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03.05.2002

Landesparteitag der SPD 3. Mai 2002

Liebe Genossinnen und Genossen,

zu Beginn unseres Parteitages bitte ich Euch, Euch zu Ehren unserer Verstorbenen zu erheben. In den letzen zwei Jahren sind Genossinnen und Genossen von uns gegangen, die sich große Verdienste um die Sozialdemokratie erworben haben und die uns fehlen. Wir werden ihr Andenken bewahren. Stellvertretend für viele möchte ich nennen:

Hans Andres, Anna Berweger, Anne Echtermeyer, Irma Eggert, Horst Fiedler-Riemann, Heinz Gärtner, Helmut Grossmann, Hannchen Grove, Friederike Hartmann, Hans Hermsdorf, Gerhard Kahle, Irma Keilhack, Hans Klingenberg, Hilda Klisch, Dieter Mahnke, Clara Müller, Heinz Nernheim, Peter Neuhaus, Walter Oertel, Willi Riemer, Wilhelm Schirm, Edith Schmidt, Otto Schneider, Heinz Scholz, Auguste Schröder, Margarete Schwichtenberg, Peter Stender, Otto von Dein, Hermann Westphal, Erna Woyke-Suckow.

Wir wollen in unser Gedenken auch die Menschen einbeziehen, die vor einer Woche in Erfurt Opfer sinnloser Gewalt geworden sind.

Ich danke Euch, dass Ihr Euch im Gedenken an die Verstorbenen erhoben habt.

Liebe Genossinnen und Genossen,

der furchtbare Massenmord von Erfurt ist erst wenige Tage alt. Bedrückt und betroffen denken wir alle noch an die Opfer und die wirre, grauenhafte Tat. Wie sehr muss die Brutalisierung einer Gesellschaft vorangeschritten sein, wie groß muss die Abstumpfung sein, die solche Taten möglich macht? Sicher, in den letzten Jahren sind immer wieder vor allem aus den USA Bilder vom Wüten mordlustiger junger Menschen an Schulen zu uns gedrungen. Lange haben wir uns gefragt, ob so etwas auch bei uns in Deutschland möglich ist. Lange haben wir  gehofft, dass uns so etwas erspart bleibt. Jetzt wissen wir: Auch in unserem Land hat ein junger Mann seine Schwierigkeiten mit der Welt zum Anlass für ein bislang unvorstellbares Morden genommen.

Es stellen sich viele Fragen. Fragen, die beantwortet werden müssen: Glauben wir wirklich, dass die unzähligen Morde, dass die unsägliche Gewalt, die jeden Abend aus den Fernsehern in unsere Wohnzimmer dringt, ohne Folgen für junge Zuschauer bleiben? Glauben wir wirklich, dass Videos mit eindeutig gewaltverherrlichendem Inhalt wirkungslos bleiben? Glauben wir wirklich, dass der Konsum solcher Videos nur ein harmloser Zeitvertreib ist? Glauben wir wirklich, dass gewalttätige Spiele im Internet folgenlos sind für junge Menschen?

Ich glaube das alles nicht. Und deshalb werden die Verantwortlichen in diesen Medien neu über das nachdenken müssen, was die Folgen ihrer Sendungen und ihres Angebotes sein können. Wir wissen ja auch, dass nichts mehr vor dem Konsum solcher Gewalt schützt keine empfohlene Altersangabe auf Videocassetten und kein Sendetermin spät am Abend oder in der Nacht.

Wir haben nach der schrecklichen Bluttat von Erfurt innegehalten. Jetzt ist es Zeit zum Nachdenken und zum Handeln.

Ich glaube, dass dies nicht die Stunde parteipolitischer Zänkereien ist. Es ist deshalb auch reichlich peinlich gewesen, dass diejenigen, die die Verschärfung des Waffengesetzes als Landesminister verhindert und hinausgezögert, oder als Bundestagsabgeordnete bekämpft haben, sich teilweise als erste gemeldet haben, als es darum ging, neue Verschärfungen zu fordern.

