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07.06.2013

Medienpolitik im Wandel

 

Lieber Thomas,

liebe Gesche,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

ich freue mich, dass das Thema Medien mit diesem Kongress die Beachtung erfährt, die es verdient.

 

Es ist angesichts der aktuellen Entwicklungen dringend nötig, dass wir dieses Politikfeld wieder stärker in den Blick nehmen. Wir waren da in der Vergangenheit schon einmal weiter.

Medienkommunikation gehörte vor ein paar Jahrzehnten zu den wichtigen und heiß debattierten Politikfeldern.

Anfang der 1970er Jahre wurde auf sozialdemokratischen Parteitagen teilweise stundenlang über die Medienordnung der Bundesrepublik diskutiert.

Damals ging es um die Gefahren der Kommerzialisierung, um die Freiheit der Redaktionen und um die Sicherung des gesellschaftlichen Einflusses.

Die Theorien von der Kulturindustrie und vom Strukturwandel der Öffentlichkeit prägten Auseinandersetzungen, die eigentlich ganz pragmatischer Antworten bedurft hätten. 

Wer die Protokolle dieser Debatten nachliest, der fühlt sich bisweilen in eine andere Zeit versetzt. Ihre ideologische Aufladung mutet seltsam dogmatisch und altertümlich an.

Und doch: Ein wenig mehr von dem damaligen Engagement und der Grundsätzlichkeit in der Debatte würde uns heute gut tun.

Denn wir stehen mittlerweile wirklich vor fundamentalen Umbrüchen.

Es geht nicht mehr darum, wie wir verhindern, dass private Unternehmen zu viel Geld mit Medien verdienen. Solche Irrwege haben wir lange hinter uns gelassen.

Sondern es geht darum, wie wir sicherstellen, dass sich Medienschaffen und Journalismus überhaupt noch ökonomisch rentieren.

Die Umbrüche der Digitalisierung reichen bis tief hinein in unseren Alltag. Wo Informationen früher noch einen Träger gebraucht haben, verbreiten sie sich mittlerweile in Sekundenschnelle auf der ganzen Welt und sind beinahe überall abrufbar.

Das kann weitreichende Freiheitsgewinne bedeuten, wenn wir es richtig anstellen:

Wahrscheinlich war unsere Gesellschaft nie informierter über das Weltgeschehen, wahrscheinlich war es noch niemals so einfach, unabhängige Antworten auf drängende Fragen zu finden.

Und wahrscheinlich werden auch die aktuellen Umbrüche dazu beitragen, dass diese Entwicklung sich fortsetzt nicht problemlos und auch nicht selbstverständlich, aber doch wahrscheinlich, wenn wir sie politisch begleiten.

Dazu reichen die üblichen Erregungswellen zu Google Street View oder Facebook-Parties  genauso wenig aus wie die gängigen Abwehrreflexe, die das Internet bloß als ein riesiges Problem für den Datenschutz behandeln.

Solche unreflektierte Fundamentalkritik ist vermeintlich einfach, wird aber den Herausforderungen unserer Zeit nicht gerecht.

In der Medienlandschaft passiert nämlich seit einigen Jahren wieder etwas, das nicht nur der gesellschaftlichen Aufregung, sondern auch der politischen Begleitung und Gestaltung bedarf.

Wir stehen vor der Aufgabe, sowohl die ökonomischen Grundlagen als auch die gesellschaftliche Relevanz der Medien im 21. Jahrhundert unter den Bedingungen der Digitalisierung neu zu beschreiben.

Ich will anhand einiger weniger Schlaglichter verdeutlichen, in welchem Kontext diese Aufgabe zu erfüllen ist:

Erstes Schlaglicht: Das Hans-Bredow-Institut hat im letzten Jahr gefragt, welches Medienangebot für die politische Meinungsbildung am relevantesten sei. In den Antworten landeten die Tagesschau auf Platz eins und die Bild auf drei. Auf Platz zwei kam Google eine Suchmaschine, die bislang keine eigenen Beiträge publiziert.

