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10.07.2013

Mehr Einbürgerungen Bürgermeister schreibt Briefe an Ausländer mit Erfolg

Mehr Einbürgerungen Bürgermeister schreibt Briefe an Ausländer mit Erfolg

Interview im Hamburger WochenBlatt, 10. Juli 2013

 

 

Mehr Einbürgerungen Bürgermeister schreibt Briefe an Ausländer  mit Erfolg

 

Von Alice Friedrich und Silvia Stammer

 

Hamburg. Die Zahl der Ausländer in Hamburg, die die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen und bekommen, ist stark gestiegen. Dies sagte Bürgermeister Olaf Scholz (55, SPD) beim Redaktionsbesuch des Hamburger Wochenblatts.

 

Er schreibt seit Dezember 2012 Briefe an die 137.000 potenziellen Einbürgerungskandidaten (derzeit bin ich bei Buchstabe M), diese hätten große Begeisterung ausgelöst: Es scheint, als hätten viele auf eine solche Einladung gewartet. Konkrete Zahlen der Aktion würden demnächst genannt. Seine SPD-Parteikollegin Aydan Özoguz, 46, Direktkandidatin für den Wahlkreis Wandsbek bei der Bundestagswahl, nannte es im WochenBlatt-Interview akzeptabel, dass die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei als Reaktion auf das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten in Istanbul um mehrere Monate verschoben wurden. Scholz kündigte zudem einen weiteren Ausbau von U- und S-Bahnstrecken in den Zwanziger und Dreißiger Jahren an, man müsse weg von der Endzeitstimmung in der Verkehrspolitik.

 

 

 

Wochenblatt: Frau Özoguz, Sie sitzen seit 2009 im Bundestag. Was haben Wandsbeks Bürger davon, wenn Sie wiedergewählt werden würden?

 

Özoguz: Ich habe von Anfang an einen intensiven Austausch zwischen Berlin und Hamburg-Wandsbek gepflegt und bei verschiedenen Veranstaltungen die Ideen und Anregungen der Bürger mitgenommen. Dies betraf zum Beispiel die Bereiche Familie, die Enquetekommission Internet oder den NSU-Ausschuss. Die Menschen sagen mir vor Ort, was sie bedrückt, wie etwa die Frau, die nach ihrer Scheidung mit ihrer kleinen Rente ihre privaten Krankenkassenbeiträge nicht mehr zahlen konnte.

 

WB: Wandsbek sorgt für Bodenhaftung?

 

Özoguz: Ja, oder sogar mehr als das: Hier wird an mich herangetragen, was ich erarbeiten muss.

 

WB: Herr Bürgermeister, wann sind Sie zuletzt Bus gefahren?

 

Scholz: Privat fahre ich selten Bus. Ich habe eine gute S-Bahn-Verbindung vor meiner Haustür (in Altona, Anm. der Red.).

 

WB: Die Frage stellen wir, weil Sie eine große Komfortverbesserung durch das Busbeschleunigungsprogramm angekündigt haben. Aber wird das wirklich eine Bereicherung, zumal die Bürger unter den großen Baustellen leiden?

 

Scholz: Ganz sicher. Busse gehören zu unserem Nahverkehrssystem. Im Mittelpunkt steht der Ausbau des Schnellbahnnetzes, beispielsweise die Verlängerung der U 4 bis an die Elbbrücken oder die neue S 4-Strecke, von der Wandsbek sehr profitieren wird. Zum anderen werden die Kapazitäten der Busse um 30 Prozent ausgebaut. Die Fahrzeuge werden größer, und die Metrobuslinien werden effektiver bedient. Dies schaffen wir bis Ende dieses Jahrzehnts.

 

WB: Und die Baustellen?

 

Scholz: Die sind notwendig, aber es lohnt sich. Wenn die Bauarbeiten fertig sind, wird es besser, dann steigen bestimmt viele Menschen, die bisher Auto gefahren sind, auf den Bus um. Einige sind mit dem, was wir machen, nicht einverstanden und mäkeln jetzt über die unvermeidlichen Baustellen. Wie durchsichtig. Aber wir bauen aus, was wir haben. Wir verlangen von Herstellern bis Ende des Jahrzehnts Busse ohne Emissionen. Ab 2020 wird dadurch auch der Komfort steigen, es wird keinen Lärm durch die neuen Fahrzeuge geben.

 

WB: Trotzdem hätte sich mancher in Bramfeld gewünscht, dass die U 4 in die andere Richtung verlängert worden wäre, über den Dorfplatz bis zum Fahrenkrön.

 

Scholz: Es ist ganz wichtig, dass wir von der Endzeitstimmung in der Verkehrspolitik wegkommen. Wir werden auch noch in den Zwanziger und Dreißiger Jahren U- und S-Bahnen bauen und hoch frequentierte Strecken besser anbinden. Was wir jetzt machen, ist nicht das Letzte, was wir tun. Ich bin davon überzeugt, dass wir den öffentlichen Nahverkehr weiter ausbauen müssen. Wir haben deshalb auch entschieden, bis Anfang nächsten Jahrzehnts alle Bahnstationen barrierefrei umbauen.

 

WB: Frau Özoguz, wie steht es um Integration in Hamburg?