Wir brauchen etwas neues, zunächst den Ausbruch aus den bislang praktizierten Formen, mit Konflikten umzugehen. Ich begrüße es, dass der Bundeskanzler mit den Ministerpräsidenten der Länder und mit den Verantwortlichen der Fernsehanstalten nach einem neuen Konsens für neue Gesetze und neue Maßnahmen sucht. All zu übertriebene Hektik sollte aber auch vermieden werden. Denn natürlich kann die schlimme Verwirrung eines Einzelnen nicht mit Patentrezepten beantwortet oder geheilt werden. Dennoch: Wir brauchen ein neues Nachdenken über das Problem von Gewalt in der Gesellschaft. Wir brauchen eine neue Diskussion, aus der sich niemand herausstehlen darf. Eine Diskussion innerhalb der ganzen Gesellschaft. Politik, Medien, Lehrer und Erzieher, Polizei und Eltern sind gefordert.

Neue tödliche Waffen, die auch für junge Menschen immer einfacher zu handhaben sind, können Folgen für die Psyche von Menschen haben, die nicht zu unterschätzen sind. Erhard Eppler hat vor einigen Tagen bei einer Veranstaltung des Wissenschaftsforums von den technologischen Bedingungen einer Privatisierung der Gewalt durch warlords gesprochen, beispielsweise in Afrika: Die Maschinengewehre des ersten Weltkrieges mussten noch von drei stämmigen Männern getragen werden. Heute sind gewaltigere Vernichtungswaffen in den Händen von Kindern. Und das Bedienen dieser Waffen ist für sie keine Schwierigkeit mehr.

Um so bedenklicher ist es, dass die Zahl der Waffen in unserer Gesellschaft so immens zugenommen hat. Wir müssen uns über gesetzgeberische Restriktionen neu Gedanken machen. Und es ist gut, dass das jetzt geschieht. Natürlich wird es wieder Stimmen geben, die sagen, dass nicht die Waffe das Problem ist, sondern der Mensch, der sie in der Hand hat. Dennoch: Der Schutz der Menschen muss für uns oberstes Gebot sein.

Wichtig ist, dass wir angesichts dieses großen bedrohlichen Problems nicht kapitulieren. Denkverbote darf es nicht geben. Lehrer und Schüler müssen sicher sein in der Schule. Lehrer und Schüler müssen davon ausgehen können, dass Waffen nicht zur Grundausstattung von jemandem gehören, der eine Schule betritt. Eltern müssen sich sicher sein können, dass ihre Kinder in der Schule nicht in Gefahr sind. Da, wo Entwicklungen in eine andere Richtung gehen, müssen wir Wege finden, um diese Entwicklungen rückgängig zu machen. Ganz klar: An Schulen haben Waffen nichts zu suchen.

Trotzdem bleibt wichtig, was der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel gesagt hat: Wir können und wollen Schulen nicht in Hochsicherheitstrakte verwandeln. Denn das hätte schlimme Folgen für die Befindlichkeiten und die seelischen Entwicklungsmöglichkeiten junger Menschen. Sie müssen auch in Zukunft gern in die Schule gehen können.

In diesem Rahmen wünsche ich mir ein überparteiliches Nachdenken und Vorgehen. Und ich wünsche mir, dass dieses Nachdenken nicht nur in der Stunde der Bedrückung anhält, sondern auch darüber hinaus, und dass es nicht in langen Gesetzgebungsverfahren zerredet wird und wirkungslos bleibt.

Dass Erziehung und Verantwortung für unsere Kinder nicht nur eine Sache der Schule, sondern auch eine Sache der Eltern ist, auch das hat uns die Katastrophe in Erfurt vor einer Woche deutlich gemacht. Niemand sollte diesen Aspekt bei der Diskussion um die Bewältigung dieses Massenmordes vergessen.

