Ausstellung 100 Jahre Paul Nevermann
Rede zur Ausstellungseröffnung im Kurt-Schumacher-Haus
Liebe Gäste,
liebe Genossinnen, liebe Genossen,
am 5. Februar 2002, also vor gut anderthalb Monaten, wäre Paul Nevermann 100 Jahre alt geworden. Für uns war dies ein guter Anlass, an seine Verdienste für Hamburg und für die Hamburger SPD mit einer Ausstellung zu erinnern.
Dr. Paul Nevermann Das Beste für Hamburg haben wir unsere Ausstellung genannt. Das Beste für Hamburg so lautete der Wahlkampfslogan, den die Hamburger SPD zum Bürgerschaftswahlkampf 1961 ausgegeben hatte. Das Beste für Hamburg ganz klar, das war die Politik der Hamburger SPD. Das Beste für Hamburg war aber auch die Persönlichkeit Paul Nevermanns, der ei-nen großen Teil des Wahlerfolgs für sich verbuchen konnte. 57,4% der Stimmen erzielte die SPD im Bürgerschaftswahlkampf 1961. Das war bis zu diesem Zeit-punkt das beste Ergebnis der Hamburger SPD. Mit ungebremsten Elan konnte Paul Nevermann als Bürgermeister die Aufbauarbeit nach dem Wahlsieg fort-setzen: Die Wohnungsnot war noch nicht beseitigt, Hamburg brauchte mehr Straßen, U-Bahnen und einen größeren Hafen. Das Verhältnis zwischen Regie-rung und Bürgerinnen und Bürgern musste verbessert werden: Paul Nevermann richtete Kontaktkonferenzen, in denen Politiker, Verwaltung und Betroffene di-rekt miteinander sprachen.
Eine Opposition existierte zu diesen Jahren so gut wie gar nicht: die CDU war geschlagen, dämmerte saft- und kraftlos vor sich hin oder stimmte Regierungs-vorhaben doch lieber gleich zu. Auch dies war ein Erfolg einer starken Partei, einer geschlossenen und quirligen Fraktion und überaus fähigen Senatoren mit einem herausragenden primus inter pares Paul Nevermann.
Paul Nevermann ist ein großes Vorbild für alle Hamburger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und das in mehrfacher Hinsicht:
- Er ist es als Kind eines Brauereiarbeiters, das sich aus armen Verhältnissen ü-ber die Schlosserlehre, den Abiturientenkurs für Arbeiter und über das Jurastu-dium mit Fleiß und Begabung bis zum promovierten Juristen hinaufgearbeitet hatte.
- Er ist es als Senator, der anpackte und tatkräftig dafür sorgte, dass Hunderttau-sende im zerbombtem Hamburg der Nachkriegszeit schnell wieder ein Dach ü-ber dem Kopf fanden. Die Leistungen des sozialen Wohnungsbaus sind ganz zentral mit dem Namen Paul Nevermann verbunden.
- Er ist es als Oppositionsführer in der Zeit des Blocksenats von 1953 1957. Mit großer Sachkompetenz, Witz und Schlagfertigkeit deckte er die Schwächen der Regierung auf und sorgte dafür, dass die Oppositionszeit der SPD nach vier Jahren schnell wieder beendet war.
- Und er ist es für uns als Bürgermeister, der sich dem Ganzen verpflichtet fühlte und der seine Entscheidungen stets am Wohl der gesamten Stadt ausrich-tete und eben nicht am Wohl der eigenen Partei oder bestimmter Gruppen.
- Für Paul Nevermann und für jeden Hamburger Sozialdemokraten war und ist dies eben selbstverständlich - auch wenn man das in diesen Zeiten leider wieder einmal betonen muss.
- Nicht zuletzt ist Paul Nevermann auch ein Vorbild für Engagement in der Hamburger SPD.
Er gehörte von 1946 bis 1970 dem Landesvorstand an. Sechs Jahre, bis 1952 als Beisitzer, dann 14 Jahre als stellvertretender Vorsitzender neben dem Vorsitzen-den Karl Vittinghoff und schließlich nach seinem Rücktritt als Bürgermeister, vier Jahre als Landesvorsitzender.
