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02.12.2010

Interview mit Spiegel Online

SPIEGEL ONLINE: Herr Scholz, herzlichen Glückwunsch.


Scholz: Wofür?


SPIEGEL ONLINE: In Umfragen sind sie so gut wie sicher der nächste Hamburger Bürgermeister. Sie können schon in den Weihnachtsurlaub fahren.


Scholz: Nein, im Gegenteil. Der geplante Urlaub ist zusammengestrichen. Die guten Umfragen müssen wir bei der Neuwahl erst noch umsetzen. Das wird ein Haufen Arbeit.


SPIEGEL ONLINE: Die Hamburger Neuwahlen im Februar scheinen die SPD zu euphorisieren. Generalsekretärin Nahles will gleich alle sieben Landtagswahlen 2011 gewinnen. Schnappt ihre Partei jetzt über?


Scholz: Ich kümmere mich um Hamburg. Und da gilt: Wir haben gute Aussichten, stärkste Partei zu werden. Die Umfragen sehen uns bei über 40 Prozent. Das will ich erreichen. Ein starkes Votum wäre für eine seriöse Politik übrigens sehr wichtig.


SPIEGEL ONLINE: Warum ist Amtsinhaber Christoph Ahlhaus der falsche Hamburger Bürgermeister?


Scholz: Es hat nichts hingehauen, seit Ahlhaus zum Bürgermeister gewählt wurde. Dafür gibt es viele Gründe, angefangen schon bei der personellen Zusammensetzung des Senats. Es ist ein Fehler gewesen, einen Finanzsenator im Amt zu lassen, gegen den eine Staatsanwaltschaft ermittelt. Und die Leistungsbilanz der Regierung ist ebenfalls kläglich. Da ist ein Wechsel nötig.


SPIEGEL ONLINE: In vielen lokalen Themen, wie etwa der Elbvertiefung, unterscheidet sich die SPD nicht von der Hamburger CDU. Mit welchem unterscheidbaren Versprechen treten Sie an?


Scholz: Pragmatismus und Verlässlichkeit. Daran hat es gemangelt. Das Geld ist zum Fenster rausgeworfen worden, jetzt muss plötzlich hart gespart werden - nicht wegen der Wirtschaftskrise, sondern wegen schlechten Regierens. Hamburgs Wirtschaft muss gestärkt werden. Der Hafen muss weiterentwickelt werden, das gehört zu den Kernaufgaben einer Hamburger Regierung. Und es geht um die Zukunft junger Menschen. Die fahrlässige Erhöhung der Kita-Gebühren durch Schwarz-Grün wollen wir rückgängig machen.


SPIEGEL ONLINE: Wo wollen sie dafür das Geld hernehmen?


Scholz: Ich bin dafür, dass wir eine sparsame Haushaltspolitik machen. Mein Vorbild ist da Bill Clinton, der mit dem US-Kongress vereinbart hatte, dass es kein Gesetz mit Mehrausgaben geben darf, indem nicht zugleich steht, wo das Geld herkommen soll. Mit anderen Worten: Jedes Gesetz muss man sich verdienen. So ist es dem US-Präsidenten in zwei Amtszeiten gelungen, den völlig ruinierten Haushalt zu sanieren. Warum sollte uns das in Hamburg nicht auch gelingen?


SPIEGEL ONLINE: Klingt gut. Dann sagen Sie mal, woher das Geld für die Kita-Pläne kommen soll?


Scholz: Es gibt nicht den einen großen Schatz, den man finden kann, wenn man lange genug im Rathaus sucht. Wir müssen den gesamten Politikstil auf Sparsamkeit hin ändern. Wer Sparsam ist, braucht nicht ständig Sparpolitik. Dieser große Paradigmenwechsel steht in Hamburg an.


SPIEGEL ONLINE: Ihr Wunsch-Koalitionspartner sind die Grünen. Die liegen neuerdings auch in Hamburg bei über 20 Prozent. Macht sie das nervös?

Scholz: Nein. Das macht mich überhaupt nicht nervös. Ich wünsche mir ein starkes Ergebnis für die SPD. Das ist die Grundlage für eine seriöse Koalition.

SPIEGEL ONLINE: Halten Sie die Grünen überbewertet?

Scholz: Hohe Umfragewerte der Grünen sind nicht das Problem der SPD. Ich empfehle meiner Partei einen entspannten Umgang mit den Grünen. Und andersrum wünsche ich mir das übrigens auch. Wir sollten nicht aufeinander eindreschen. Jede Partei sollte sich auf sich selbst konzentrieren.

SPIEGEL ONLINE: Stören Sie sich am teils aggressiven Ton einiger Top-Sozialdemokraten gegenüber den Grünen in den letzten Monaten?


Scholz: Ich weiß nicht, ob das die richtige Beschreibung der Äußerungen ist. Mein Rat ist: Wir müssen uns bewusst sein, dass es sich um unterschiedliche, eigenständige Parteien handelt, die viele Schnittmengen haben. Es ist für uns miteinander gut, dass wir in den Umfragen mehr Unterstützung bekommen als diejenigen, die heute in Berlin regieren. Die Grünen sind politische Konkurrenten, aber auch alte Freunde der SPD. Da braucht es keine Hysterie.


SPIEGEL ONLINE: Sollten Sie Erster Bürgermeister werden, können sie auch im Bundesrat mitsprechen und die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Druck setzen. Werden Sie Blockierer oder Vermittler?


Scholz: Man muss immer versuchen, gute Ergebnisse zu erzielen. Deshalb sollte es bei niemandem um Blockadepolitik gehen. Ich jedenfalls stehe für so etwas nicht. Aber unsinnige Vorhaben der Bundesregierung aufzuhalten, ist im Interesse des ganzen Landes.


SPIEGEL ONLINE: Woran denken Sie? 


Scholz: Wir achten sehr genau auf die Steuerpläne der Bundesregierung. Schwarz-Gelb hat die Vorstellungen noch nicht ganz aufgegeben, in einer Zeit höchster Staatsverschuldung Steuersenkungen für sehr gut Verdienende zu beschließen. Das macht keinen Sinn, das ist zutiefst unsozial. Sollte ich Hamburger Bürgermeister werden, würde ich versuchen, solche Pläne aufzuhalten.

 

Das Interview führte Veit Medick. Hier finden Sie das Interview bei Spiegel Online.