Liebe Genossinnen und Genossen,

blicken wir noch einmal abschließend zurück: Bei der Bürgerschaftswahl im September des letzten Jahres ist die Sozialdemokratische Partei auf die Oppositionsbänke geschickt worden. Das war für uns alle ein tiefer Einschnitt und ein schmerzlicher Vorgang. Dass wir nach einem harten Wahlkampf keine Stimmen verloren, sondern sogar welche dazu gewonnen haben, dass wir die stärkste Partei geblieben sind mit deutlichem Abstand vor der Partei des Bürgermeisters von Beust, der um zehn Prozentpunkte hinter uns zurückgesackt ist - hat uns diese Niederlage stolzen Hauptes ertragen helfen. Eine Niederlage bleibt es trotzdem.

Wir haben hier, auf einem Parteitag unmittelbar nach der Wahl, wir haben im Landesvorstand, wir haben bei Veranstaltungen in den Kreisen, den Distrikten und an vielen, vielen Orten über die Ursachen für das Wahlergebnis diskutiert. Das waren ehrliche, schmerzhafte Diskussionen, aber die waren notwendig. Sicher, das Wahlergebnis hat nicht nur etwas mit uns zu tun. Schließlich haben alle zurecht gesagt, dass die Bilanz der Regierung Runde sehr gut gewesen ist. Aber sie hat auch etwas mit uns zu tun. Und dass muss diskutiert werden, wenn wir erfolgreich die Voraussetzung dafür schaffen wollen, dass wir in vier Jahren mehr Stimmen bekommen und ein besseres Ergebnis erzielen. Unser Ziel bleibt die Rückgewinnung der Regierungsverantwortung in Hamburg.

Eines ist nach dieser großen Diskussion seit dem 23. September klar geworden: Es gibt niemanden, der in den letzten Jahren alles richtig gemacht hat. Das fängt natürlich beim Parteivorsitzenden an, das betrifft darüber hinaus auch alle Gliederungen, Gremien und Personen der Partei, die an der Regierung beteiligt waren. Ich finde, wir haben die Diskussion dazu gut geführt, und wir sind auch stark genug, sie weiter zu führen,  ohne uns dabei zu zerfleischen.

Dass insbesondere das Thema Innere Sicherheit Grund für das Wahlergebnis war, muss nicht ein weiteres Mal beschrieben und erwähnt werden. Ich will deshalb auch die Wahlanalysen, die wir mittlerweile alle gehört, gelesen und verstanden haben, nicht wiederholen. Was mir doch wichtig scheint, ist, dass wir alle Lehren für die Zukunft aus dem Wahlergebnis und aus dem nicht erzielten Erfolg ziehen.

Eine Lehre aus meiner Sicht: Es ist nicht gut, wenn eine Partei keinen Ort und keinen Weg findet, Dinge so zu diskutieren, dass aus der innerparteilichen Debatte heraus Änderungen möglich sind. Ich rede nicht von abstrakten Theorie-Diskussionen, sondern von Problemen, die unsere Partei genauso berühren wie die Menschen in der Stadt. Wir sind die Partei für die Menschen in dieser Stadt. Wir sind die Hamburg-Partei. Das dürfen wir nicht vergessen.

Fast jeder von uns hat schon aus vermeintlicher Solidarität die Luft angehalten, etwas nicht zur Sprache gebracht und damit möglicherweise ohne böse Absicht - den innerparteilichen Weiterentwicklungs-Prozess beeinträchtigt. Fast jeder Verantwortliche, sowohl ich als auch meine Vorgänger als Landesvorsitzende und viele andere, haben sich aus Verantwortung für die Regierung bereit gefunden, innerparteiliche Konflikte zu minimieren. Das war nicht in jeder Hinsicht falsch. Aber doch in vielerlei Hinsicht nicht richtig. Wir werden nur dann Erfolg haben, wenn wir für die Zukunft eine Partei sind, die sich vor innerparteilicher Debatte, die sich auch vor unterschiedlichen Meinungen nicht fürchtet. Wir sollten einander vertrauen dass wir konstruktive Diskussionen und selbst zerstörerische Streitereien voneinander zu unterscheiden vermögen.