Zweites Schlaglicht: Wer vergleicht, wie lange einzelne Medienangebote historisch gebraucht haben, um eine Reichweite von 50 Millionen Nutzerinnen und Nutzern global zu erreichen, der stellt eine atemberaubende Beschleunigung fest: Die Presse brauchte Jahrhunderte, das Radio 38 Jahre, das Fernsehen 13, das Internet vier. Aktuelle neue Social Media-Angebote schaffen das mittlerweile in unter sechs Monaten. 

Und der neue Clip des (südkoreanischer K-Pop-Song, wie geschrieben) Gangnam-Style-Erfinders wurde weltweit 37 Millionen Mal geklickt an einem Tag!

Drittes Schlaglicht: Derzeit sind weltweit über eine Milliarde Menschen mit einander vernetzt. Eric Schmidt geht in seinem jüngst erschienenen Buch (Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft) davon aus, dass binnen weniger Jahre noch fünf Milliarden hinzukommen werden. Andere Schätzungen gehen von 50 Milliarden internetfähigen Mobilgeräten aus.

Schon heute gibt es auf der Welt mehr Mobiltelefone als Zahnbürsten. Egal wie beinahe jeder auf der Welt wird zumindest potenziell Zugang zum Netz haben können.

Wir müssen dafür sorgen, dass auch an dieser Schwelle niemand zurückbleibt.

Alle diese Beispiele zeigen, dass sich auch in der Medienpolitik etwas ändern muss.

Der technologische Fortschritt im Alltag ist auch in Medienfragen längst spürbar und es ist notwendig, dass wir ihn reflektieren, um ihn besser zu nutzen.

Die technische Entwicklung birgt schließlich bei allen Unsicherheiten auch grandiose Chancen für gesellschaftliche Kommunikation wenn wir es schaffen, politisch mit ihr Schritt zu halten.

Das wird zunehmend schwieriger umzusetzen.

Als ein Medium noch Jahrhunderte brauchte, um gesellschaftliche Breitenwirkung zu entfalten, hatten wir auch Jahrhunderte Zeit, um eine vernünftige Pressegesetzgebung auf den Weg zu bringen. 

Heute ist die Entwicklung bisweilen so schnell, dass Medienangebote entweder fester Bestandteil des Alltags werden oder längst wieder vergessen sind, bevor wir sie politisch umrissen haben.

Das ist anstrengend, aber es ist auch herausfordernd und es ist spannend.

 

Meine Damen und Herren,

wir tun gut daran, den technischen Wandel zu begrüßen und offensiv zur Verbesserung der Verhältnisse zu nutzen.

Wir sollten damit beginnen, die Potenziale zu erkennen und über sie zu reden:

Dass Zeitungen und Zeitschriften die höchste Reichweite ihrer Geschichte haben, ist gut.

Dass wir mittlerweile nicht mehr nur drei Fernsehsender haben, sondern viele Angebote auch in Nischen und Sparten, fördert Vielfalt.

Dass private Radiosender lokale Öffentlichkeiten gewährleisten, fördert regionale Identität.

Dass sich im Netz jeder an eine potenziell unbegrenzte globale Öffentlichkeit wenden kann, erfüllt den bald ein Jahrhundert alten Traum von Bertolt Brechts Radiotheorie.

Dass wir untereinander leichter in Kommunikation treten und Medienmachern unsere Meinung sagen können, erhöht Reflexivität und birgt demokratische Chancen.

Diese Entwicklungen sind Ergebnisse technologischer Veränderungen.

Ihre  Potenziale können wir heben, wenn wir sie nicht nur identifizieren, sondern durch kluge Rahmenbedingungen fördern.

Dazu aber muss sich Medienpolitik der Frage stellen, wie die medialen Angebote finanziert werden können, die all diese Möglichkeiten bergen.

Und Medienpolitik muss Verfahren entwickeln, die mit der Geschwindigkeit der medientechnischen Entwicklung Schritt halten können.

In einer Welt, in der neue Angebote und Applikationen längst wie selbstverständlich in der Beta-Phase gelaunched werden, müssen wir auch den politischen Prozess in kleinen Schritten und flexibel gestalten.