Die abseitige These der konservativen Kritiker, dass ein guter SPD-Politiker immer auf Distanz zur Partei gehen muss, um gute Politik machen zu können, wird durch die Person und die Aktivitäten Paul Nevermanns widerlegt. Zwi-schen die SPD und Paul Nevermann passte kein Blatt Papier. Er war ein Mann der Partei, im besten Sinne des Wortes, und dabei nie Parteisoldat. Der Kampf um Freiheit, Demokratie und ein besseres Leben für alle Benachteiligten das waren seine unerschütterlichen Überzeugungen. Das politische Tagesgeschäft in Fraktion und Regierung: klare Positionen vertreten, erklären, vermitteln oder Kompromisse schließen, das war praktische Arbeit für sozialdemokratische Grundwerte. Beides gehörte zusammen.
Bei all seinen Leistungen, auf die Paul Nevermann wahrlich hätte stolz sein können, ist er doch das geblieben, was wir heute einer von uns nennen wür-den. Einer von uns, das heißt er hörte sich die Sorgen und Nöte seiner Mit-menschen an, er konnte mir ihnen reden, er war nicht abgehoben, sprach ihre Sprache und war auch für so manchen Witz zu haben.
Die Hamburgerinnen und Hamburger wussten: diesem Mann können wir ver-trauen, bei ihm ist die Regierung unserer Stadt in guten Händen. Paul Never-mann war während seiner Amtszeit der populärste Bürgermeister, den Hamburg bis dato hatte. In einer Umfrage aus dem Jahr 1965 sagten drei von vier Befrag-ten, dass Paul Nevermann der bedeutendste Hamburger sei.
Er gibt noch viel zu sagen, und noch mehr zu erzählen über diesen Genossen, dem wir viel zu verdanken haben. Ich möchte aber nur noch eine Bemerkung anschließen:
Anke Fuchs hat in ihrer Rede zum 100. Geburtstag Paul Nevermanns darauf hingewiesen, dass wir von ihrem Vater lernen können, wie man mit kurzer Op-positionszeit langfristig Erfolg haben kann.
Wer sich die ersten Monate des Pleiten-und-Pannen Senats der Herren Beust und Schill angesehen hat, dem fällt sofort auf, dass gewisse Parallelen zur Poli-tik des Blocksenats der Jahre 1953 1957 unverkennbar sind: fehlende oder in-kompetente Senatoren, mangelnde Sachkompetenz, personelle Querelen.
Aber wir wissen: Geschichte wiederholt sich nicht. Wir wissen, dass wir nicht einfach sitzen bleiben und abwarten können, dass der Schwarz-Schill-Senat zer-bricht, ähnlich wie damals der Block-Senat. Aus heutiger Sicht erscheint es im Rückblick auf die vierjährige Oppositionszeit fast klar, dass die SPD nach der Bürgerschaftswahl 1957 wieder die Regierung stellen würde. Für unsere Genos-sen von damals, die Zeitgenossen Nevermanns, war dies keineswegs klar und vorhersehbar. Manchmal zweifelten sie, ob mit dem Hamburg-Block nicht lange Zeit die reaktionären Kräfte die Oberhand haben würden, und sie ärgerten sich über die wenigen guten Ideen wie die Politik der Elbe, die der Senat hervor-brachte.
Auch Paul Nevermann sah die Lage der SPD in diesen vier Jahren nicht immer rosig. 1955, in einer Sitzung des Landesvorstandes, äußerte er sinngemäß: Der Blocksenat hat sich jetzt beruhigt, die Regierungsarbeit läuft ruhiger. Wir müs-sen unsere Kräfte sammeln und uns ganz auf den Bürgerschaftswahlkampf in zwei Jahren konzentrieren. Dann können wir es schaffen. - Es ist auch dieses, was wir aus der Oppositionszeit Nevermanns lernen können: dass wir schlechte Zeiten durchstehen können, dass wir uns auf unsere eigene Kraft besinnen müs-sen und dass wir immer wieder für unsere Ideen kämpfen müssen.
Es gilt, Dank zu sagen:
- an die Familie Nevermann, ohne deren Unterstützung es diese Ausstellung nicht geben würde
- an die Bürgerschaftsfraktion für die Finanzierung
- Christel Oldenburg für die Initiative zur Ausstellung
- Holger Martens und Christel Oldenburg für Text und Recherche
- an die Layouterin (steht der Name nicht auf der letzten Tafel?)
- an alle Privatpersonen und Archive, die Dokumente und Bildmaterial zur Ver-fügung gestellt haben: Archiv der sozialen Demokratie, Forschungsstelle für Zeitgeschichte, Staatsarchiv Hamburg, Landesmedienzentrum und an Herbert Baersch.
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21.03.2002