Ich halte es deshalb für richtig, dass wir die Möglichkeiten der Mitarbeit und der Diskussion in unserer Partei weiter vermehren. Wer Mitglied der Hamburger SPD ist, muss auch das Gefühl und zwar das berechtigte Gefühl haben, dazu zu gehören, mitgestalten zu können.

Wir brauchen diese Genossinnen und Genossen, wenn es um die Entscheidung darüber geht, was in unserer Stadt geschehen soll. Wir brauchen diese Menschen, wenn wir wieder Verantwortung für Regierungshandeln bekommen. Politisch interessierte Menschen dürfen sich nicht langweilen, wenn sie an der Debatte ihrer eigenen Partei teilnehmen. Bei uns muss es um etwas gehen. 

Wir sollten daher nicht wie in den letzten Jahren gerade mal einen Parteitag pro Jahr veranstalten. Wir brauchen mehr Parteitage, denn wir brauchen mehr Diskussion.  Parteitage sind Orte eines Meinungsaustausches. Auf jedem Parteitag muss und wird auch Platz sein für Debatten zu gerade aktuellen Themen. Aber damit wir uns gemeinsam um die Fragen der Zukunft kümmern, muss es auch so sein, dass wir uns langfristig Schwerpunkte für diese Parteitage vornehmen, die dann den Mittelpunkt der Debatte ausmachen.

Auf diesem Weg sind wir bereits vorangekommen.

In gerade einmal einem Monat wird ein Parteitag zum Älterwerden in der Metropole stattfinden. Da geht es um ältere Menschen, die eine immer größere Rolle in unserer Stadt spielen - schon deshalb,  weil die Seniorinnen und Senioren in naher Zukunft eine noch viel größere Gruppe in unserer Gesellschaft sein werden. Es geht aber auch deshalb um ältere Menschen, weil gerade wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zeigen wollen, dass wir für diese Menschen da sind.

Es sind aktive Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die Freude am Leben haben und die es einigermaßen unerträglich finden, dass sie von der Mehrheit ihrer Mitmenschen nur als künftige Pflegefälle betrachtet werden. Diese aktive ältere Generation aber natürlich auch diejenigen, die besonderer Betreuung bedürfen spielen eine Rolle für die SPD.

Mit guter Vorbereitung werden wir zwei weitere Parteitage veranstalten, die am Ende dieses Jahres und Anfang nächsten Jahres die Themen Bildung und Innere Sicherheit und Öffentlichen Raum aufgreifen. Dass wir bei der Inneren Sicherheit eine Neupositionierung gegenüber früheren Positionen nötig haben, habe ich bereits gesagt und das finden wohl auch die meisten.

Was das alles im einzelnen bedeutet, darüber muss man sich aber damit es Ernst genommen werden kann auch unterhalten. Wir sollten uns bei diesem Thema aber nicht nur auf die Innere Sicherheit beschränken, sondern auch über den Öffentlichen Raum in Hamburg diskutieren. Nicht zuletzt deshalb, weil er für Sicherheitsgefühl und  Wohlbefinden in einer großen Stadt von großer Bedeutung ist. Es ist schon sehr peinlich, dass die neue Regierung, die mit diesem Thema Wahlkampf gemacht hat, als erstes Gebühren für den Sperrmüll erhebt. Bei der Parkreinigung und Instandhaltung, beim Reinigen von Wegen und Plätzen werden ernsthaft Kürzungen ins Auge gefasst. Damit wird auf einem wichtigen Feld das künftige Versagen des Schill-Senats bereits vorzeichnet. Wenn die neue Regierung aus unseren Fehlern nichts lernt, dann soll das ihr Problem werden.