Dafür brauchen wir aber den festen Grundkonsens darüber, was öffentliche Kommunikation leisten soll.

Nur wenn wir diese Gewissheit im Grundsätzlichen wieder haben, können wir im Konkreten flexibel Neues ausprobieren.

Medienkommunikation ist historisch notwendig geworden, als unsere Gesellschaften so groß und unüberschaubar wurden, dass wir unsere Angelegenheiten nicht mehr im alltäglichen Gespräch auf dem Dorfanger regeln konnten.

Heute ist es selbstverständlich, dass wir beinahe alles, was wir wissen, aus den Medien wissen.

Und es ist genauso selbstverständlich, dass wir dort spätestens seit der Erfindung des Internets beinahe jede Information finden.

Insbesondere die journalistische Berichterstattung ermöglicht es uns, am politischen Geschehen unserer Gesellschaft teilzunehmen. Wir sind auf ihre Vermittlungsleistungen angewiesen.

Anders als in vielen anderen gesellschaftlich relevanten Bereichen können wir diese Leistungen aber nicht einfach politisch-staatlich sichern.

Sie müssen unabhängig erbracht werden und wir müssen uns darauf verlassen können, dass das gelingt, weil wir beinahe keinen Mechanismus besitzen, diese Leistungen zu sichern.

Eine Ausnahme ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der eben nicht privatwirtschaftlich organisiert ist und der es sich deshalb nicht nur leisten kann, sondern auch leisten sollte, Qualität im Zweifel über kommerziellen Erfolg zu setzen. Auf diese Weise kann er Maßstäbe hoher Qualität markieren. Deshalb sichern wir ihn staatsfern, aber gesellschaftlich.

Das Gros der qualitativ hochwertigen Medienberichterstattung aber organisiert und finanziert sich am Markt. Und das wird so bleiben müssen, wenn wir unabhängige Medien wollen.

 

Politik ist dennoch nicht machtlos. Das Beispiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigt, dass sie Rahmenbedingungen gestalten kann. Und auch die anderen Felder des Medienwandels verlangen nach politischer Orientierung, nach Spielregeln und fairem Ausgleich.

Wir können und wollen nicht inhaltlich eingreifen, aber wir können Werte, Aufgaben und Ziele definieren und Instrumente entwickeln, die die Freiheit der Medien und das Gelingen von Öffentlichkeit sichern.

Wie in vielen anderen Politikfeldern auch müssen wir uns dabei aber von der Fiktion der zentralen Steuerung verabschieden. In einem aus guten Gründen prinzipiell staatsfern organisierten System darf der Staat nicht so tun, als würde er die Sache schon alleine regeln können.

Gleichzeitig aber darf die Staatsferne auch nicht dazu führen, dass sich Politik aus der Verantwortung stiehlt und elegant auf den Markt verweist, der das alles schon regeln werde.

Die Folge dieser unterschiedlichen Ansprüche ist eine Media Governance, in der sich Politik, Medienbranche und gesellschaftliche Vertreter gleichermaßen darum kümmern, dass das öffentliche Gespräch gelingt und das öffentliche Geschäft erfolgreich ist.

Die SPD hat sich diesem Ansatz in der Medienpolitik schon seit einigen Jahren sehr bewusst verschrieben und sucht über die Medienkommission des Parteivorstandes, über die Gremien der Bundestagsfraktion und natürlich über die einzelnen Bundesländer sehr intensiv das Gespräch mit allen Vertreterinnen und Vertretern der Medienbranche.

Wir tun dies im Wissen um die große Verantwortung, die wir für das Gelingen gesellschaftlicher Kommunikation tragen. Denn ohne die Leistungen der Medien ist unsere Demokratie nicht denkbar.

In komplexen und unüberschaubaren Gesellschaften wie der unsrigen brauchen wir einen Raum oder eine Sphäre, in der wir über das alle Betreffende und Verbindende reden können. Und wir brauchen Profis, die diese Sphäre herstellen und gewährleisten.

