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12.04.2012

Interview mit ProMedia

 

Bis 2016 wird es für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine Erhöhung des Rundfunkbeitrages geben. Das hat die KEF entschieden. Welchen Sinn hat dann noch die Arbeitsgruppe Beitragsstabilität?
Die Ministerpräsidenten haben im Oktober 2010 beschlossen, Verhandlungen zur Fortentwicklung des Auftrages der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufzunehmen. 
Die KEF hat eine maßvolle und vernünftige Entscheidung getroffen. Es ist klug, zunächst die Auswirkungen der Umstellung von der Gebühr auf den Beitrag abzuwarten, bevor man hier Änderungen vornimmt. Ungeachtet dessen schadet es natürlich nicht, sich darüber Gedanken zu machen, wie die Beiträge auch mittelfristig stabil bleiben. Ich teile allerdings nicht die Auffassung mancher Kollegen, dass sich die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks allein an seinen Kosten festmacht. Die Qualität des angebotenen Programms ist da ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger.
 
Kurt Beck hat vorgeschlagen, dass ARD und ZDF auf jeweils zwei ihrer drei Digitalkanäle verzichten sollen. Teilen Sie diese Auffassung?
Kurt Beck hat mit diesem Vorschlag lediglich einen Impuls für die inhaltliche Debatte über die weitere Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags unter digitalen Bedingungen gegeben. Es gibt auch gut begründete andere Vorstellungen. Darum müssen wir demnächst klären, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk die an ihn gestellten Erwartungen erfüllen kann. Für mich steht fest, dass dazu auch Digitalkanäle gehören als Experimentierfelder ebenso wie als Möglichkeiten, die Kernsendermarken weiter zu profilieren und mit Blick auf bestimmte Zielgruppen auszugestalten. Das ist der Hintergrund der staatsvertraglichen Beauftragung aus dem Jahr 2009. 
 
Lutz Marmor hat vorgerechnet, dass ein Kanal wie EinsExtra den Gebührenzahler nur zwei Cent pro Monat kostet. Ist eine Einstellung also vor allem eine Geste gegenüber dem privaten Rundfunk?
EinsExtra ist ein gutes Beispiel für einen Spartensender, der zum einen das Profil des Hauptsenders, die Nachrichtenkompetenz, unterstützt und der zum anderen sehr effizient und synergetisch zum Hauptprogramm aufgestellt ist. EinsExtra nutzt die Ressourcen, die die Landesrundfunk¬anstalten mit ihren Korrespondentenbüros ohnehin bereithalten. Durch die im Viertelstundentakt aktualisierten Nachrichten ist das Erste gerade in Krisenzeiten deutlich flexibler und reaktionsfähiger. Bei Abschaffung des Senders würde voraussichtlich noch weit weniger als die genannten zwei Cent eingespart werden können, da insbesondere das Korrespondentennetz für die Tagesschau behalten werden müsste. Eins Extra ist für die Nachrichtenkompetenz der ARD ein äußerst relevanter Faktor, den wir erhalten müssen.
 
ARD und ZDF verweisen auch auf zahlreiche Synergieeffekte durch die Digitalkanäle. Ist damit der Nutzen, einschließlich jüngerer Zuschauer, die erreicht werden, nicht größer als der Kosteneffekt, der durch eine Schließung erreicht wird. 
Das ist zumindest eine empirische Behauptung, mit der wir uns intensiv auseinandersetzen sollten. Die Digitalkanäle können ARD und ZDF in der Tat dabei helfen, das jüngere Publikum dort anzusprechen, wo das Vollprogramm zu sehr in die Breite geht. Gerade junge Nutzer sind es gewohnt, spezifische Formate auf verschiedensten Übertragungswege gezielt abzurufen. Den Sendern ist es bislang aber noch nicht ausreichend gelungen, solche Formate zu entwickeln. 
 
