4 Fragen an Olaf Scholz im Handelsblatt
Viele Unternehmen ringen derzeit ums Überleben. Sind Werte wie Mitarbeiterorientierung in der Krise in Gefahr?
Unternehmenskultur ist keine Schönwetterveranstaltung. Gerade in der Krise muss sich die Qualität eines Arbeitgebers bewähren. Mitarbeiter haben ein gutes Gedächtnis. Sie behalten genau, wie ihre Firma sie in schlechten Zeiten behandelt.
Können Unternehmen gute Arbeitgeber sein, wenn sie in der Rezession Stellen abbauen müssen?
Jedes Unternehmen muss darauf aus sein, schwarze Zahlen zu schreiben gerade in der Krise. Allerdings: Arbeitgeber sollten genau nachrechnen, ob es sich nicht mittel- und langfristig mehr lohnt, an Mitarbeitern festzuhalten, statt sie zu entlassen. Wir entbürokratisieren derzeit die Kurzarbeit und machen sie auch für Mittelständler finanzierbar und kalkulierbar. Die Zeit, in der weniger zu tun ist, sollten Arbeitgeber für Weiterbildung nutzen. Wer qualifiziert, für den übernehmen wir die Sozialversicherungsbeiträge der Kurzarbeit auf Antrag komplett. Wenn die Konjunktur wieder anspringt, haben diese Firmen einen Wettbewerbsvorteil: Denn sie verfügen über eingearbeitete, qualifizierte und hochmotivierte Beschäftigte und müssen nicht mühsam neue Mitarbeiter suchen.
Wie lässt sich dem vielbeschworenen Fachkräftemangel entgegensteuern?
Wir brauchen vorausschauende Unternehmen, die in ihre Mitarbeiter investieren. Ich bin froh, dass die Wirtschaft angekündigt hat, die Zahl der Ausbildungsplätze im Krisenjahr sogar zu steigern. Sonst steuern wir Mitte des neuen Jahrzehnts auf eine Situation zu mit hoher Arbeitslosigkeit und gleichzeitigem Fachkräftemangel. Was sich kaum herumgesprochen hat: Seit 1. Januar haben wir einen weltweit offenen Arbeitsmarkt für Akademiker in Deutschland. Alle EU-Inländer haben unbeschränkten Zugang. Für alle übrigen Akademiker prüfen wir lediglich, ob normales Gehalt gezahlt wird und ob nicht ein Inländer auf die Stelle passt. Diese Öffnung ist eine große Entlastung für die Unternehmen. Zudem haben wir den weltweiten Austausch von Spitzenkräften innerhalb von Konzernen erleichtert. Davon verspreche ich mir viel. Spätestens wenn 2011 der EU-Arbeitsmarkt völlig geöffnet ist, zeigt sich, welcher Arbeitgeber gute Leute binden kann nur die haben wirtschaftlich Erfolg.
Die Bestenliste zeigt: Mitarbeiter erfolgreicher Firmen, denen sehr viel abverlangt wird, sind besonders zufrieden. Ein Beleg, dass Arbeitnehmer alles andere suchen als eine Kuschelecke?
Arbeitnehmer wollen gefordert, wertgeschätzt und gefördert werden. Und diese Investition in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zahlt sich aus in wirtschaftlichem Erfolg, wie Studien belegen. Zudem wird oft unterschätzt, welche Bedeutung Arbeit für unser Leben hat. Wer mit 16 Jahren die Schule verlässt, hat 50 Jahre Berufstätigkeit vor sich. Nur wer sich bei der Arbeit gut aufgehoben fühlt, kann sich entfalten und etwas leisten.Die Fragen stellte Katrin Terpitz.