Leichter wird das nicht: Während früher Redaktionen entschieden haben, welche Information in Öffentlichkeit vermittelt werden, ist auf den heutigen Plattformen letztlich alles direkt und ohne Umwege verfügbar. Das Nadelöhr sind nicht mehr die Vermittlungskapazitäten des Mediums, sondern die Auswahl- und Aufnahmefähigkeiten der einzelnen Bürgerinnen und Bürger.

Das macht Journalistinnen und Journalisten aber nicht überflüssig im Gegenteil.

Journalisten mögen nicht mehr in jedem Fall die zentralen Wärter der gesellschaftlichen Informationsschleusen sein, aber sie sind allemal diejenigen, die in Zeiten der permanenten Informationsflut für Orientierung sorgen können. 

Ihre Recherche, ihre Aufbereitung, ihre Einordnung sind unerlässlich dafür, dass wir in modernen Gesellschaften demokratisch zusammenleben können. Wir brauchen daher auch in Zukunft starke journalistische Marken, um Verlässlichkeit und Relevanz zu vermitteln.

Deswegen stehen wir politisch in der Verantwortung, den Journalismus als Beruf zu sichern.

Das ist eine der zentralen Leitlinien sozialdemokratischer Medienpolitik.

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten stehen Medienunternehmen vor der Aufgabe, journalistische Leistungen zum Echtkostenpreis zu verkaufen, weil die klassischen Quersubventionierungen über Anzeigenerlöse immer schwieriger werden. Hinzu kommt die gewachsene Gratiskultur des Internets, in der sie erst daran arbeiten müssen, Bezahlmodelle durchzusetzen.

Es muss meines Erachtens gelingen, dass urheberrechtlichen geschützten  Leistungen im Allgemeinen und journalistischen Leistungen im Besonderen insgesamt wieder verstärkt ein eigener, auch monetärer Wert beigemessen wird.

Für diesen Wert des Journalismus werden wir uns stark machen.

Dazu gehört, dass wir uns um ein Urheberrecht kümmern, das auch in Zukunft kreative Leistungen schützt und das den Urhebern und wenn sinnvoll auch den Werkmittlern die Verfügungsmacht über ihre Produkte und Leistungen sichert.

Dazu gehört, dass wir bei politischen Entscheidungen darauf achten, dass sie keine Kollateralschäden für Medienbetriebe nach sich ziehen. Deswegen freue ich mich, dass es am Mittwoch im Vermittlungsausschuss gelungen ist, eine Einigung zur GWB-Novelle zu erzielen und nun auch die neuen Vorgaben zum Pressegrosso und zur Pressefusionskontrolle endgültig beschlossen werden können.

Dazu gehört, dass wir steuerliche Vorschriften anpassen und vereinheitlichen. Es ist nicht sinnvoll, dass wir auf die Tageszeitung 7% Mehrwertsteuer erheben, auf das E-Paper der gleichen Ausgabe aber 19%. Das müssen wir nach unten anpassen. Wir wollen schließlich nicht die Holzverarbeitung privilegieren, sondern die Ermöglichung gesellschaftlicher Kommunikation.

Dazu gehört, dass wir einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Maßstab eines hochwertigen Journalismus erhalten.

Dazu gehört, dass wir uns um die Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten kümmern und hier auch als Staat wieder stärker in die Verantwortung gehen. Angesichts der Geschwindigkeit der Umbrüche wird es ohne eine akademische Begleitung der Ausbildung nicht gehen können.

Der berühmte Satz von Thomas Jefferson, dass er lieber auf eine Regierung als auf die Zeitungen verzichten würde, steht exemplarisch für die bis heute ungeheure gesellschaftliche Bedeutung des Journalismus.

Ohne professionelle Beobachter, die Aussagen und Information in Beziehung zu einander setzen, wäre Demokratie schließlich nicht denkbar.

Erst die Leistungen von Journalistinnen und Journalisten ermöglichen es uns, in Gesellschaft die Probleme zu erkennen, die wir bearbeiten müssen. Erst sie geben uns Gelegenheit, uns über gemeinsame Herausforderungen und gemeinsame Lösungen zu verständigen.

