftige Projekte, die die Stadt voranbringen.

"Die Zeit": Wenn es so eine brillante Idee war, einen neuen Stadtteil auf dem Kleinen Grasbrook zu bauen: Warum tun Sie es jetzt nicht trotzdem?

Olaf Scholz: Weil es ohne Olympische Spiele nicht finanzierbar ist.

"Die Zeit": Bereuen Sie es im Nachhinein, vom Bund so forsch 6,2 Milliarden Euro verlangt zu haben?

Olaf Scholz: Nein.

"Die Zeit": Berlin hat sich von Ihnen erpresst gefühlt. Viele Wähler haben daraufhin nicht geglaubt, dass Sie sich noch einigen würden und mit Nein gestimmt.

Olaf Scholz: Das Erste stimmt nicht. Letzteres kann sein. Entscheidend waren aber wohl die anderen Fragen. Übrigens: Denen, die uns vorgehalten haben, wir hätten in der Bewerbung allgemeine Stadtentwicklungsprojekte untergebracht, die nicht nur mit Olympia zu tun haben, habe ich eine Wette angeboten: Ihr werdet nach Durchsicht aller 700 Einzelrechnungen der Bewerbung kein solches Projekt finden.

"Die Zeit": Worum haben Sie gewettet?

Olaf Scholz: Es gab keinen Einsatz. Keiner hat angenommen.

"Die Zeit": Stimmt es, dass bislang sechs Millionen Euro in die Bewerbung geflossen sind?

Olaf Scholz: Ja.

"Die Zeit": Tröstet Sie der Gedanke, dass bei den starken weltweiten Gegenkandidaten die Bürger die Notbremse gezogen haben, bevor noch mehr Millionen versenkt werden?

Olaf Scholz: Die Frage "Was wäre, wenn" kann einem das Leben vergällen. Ich gehöre nicht zu jenen, die sich damit lange aufhalten. Wir kümmern uns um die Zukunft Hamburgs.

"Die Zeit": Und was lernen Sie für Hamburgs Zukunft aus der Niederlage? Werden Sie Debatten anders führen?

Olaf Scholz: Ich teile nicht Ihre Meinung, die Diskussion sei nicht breit genug geführt worden. Und mancher Vorhalt ist auch sinnfrei. Es fehlt nur noch der Vorhalt, dass ich einen super Wahlkampf als Bürgermeister mache, aber nicht genug für die CDU tue. Ich bin jedenfalls der festen Überzeugung, dass hier eine faire Kampagne stattgefunden hat. Ich zitiere Alfons Hörmann: "Das ist ziemlich fehlerfrei gelaufen."

"Die Zeit": Völlig fehlerfrei?

Olaf Scholz: Zumindest glaube ich nicht, dass entscheidende Fehler gemacht wurden.

"Die Zeit": Immerhin sind die Bürger Ihnen nicht gefolgt. Das ist kein Problem?

Olaf Scholz: Richtig. Es ist kein Problem. 

 

Das Interview führten Charlotte Parnack und Marc Widmann.