Über Bildung zu diskutieren, ist nicht erst seit der PISA-Studie wichtig.  Wir wissen, dass wir mit unserer Vermutung richtig gelegen haben, dass die Integrationschancen der Menschen in unserem Bildungswesen noch nicht ausreichend gewährleistet sind. Gerade die PISA-Studie zeigt auch, dass es gut ist, wenn die Menschen miteinander lernen. Sie zeigt aber auch, dass Deutschland sowohl bei der Integration als auch bei der Leistung im Bildungsbereich hinter anderen Ländern zurück geblieben ist. Beides müssen wir diskutieren und deshalb ist ein Parteitag zu diesem Thema wichtig.

Euch liegt ein Arbeitsprogramm vor, das der Landesvorstand diskutieren wird. Es ist bewusst kein Beschluss für diesen Parteitag zumal wir Arbeitsprogramme auf Parteitagen seit Jahrzehnten nicht beschlossen haben. Aber es soll hier mit eine Rolle spielen. Es soll Euch anregen, Vorschläge zu machen. Wir werden auf einem Treffen mit den Distriktsvorsitzenden über dieses Arbeitsprogramm diskutieren und dann im Landesvorstand unsere Arbeitsplanung für die nächsten zwei Jahre auf Basis der Wünsche, der Mitteilungen und der Diskussion mit der Distriktsbasis festlegen. Was auf die schon festgesetzten Parteitage folgt, soll auch dabei besprochen werden. Sinnvoll ist es, dass wir uns dabei um die Themen kümmern, die die Menschen in unserer Stadt bewegen und die für die Zukunft unserer Stadt wichtig sind.

Ich halte zum Beispiel unbedingt für erforderlich, dass wir eine Diskussion über Gesundheitspolitik führen. Diese Diskussion wird im Frühsommer kommenden Jahres in Deutschland schon im Gange sein, und wir werden uns einmischen. Ich halte auch für erforderlich, dass wir dabei über Hamburg als einen der wichtigen Standorte für Gesundheitswirtschaft diskutieren. Das kann eines der Cluster sein, das ein künftiges Wachstumsfeld unserer Stadt umfasst. Es ist deshalb absurd, wenn heute über die Zerschlagung des Landesbetriebs Krankenhäuser, des größten und erfolgreichsten Krankenhausunternehmens der Bundesrepublik Deutschland, diskutiert wird. Statt dieses Pfund zu nehmen und damit zu wuchern, soll der LBK zerfleddert werden um Gruppen entgegenzukommen, die dem Senat mehr oder weniger nahe stehen. Wir werden genau beobachten, wer da alles zum Zuge kommen wird, ob er Marseille heißt oder sonst wie.

Die Gewerkschaft ver.di hat eine Volksinitiative gestartet, in der sie sich für eine mehrheitlich staatliche Beteiligung am Landesbetrieb Krankenhäuser ausspricht. Lasst uns diese Initiative unterstützen! Liebe Genossinnen und Genossen, sorgt dafür, dass darüber in den Distrikten diskutiert wird. Diskutiert mit den Menschen unserer Stadt. Helft mit, Unterschriften zu sammeln.

Bei dieser Gelegenheit auch ein Hinweis auf die zweite Initiative: Sie heißt Sonntag ist nicht alle Tage, und auch sie verdient unsere Unterstützung. Das ist keine neue Ladenschluss-Diskussion. Sondern es geht darum, ob der Sonntag ein Tag der Arbeitsruhe, der Besinnung bleibt - wenigstens für den Teil der Menschen, die ihn bisher nicht als fast regelmäßigen Arbeitstag erlebt haben. Wir wollen hier im Bündnis mit den Kirchen Hamburgs den Sonntag verteidigen. Wir finden es nicht modern, sondern peinlich, wenn der Hamburger Senat versucht, durch eine gesetzliche Neuregelung ständige Sonntagsöffnungen in Hamburg durchzudrücken.