Deswegen ist bei aller gebotenen und nötigen Staatsferne die Politik in der Pflicht und muss sich um die Zukunft des Journalismus kümmern.

 

Meine Damen und Herren,

zur Sicherung des Wertes journalistischer Arbeit und Produkte gehört auch, dass wir das vielfach geforderte same level playing field schaffen, um eine faire Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Medienangeboten zu sichern. Nicht im Sinne einer Vereinfachung, sondern als abgestufte Regulierung, die für unterschiedliche Leistungen unterschiedliche, aber jeweils in sich vergleichbare Schutzniveaus vorsieht.

Das werden wir im Detail zu beschreiben haben. Und dabei wird es viele Auseinandersetzungen geben. Aber sie sind notwendig, um für mehr Fairness zu sorgen. Politik darf sich da nicht drücken.

Immer häufiger begegnen sich nämlich Medienmacher mit Ihren Angeboten als Konkurrenten, die damit niemals gerechnet haben.

Aktuell fehlen uns in solchen Situationen oftmals die Instrumente, um die entstehenden Konflikte zu lösen oder mindestens zum Ausgleich zu bringen.

Wir brauchen deshalb eine Medienordnung, die nicht nur feststellt, dass es so etwas wie eine Konvergenz der Medien gibt, sondern die daraus auch Schlüsse zieht.

Ich bin deshalb sehr dafür, dass sich die Rundfunkkommission der Länder künftig als eine echte Medienkommission begreift und ihre Verantwortung für Artikel 5 des Grundgesetzes ernst nimmt.

Das bedeutet dann auch, dass wir uns nicht mehr bloß auf den Rundfunk kaprizieren, sondern dass wir uns verantwortlich dafür fühlen, die Regeln zu entwickeln, nach denen wir auch morgen und übermorgen öffentlich über die Dinge reden, die uns alle betreffen.

Diese Aufgabe können die Länder natürlich nicht alleine bewältigen. Sie brauchen dazu den Bund als Partner, um beispielsweise im Hinblick auf die technische Infrastruktur oder die kartellrechtlichen Fragestellungen zu Lösungen zu kommen.

Deshalb müssen wir auch aufpassen, dass wir die Debatte nicht einfach halbieren in einen medienpolitischen und in einen netzpolitischen Teil. Viele Fragestellungen dieser beiden politischen Komplexe gehören zusammen und sollten daher auch zusammen behandelt werden.

Leider aber herrscht zwischen Medien- und Netzpolitikern immer noch viel zu häufig Sprachlosigkeit, wenn nicht gar Unverständnis.

Während die einen es gewohnt sind, in mühseliger Millimeter-Arbeit Kompromisse zu schließen, kommen die anderen in jugendlich-revolutionärem Überschwang daher. Schon habituell könnten beide voneinander profitieren.

Vor allem aber ist es wichtig, dass sie wechselseitig erkennen, dass es Ihnen um die gleichen Fragestellungen geht beziehungsweise gehen sollte. Im Zuge der digitalen Transformation werden ehemals scharf gezogene Mediengrenzen undeutlich.

Die Fragen danach, wie wir uns als Gesellschaft informieren und orientieren oder wie wir Dinge von Belang identifizieren, diskutieren und dann auch bewegen, lassen sich nicht nach analog und digital unterteilen. Sie betreffen die Zeitung auf Papier genauso wie das Newsportal im Netz. Der Übertragungsweg spielt letztlich keine Rolle.

Wenn die Informationen, die wir individuell rezipieren, nicht mehr einzig von einer Redaktion zusammengestellt werden, sondern durch Algorithmen und soziale Empfehlungen ergänzt und vermengt werden, dann sind technische Fragestellungen unmittelbar plötzlich sehr relevant für unsere Öffentlichkeit.

Wenn es dann heißt, dass solch eine Medienkommission auch Medienstaatsverträge schreiben soll, dann ist damit nicht gemeint, dass Regulierung regionalisiert werden soll oder dass künftig alle Vorschriften in einem Dokument zusammengeführt werden. Das wäre übrigens das Gegenteil kluger Governance.