Ein Argument für eine mögliche Einstellung von Digitalkanälen ist die veränderte Mediennutzung durch eine verstärkte Nutzung von Online-Angeboten über den Fernseher. Müsste dann aber nicht auch die Sieben-Tage-Regelung der Mediatheken überdacht werden?
Die Sieben-Tage-Regel ist ebenso wie der Drei-Stufen-Test Teil der Lösung, mit der die Länder seit 2009 die europarechtlichen Anforderungen an gebührenfinanzierte Online-Medien erfüllen. Wir sollten an dieser noch jungen Lösung derzeit wenig ändern, um das Gesamtkonzept der staatsvertraglichen Regelungen zu den Online-Angeboten der Anstalten nicht zu gefährden. Natürlich mutet es in Teilen seltsam an, wenn technische Möglichkeiten, die im Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer liegen, so rigide beschnitten werden. Die 7-Tage-Regel ist aber nicht so absolut wie sie scheint: Nach erfolgreicher Durchführung des Drei-Stufen-Testes und Genehmigung durch die anstaltsinternen Gremien können die Sender ihre Angebote auch länger als sieben Tage online bereithalten. Zudem können sie Archive mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten zeitlich unbefristet anbieten. 
 
Wenn weniger Digitalkanäle zur Verfügung stehen, wie sollen ARD und ZDF dann jüngere Zuschauer erreichen?
Eine hypothetische Frage. Denn es ist ja nicht so. In den Digitalkanälen erfolgreiche, innovative Formate gehören letztlich zu attraktiven Sendezeiten ins Hauptprogramm. Eine formatübergreifende Nutzung sollte auch für  den Hörfunk und das Internet selbstverständlich sein. Am Ende geht es nicht nur um den Generationenabriss, sondern auch darum, den Altersmix des Hauptprogramms zu verbessern. Das gelingt nicht durch Anbiederung, vielmehr zeigt das Beispiel tagesschau.de, dass jüngere Zuschauer, sich auch über Kerninhalte der Öffentlich-Rechtlichen binden lassen. 
 
Bestehen aus Ihrer Sicht medienpolitische Bedenken gegen ein spezielles Online-Angebot für junge Nutzer über alle Verbreitungswege, das sich aus TV- und Radioangeboten aller Anstalten speist?
Wenn es hilft, den Generationenabriss erfolgreich zu bekämpfen, hätte ich dagegen inhaltlich nichts einzuwenden. Allerdings müssen wir auch hier aufpassen, dass wir keine Programmghettos entstehen lassen, aus denen die jungen Leute dann am Ende doch nicht ins Hauptprogramm finden. Medienpolitisch ist es meines Erachtens daher genauso wichtig, die privaten TV-Sender dabei zu unterstützen, ihre Angebote für ihr durchweg jüngeres Publikum auf ein angemessenes Niveau zu heben bzw. dort zu halten. Unter dem Strich ist auch damit viel gewonnen, was die Informiertheit und die Integration jüngerer Menschen in unsere gesellschaftliche Öffentlichkeit angeht. Ob in diesem generellen Angebotsmix auch ein öffentlich-rechtliches Web-Angebot flankierend helfen kann, müssen die Gremien der Anstalten im Lichte der staatsvertraglichen Vorgaben entscheiden.   
 
Wo könnten aus Ihrer Sicht durch strukturelle oder organisatorische Maßnahmen bei ARD und ZDF unabhängig von den Digitalkanälen gespart werden?
Ich kenne die internen Businesspläne der Anstalten nicht im Detail, könnte mir aber vorstellen, dass ohne Qualitätsverlust durch mehr Zusammenarbeit der Anstalten weiter gespart werden könnte. Die ARD ist hier mit vielen Programmkooperationen und gemeinsamen Sendeschienen im Radiobereich auf einem guten Weg. Mein Eindruck ist, dass die Anstalten nach der letzten KEF-Entscheidung verstanden haben, dass sie in den kommenden Jahren besonders effizient wirtschaften müssen und sich deshalb auch strukturellen oder organisatorischen Veränderungen nicht verschließen können. Ob in diesem Sinne zusätzliche Anreize zum Sparen oder gar Änderungen im KEF-Verfahren nötig sind, diskutieren wir gerade im Länderkreis. Ich will da Ergebnissen der Arbeitsgruppe nicht vorgreifen.
 