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir sind eine Volkspartei. Bürgerbeteiligung, die sich nicht auf Wahlen beschränkt, ist durchaus unsere Sache. Wir haben Volksinitiativen und Volksentscheide in Hamburg als Gesetzgeber möglich gemacht. Wir wollen jetzt solche Regelungen auch in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verankern. Leider sperrt sich die CDU/CSU gegen mehr Bürgermitwirkung und verhindert wohl die notwendige verfassungsändernde Mehrheit. In Hamburg aber gibt es das Instrument. Die Regierung muss sich darauf einstellen, dass wir nicht nur andere bei ihren Volksinitiativen unterstützen, sondern selbst auf dieses Instrument zurückgreifen.

Unser Arbeitsprogramm enthält weitere Vorschläge und Merkpunkte, die zu den wichtigen Dingen gehören, die wir miteinander zu Stande bringen müssen. Es geht um Kontroverse, um Diskussion, um Debatte. Ich will noch einmal betonen, dass das aus meiner Sicht besonders wichtig ist. Nicht nur den Zeitungen habe ich entnommen, dass es in Bezug auf die Vorstellung, wie viel Meinungsvielfalt ich besonders klasse finde, sehr dezidierte Meinungen gibt. Lasst mich deshalb die Gelegenheit nutzen, etwas dazu zu sagen: Nichts ist langweiliger als eine Partei, die nicht diskutiert. Nichts ist blutleerer als politische Meinungsbildung, die über Presseerklärungen des Landesvorstandes nicht hinausgeht. Wir brauchen Diskussionen, denn Diskussion ist der Charakter einer Partei. Wir brauchen keine Soße von Pseudo-Harmonie, die über alles gegossen wird. Wir brauchen den Mut zum Widerspruch innerhalb unserer Partei wie in der Diskussion um die bessere Politik.

Nicht nur die Ausweitung der Parteitage, sondern auch unsere Themeninitiativen und andere Debattenpunkte sollen dazu dienen, dass man die SPD als diskutierende Partei kennen lernt und wahrnimmt. Es macht nichts, wenn auch mal Sachen mit Mehrheit entschieden werden.

Viel mehr würde es etwas ausmachen, wenn wir uns weiterhin in Formelkompromissen festsetzen würden statt dort, wo wir unterschiedlicher Meinung sind, auch einmal Entscheidungen zu ermöglichen. Gegen Kompromisse ist in der Politik nichts einzuwenden. Kompromissunfähigkeit ist ein Zeichen menschlicher Schwäche. Doch Formelkompromisse haben nichts mit Kompromissen zu tun. Sie sind das Zukleistern der Tatsache, dass es einen Kompromiss, eine gemeinsam erarbeitete Meinung gerade nicht gegeben hat. Das sollten wir für die Zukunft ausschließen, wenn wir Ernst genommen werden wollen von den Menschen in unserer Stadt.

Liebe Genossinnen und Genossen,

eines hat die Debatte über den Wahlkampf uns spätestens gelehrt, wenn wir es nicht längst gewusst haben: Eine Wahl wird nur zuletzt im Wahlkampf gewonnen. Das, was die Menschen in Hamburg von uns halten, das muss sich über die nächsten drei, dreieinhalb Jahre so aufbauen, dass im Wahlkampf darauf aufgebaut werden kann. Dass die Thesen und Positionen, die wir dort vertreten, eine Begründung haben in den Dingen, die wir vorher miteinander entwickelt und diskutiert haben.

Was für eine Kraft an Mitarbeits- und Mitmachmöglichkeiten in unserer Partei steckt, hat der kleine Zettel gezeigt, den wir an die Hamburger Parteimitglieder verschickt haben. Wir haben sie gebeten, anzukreuzen, wo sie mitmachen wollen. Viele übrigens auch hohe Funktionäre haben erst bei dieser Gelegenheit festgestellt, welche vielfältigen Möglichkeiten der Beteiligung in den Arbeitskreisen und Arbeitsgemeinschaften überhaupt existieren. Die Resonanz  hat uns überrascht. Fast 2.000 Rückmeldungen hat es gegeben. Bei fast 15.000 Mitgliedern ist das eine ungeheuer hohe Zahl. Ich hoffe, dass die Arbeitskreise und Arbeitsgemeinschaften mit den neuen Interessierten etwas anfangen. Dass sie ihnen die Möglichkeit der Mitarbeit geben und dass sich das in Kraft und Saft für die Hamburger SPD niederschlägt.