Es geht vielmehr darum, mit der Zersplitterung der Medienregulierung künftig besser umzugehen und der Konvergenz der Angebote wieder gerecht zu werden.

Schließlich sind Inhalte-, Infrastruktur- und Plattformanbieter längst Teil eines digitalen Ökosystems, das einen funktionsfähigen Rahmen braucht.

Bislang standen die Vermittler vor der Aufgabe, das Relevante auszuwählen und auf dem begrenzten Raum der Ausgaben oder Sendeplätze zu präsentieren.

Diese Knappheit gehört der Vergangenheit an. Künftig stehen Leserinnen und Zuschauer vor dem Problem, das Relevante zu finden und aufzunehmen. Welche Informationen wird auf den Plattformen wie gefunden? Das ist die zentrale Frage unserer Medienordnung. Wenn wir sie im Rahmen einer neuen Plattformregulierung regeln wollen, dann können wir uns dabei kaum auf den Rundfunk allein konzentrieren.

Wenn Medienpolitik ihre gesellschaftliche Relevanz behalten soll, dann muss sie umfassender an solche Herausforderungen herangehen.

Ein Medienstaatsvertrag kann in dieser Situation Grundprinzipien definieren, kollisionsrechtliche Prioritäten setzen und Instrumente der Governance und des Konfliktausgleichs normieren.  

Das ist kein Projekt bloß für ein paar Monate. Und es ist kein Projekt für die Länder allein. Eine Medienordnung für die digitale Gesellschaft werden die Länder schließlich nur gemeinsam mit dem Bund und der EU erfolgreich errichten können.

Aufgrund ihrer Verantwortlichkeit für Artikel 5 des Grundgesetzes ist es aber sinnvoll, dass die Länder ihre Gesetzgebungskompetenz im Medienbereich ausfüllen und gemeinsam Vorschläge entwickeln.

Das wird schwierig genug, weil es den Willen aller Beteiligten voraussetzt, Verantwortung zu übernehmen und zusammenzuarbeiten.

Aber es gibt genügend Vorarbeiten, an die wir anschließen können. Die Arbeit der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages aus dieser Legislaturperiode gehört eindeutig dazu. Er wird in den nächsten Jahren darauf ankommen, ihre Erkenntnisse in politische Initiativen umzusetzen.

 

Meine Damen und Herren,

schon die Zahl der Ebenen und der Beteiligten, die ich hier nur andeuten kann, zeigt, dass es in der künftigen Medienpolitik nicht um bloße Vereinfachung geht. Unser Ziel muss vielmehr sein, mit der Komplexität der digitalen Medienwelt angemessen umzugehen.

Nur dann wird es gelingen, die ökonomischen  und gesellschaftlichen Grundlagen der Medienkommunikation zu erhalten.

Einfache Lösungen wird es dabei nicht geben. Umso wichtiger wird es sein, dass wir Medienpolitik anhand klarer Prinzipien machen.

Die SPD jedenfalls wird sich in ihrer Medienpolitik auch in den kommenden Jahren an klaren Leitlinien orientieren:

Es geht darum, den technischen Wandel und die Digitalisierung zu nutzen, um Orientierung und Kommunikation zu ermöglichen.

Es geht darum, die Gräben zwischen Content und Technology zu überwinden und das Verständnis füreinander zu fördern.

Es geht darum, die Bedingungen eines unabhängigen kritischen Journalismus ebenso zu bewahren wie die einer vitalen Medien-  und Kreativwirtschaft.

Es geht darum, den Rahmen für neue digitale Geschäftsmodelle im Sinne eines fairen same level playing fields für alle Beteiligten zu entwickeln.

Es geht darum, eine gelingende Media Governance zu entwickeln und Teilhabe für alle an der digitalen Gesellschaft zu ermöglichen.

Wir sind auf einem guten Weg!

Dieser Kongress zeigt bereits, dass der Schulterschluss zwischen Bund und Ländern möglich ist. Er ist auch nötig, wenn wir die Medienordnung der digitalen Gesellschaft ernsthaft entwickeln wollen. 

 

Schönen Dank!

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.