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24.02.2010

Man darf Westerwelle üble Absichten unterstellen

Gastkommentar in der WELT

 

 Leistung muss sich lohnen. Wer arbeitet, muss mehr haben, als einer, der nicht arbeitet. Das sind zwei ursozialdemokratische Sätze, die in Deutschland fast jeder unterschreiben würde. Nun spricht, nein schreit, der FDP-Vorsitzende diese Sätze laut heraus. Leider ist das kein Beweis kultureller Hegemonie der Arbeiterbewegung, sondern Folge einer fatalen Sinnverdrehung.
Leistung muss sich lohnen, heißt bei den Westerwelles in FDP und Union, den Spitzensteuersatz für die Wohlhabenden zu senken. Es heißt nicht, dass im Niedriglohnsektor höhere Löhne gezahlt werden.

Wer arbeitet, muss mehr haben, heißt bei den Neoliberalen, dass das Arbeitslosengeld II gekürzt werden soll. Früher hätte man gesagt, die Leute kriegen Steine statt Brot. Heute bietet die FDP Ressentiment statt ordentlicher Bezahlung.

Unzählige gehen arbeiten, obwohl es sich für sie kaum rechnet. Den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen zu wollen, ist für die meisten selbstverständlich. Aber das ist in vielen westlichen Industrieländern im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte schwieriger geworden.

Tatsächlich herrscht bei vielen ein Gefühl tiefer Verunsicherung. Und zwar nicht nur in den sozialen Brennpunkten, sondern mitten im Herz des deutschen Wohlstandsmodells: im Arbeitsleben. Die alten Tugenden und neuen Unsicherheiten sind die Zutaten, für die merkwürdige politische Kampagne Westerwelles. Allerdings ohne einen einzigen Vorschlag, wie man daran etwas ändern kann.

Dazu passt, dass gesetzliche Regelungen gefordert werden, die es längst gibt: Schon jetzt müssen Langzeitarbeitslose jede zumutbare Arbeit annehmen. Man darf ruhig unterstellen, dass Westerwelle & Co. das wissen. Und man darf ihnen deshalb üble Absichten unterstellen.

Es wäre eine Katastrophe, wenn jetzt durch höhere Freibeträge die Zahl der so genannten Aufstocker, die neben dem Arbeitseinkommen noch Arbeitslosengeld II erhalten, dramatisch zunähme. Die staatlichen Zuschüsse würden so in den unteren Lohngruppen zu einem selbstverständlichen Teil der Rechnung. Arbeitgeber könnten die Löhne drücken und Kosten auf den Staat verlagern. Einmal etabliert, wäre ein solcher dauersubventionierter Arbeitsmarkt nur schwer wieder aus der Welt zu schaffen.

Mit einer solchen Politik konservierten die schwarz-gelben Koalitionäre dann die heutigen Verhältnisse, über die sich Herr Westerwelle empört. Das wäre Zynismus.

 

Hier finden Sie den Beitrag auf der Internetseite der WELT.