Die Gebühreneinnahmen waren aufgrund der guten Konjunktur 2011 höher als geplant. Auch zur Höhe des neuen Rundfunkbeitrages gibt es Spekulationen, dass er höher ausfällt. Können Sie sich eine Senkung des Beitrages vor 2016 vorstellen?
Ich will hier nicht spekulieren, wie sich die Einnahmen entwickeln. Erst einmal haben wir das Stabilitätssignal der KEF.
 
Ein anderer Weg, um den Gebührenzahler zu schonen ist es, die Einnahmen zu erhöhen. Welche Möglichkeiten sehen Sie hier durch öffentlich-rechtliche Bezahlangebote, beispielsweise durch die Video-on-Demand-Plattform Germanys Gold?
Der letzte Stand ist ja, dass das Projekt bei den kommerziellen Töchtern der Anstalten angesiedelt werden soll. Schon jetzt verkaufen diese Töchter CDs und DVDs mit Eigenproduktionen. Künftig werden diese physischen Datenträger vermutlich fast vollständig von Downloads oder Streams abgelöst werden. Daher sollten die öffentlich-rechtlichen Anstalten über ihre Tochterunternehmen auch die Möglichkeit bekommen, ihre Sendungen online zu vermarkten. Die KEF hat die Anstalten ja bereits dazu aufgefordert, ihren Programmbestand zu Geld zu machen. In Ergänzung zu der bereits seit langem etablierten Vergabe von Lizenzen für Eigenproduktionen an ausländische TV-Sender erscheint mir eine solche Plattform ein gangbarer Weg zu sein, der Aufforderung der KEF nachzukommen. Das geht natürlich nur, wenn Marktbedingungen herrschen. 
 
Sollte sich die Plattform auch durch Werbung refinanzieren dürfen?
Das lässt sich erst dann beantworten, wenn nähere Details bekannt sind. Eine vollständige Finanzierung des Angebots durch Werbung würde jedenfalls einen erheblichen Unterschied zum heutigen kostenpflichtigen Angebot von Trägermedien darstellen. Mit Blick auf die privaten Wettbewerber werden wir darauf achten müssen, dass das Ganze marktkonform bleibt. Das Portal müsste sich selbst, d.h. ohne Gebührengelder, tragen und darf nicht am Ende doch durch Rundfunkgebühren mitfinanziert werden. Besser und auch nutzerfreundlicher wäre es aus meiner Sicht, wenn es ein gemeinsames Portal der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender gäbe. Ungeachtet der noch zu lösenden kartellrechtlichen Fragen könnte so eine Kooperation auch den privaten Anbietern nutzen.
 
Die SPD hatte vorgeschlagen, im Zusammenhang mit dem neuen Gebührenmodell Werbung bei ARD und ZDF abzuschaffen. Wann wird das soweit sein?
Die vollständige Abschaffung von Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk würde zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrages führen. Dies ist derzeit länderübergreifend politisch kaum durchsetzbar. Mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde bereits der Umfang des Sponsorings im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingeschränkt. Die Länder haben vereinbart, die finanzielle Situation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit dem Vorliegen des 19. KEF-Berichts im Frühjahr 2014 erneut zu prüfen. Das Thema ist komplizierter als mancher wahrhaben will. Die privaten Radios zum Beispiel finden nicht selten die Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk notwendig, weil sie das ganze Werbegenre der Radiowerbung erhält. Sie fürchten, dass sonst Werbung im Radio mangels Masse verloren gehen könnte und Werbekunden auf andere Werbeträger wie den Printbereich ausweichen könnten.