 

Özoguz: Wir sind auf dem richtigen Weg, weil wir insbesondere auf Bildung und Ausbildung setzen. Das fängt in den Kitas an und reicht bis zur Berufsausbildung. Allen jungen Menschen muss eine Chance gegeben werden. Sie dürfen nicht aufgrund ihres Namens oder ihrer Herkunft diskriminiert werden. Aber wir erwarten auch, dass dann Chancen ergriffen werden.

 

WB: Herr Bürgermeister, seit Dezember 2012 schreiben Sie Briefe an 137.000 ausländische Mitbürger in Hamburg, mit der Aufforderung sich einbürgern zu lassen. Wie weit ist das Projekt gediehen?

 

Scholz: Ich schreibe von A bis Z, derzeit bin ich bei M. Die Resonanz ist sehr positiv. Es scheint, als hätten viele lange auf diese Einladung gewartet. Wir merken das an der deutlich gestiegenen Zahl der Beratungsgespräche und an der steigenden Zahl der Anträge und Einbürgerungen. Insgesamt wird das den Zusammenhalt in unserer Stadt sehr stärken. Wer einmal an einer Einbürgerungsfeier im Rathaus teilgenommen hat, wo Nationalhymne und Hammonia gesungen werden, wird selbst mit seiner Rührung zu kämpfen haben. Dort trifft man stolze Bürger unserer Stadt.

 

WB: Und wann sind Sie bei Z?

 

Scholz: Voraussichtlich im Herbst 2014. Das wird aber längere Nachwirkungen haben. Ich bin davon überzeugt, dass durch die Einbürgerung die Identifikation mit Hamburg und Deutschland steigt. Wer diesen Schritt unternimmt, der denkt sich etwas dabei.

 

WB: Frau Özoguz, die EU-Außenminister haben die Beitrittsgespräche mit der Türkei um mehrere Monate verschoben, als Reaktion auf das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten auf dem Taksim-Platz. War das richtig?

 

Özoguz: Es war zunächst falsch, dass Frau Merkel erst gar nicht mehr verhandeln wollte. Das hat den Demonstranten nicht geholfen, die für ihre demokratischen Rechte kämpfen. Ich begrüße, dass die Bundeskanzlerin auf Druck der anderen EU-Staaten ihre Blockade aufgeweicht hat. Die Türkei kann sich nun bewegen.

 

WB: Die Verschiebung ist für Sie aber akzeptabel?

 

Özoguz: Ja, mit der deutlichen Ansage, dass man die Gespräche weiter führen wird. Ich hätte mir gewünscht, dass kritische Dinge sofort auf den Tisch kommen. Stichwort Justiz da kann die Türkei zeigen, welche Reformen einzuleiten sie bereit ist. Es gab ja in der Vergangenheit schon Reformen. Wer hätte gedacht, dass das türkische Militär innenpolitisch eine so kleine Rolle spielen könnte, wie es jetzt der Fall ist? Das wäre vor Erdougan anders gewesen.

 

WB: Herr Bürgermeister, Sie haben kürzlich Jenfeld und Dulsberg in einem Interview als Stadtteile genannt, um die sich der Senat verstärkt kümmern will. Was heißt das konkret?

Scholz: Es wird darüber diskutiert, wo man in Hamburg gut leben kann. Ich kenne aber viel mehr lebenswerte Stadtteile, als die, über die oft geredet wird. Wilhelmsburg, die Veddel und Harburg kommen mit der IBA und igs in den Blick. Aufwertung ohne Verdrängung ist auch in der östlichen inneren Stadt möglich, in Hammerbrook, Rothenburgsort, Hamm. Wir müssen Stadtteile, die bisher nicht so im Fokus waren, als attraktiven Lebensraum begreifen und entwickeln. Zum Beispiel Jenfeld, dort ist ein großes Bauvorhaben auf dem ehemaligen Kasernengelände geplant. Und auch in Dulsberg muss etwas vorankommen. Hamburg hat viele attraktive Stadtteile. Wenn man sich gut vorstellen kann, überall ein gutes Leben zu haben, mit Familie und Freunden, dann wird das Problem, das unter dem Begriff Gentrifizierung alarmistisch diskutiert wird, geringer. Eines ist aber klar: Der Wohnungsbau ist ein zentraler Punkt.

 

WB:...bezahlbarer Wohnungsbau...

 

Scholz: Von den mindestens 6000 Wohnungen, die wir pro Jahr bauen, sollen jeweils ein Drittel Sozialwohnungen sein. Das kriegen wir auch einigermaßen hin. Sogar in der HafenCity, beim anstehenden Bau von 2800 Wohnungen im östlichen Teil wird es öffentlich geförderten Wohnungsbau geben.

 

WB: Frau Özoguz, Sie leben in Rahlstedt. Was macht das Quartier lebens- und liebenswert?

 

Özoguz: Genauer gesagt leben mein Mann, meine Tochter und ich in Oldenfelde. Ich mag die Mischung dort, jung und alt, unterschiedlichste Familienverhältnisse. Und die Kinder können auf der Straße toben. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich. Durch unsere Straße fahren viele Autofahrer ungern, weil da ein Dutzend Kinder spielen.

 

 

http://www.hamburgerwochenblatt.de/fileadmin/SystemOrdner/Ausgaben/Wandsbek_KW28.pdf