Liebe Genossinnen und Genossen,

was ist noch erforderlich, damit die SPD als Opposition Erfolg hat?

Zunächst einmal natürlich eine nicht so erfolgreiche Regierung. Das kann so kommen. Denn wenn wir genau hinschauen, dann war der Start des neuen Senats überschattet durch die kleinen und größeren Skandale und Verfilzungen der Schill-Senatoren. Dann hat der Senat eine große Kurve gemacht und immer über Sparpolitik geredet, aber gleichzeitig Mehrausgaben beschlossen. Gleichzeitig hat er  Dinge zusammen gestrichen, die ihm noch nie gepasst haben, und er hat behauptet, das müsse so sein, weil das Geld fehle. Wir werden die Fortsetzung dieser Angelegenheit spüren. Und wenn wir nun schauen was die Senatoren machen, dann ist es doch nicht überall Glanz und Gloria was uns da begegnet.

Verfassung der Opposition und Schwäche der Regierung sind wichtige Voraussetzungen für die Zukunft. Der Bürgermeister von Beust hat vier Jahre Zeit zu beweisen, was er kann. Bisher hat er sich aus den Dingen, um die es ging, meist rausgehalten. Mehr noch: Bei den Peinlichkeiten tut er so, als habe er mit dem Senat nichts zu tun. Wir werden sehen, wie es weiter geht. Die Regierung kann sich jedenfalls sicher sein, dass wir das, was sie falsch macht, auch kritisieren werden.

Das gilt auch für Filzfälle: Wir werden diese kritisieren, auch wenn unsere eigene Vergangenheit nicht immer über alle Zweifel erhaben gewesen ist. Wir können uns aber offensiv mit der Regierung auseinandersetzen, weil ich jedenfalls eine völlig neue Auffassung über dieses Thema in der Hamburger SPD festgestellt habe. Das gilt übrigens für alle Kreise. Und das ist auch gut so.

Und sie soll sich nicht zurücklehnen und hoffen, dass wir uns schämten, weil wir ja nun 44 Jahre Gelegenheit gehabt hätten, gute Politik zu machen. Wir finden nicht nur, dass das meiste auch ziemlich ordentlich war. Wir finden auch, dass die Professionalität der Regierungsarbeit sozialdemokratischer Senatoren problemlos  mithalten kann mit dem, was wir jetzt an vielen Stellen erleben. Und zuletzt: Wir sind bereit, unsere Aufgabe anzunehmen und finden deshalb richtig, dass die Regierung kritisiert wird. Wenn sie das als Majestätsbeleidigung empfindet, wenn sie von Kampagnen spricht, wenn sie flehentlich bittet, man möge doch zulassen, dass sie sich um die Sacharbeit kümmert, dann ist das ihr Problem.

Ganz andere Probleme hat inzwischen Richter Schill. Die vom Parteichef selbst vollmundig angekündigte bundesweite Ausdehnung wird wohl nichts. Zumindest dieses Ergebnis der Wahl in Sachsen-Anhalt freut uns. Weniger freut uns, dass rechtspopulistische und rechtsextremistische Parteien in ganz Europa derzeit kleinere und größere Erfolge erzielen. Le Pen auch wenn er in Frankreich bald auf das angemessene Maß zurückgestutzt wird -  Pia Kjaersgaard und Anders Fogh Rasmussen in Dänemark, die British National Party jetzt in England dass  muss uns beunruhigen. Und wenn die Konrad-Adenauer-Stiftung jetzt plötzlich der Ansicht ist, die Schill-Partei sei bereits entzaubert, dann ist das leider wohl eher das Pfeifen im Walde als politische Einsicht.

Für uns gehört dazu, dass wir uns auf vier Jahre Rechts-Senat einrichten. Wer weiß, ob Herr Schill die hohen Anforderungen und das Arbeitspensum eines Innensenators und zweiten Bürgermeisters bis zum Ende durchhält das liegt im Wesentlichen an ihm und nicht an uns. Aber dass das Regierungsbündnis vier Jahre halten kann, dafür sprechen schon die Fraktionsstärken in der Bürgerschaft. Da hängt einer am anderen und vom anderen ab. Und das Mitregieren ist doch was Schönes, so dass es wohl zum Zusammenhalt reichen wird.

Kritik ist das eine. Alternativen sind das andere. Wir müssen zeigen, wie wir uns eine bessere Zukunft für Hamburg vorstellen. Wir müssen zeigen, dass man es besser machen kann. Das wird die Aufgabe unserer Debatten sein - auf den Parteitagen, bei den Themeninitiativen, in den Arbeitskreisen und Arbeitsgemeinschaften, in den Distrikten und Kreisen.

Erfolgreich können wir auch nur sein wenn wir viele sind, denen man etwas zutraut. Wenn sich mit den politischen Positionen der SPD, auch mit ihrer Bandbreite, Menschen verbinden, die man einschätzen und kennen lernen kann. Abgewählt zu werden bedeutet ja auch, sich entscheiden zu müssen: Zum Beispiel, ob man sich  traut, ein Team neu aufzubauen. Ob man neuen Leuten eine Chance geben will und die Opposition als Chance begreift. Die Fraktion hat sich so entschieden, die Kreise der Hamburger SPD haben sich auch so entschieden und insgesamt wird auch dieser Landesvorstand egal wie nun im einzelnen gewählt wird deutlich machen, dass wir so vorgehen wollen.

Wir wollen zeigen, dass da eine neue SPD herangewachsen ist. Eine SPD, in der sich innerhalb von vier Jahren viele neue Schwergewichte entwickelt haben werden. Wir wollen in drei Jahren in den Medien und in der Öffentlichkeit das spannende Spiel  erleben, wer von denen denn nun Senator und sonst was wird.
Wenn wir soweit sind, dann haben wir viel erreicht. Deshalb ist es unsere gemeinsame Aufgabe, den vielen Neuen in unserer Partei eine Chance zu geben. Ich jedenfalls habe großes Vertrauen in das Potential der Menschen der Hamburger SPD. Wir haben uns personell neu formiert. Wir haben uns bereits auf Inhalte verständigt. Der Oppositionsmotor läuft.  - Ich glaube, dass wir es schaffen können.


Liebe Genossinnen und Genossen,

dieses Jahr wird auch noch bestimmt sein durch die Bundestagswahl. Am 22. September wird sich entscheiden, ob der dritte sozialdemokratische Kanzler nach 1945 eine zweite Legislaturperiode verantworten kann. Dass die Wahl am 22. September schon gelaufen ist, das kann man heute nicht sagen. Aber wir haben eine echte Chance - das zeigt sich an den Zustimmungswerten für den Bundeskanzler und Parteivorsitzenden Gerhard Schröder. Das zeigt sich auch an der sinkenden Zustimmung für Edmund Stoiber.

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich bin überzeugt, Edmund Stoiber und die CDU/CSU haben die Stimmen, die sie bei der Bundestagswahl gewinnen können, schon alle beisammen. Wir haben das erkennbar nicht. Das ist jetzt unsere Aufgabe, eine schwere. Lasst uns jetzt kämpfen, Woche für Woche die Stimmen für die SPD hinzuzugewinnen die wir brauchen, damit die sozialdemokratische Partei am Ende stärkste Partei im Deutschen Bundestag ist und Gerhard Schröder Bundeskanzler bleibt.